Ratgeber

Krank, was nun? Alles über Beweispflicht, Lohn und Sperrfristen

Martin Jakob

Ein schwerer Schnupfen, eine Grippe, eine ­Lungenentzündung? Unmöglich, in diesem Zustand zu arbeiten. work sagt Ihnen, wann Sie ein Arztzeugnis vorlegen müssen, wie viel Lohn Sie erhalten und wann die Firma kündigen darf.

WENN DER KOPF BRUMMT: bleiben Sie besser im Bett. Den Lohn erhalten Sie trotzdem, ob Sie Vollzeit, Teilzeit oder im Stundenlohn angestellt sind. (Foto: Getty)

Grundsätzlich tragen Sie die Beweislast dafür, dass Sie krankheitshalber nicht zur Arbeit erscheinen können. Und das vom ersten Tag an. Die meisten Firmen legen aber im Arbeitsvertrag fest, dass erst ab dem dritten oder sogar fünften Tag ein Arztzeugnis nötig ist. Bei Absenzen, die kürzer sind als diese Frist, gilt in diesem Fall die umgekehrte Beweislast: Misstraut die Firma Ihrer Aussage, muss sie den Nachweis erbringen, dass Sie arbeitsfähig gewesen wären.

Das Arztzeugnis muss über den Beginn, den Grad und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit informieren und unterscheiden, ob es sich um eine Krankheit oder einen Unfall handelt. Die Diagnose hat im Zeugnis jedoch nichts verloren. Sie fällt unter das Arztgeheimnis, und die Firma darf nur mit Ihrem Einverständnis informiert werden.

Die Diagnose hat im Arztzeugnis nichts verloren.

Knifflig kann die Sache werden, wenn Sie nicht zu 100 Prozent krank geschrieben werden. Was bedeutet die teilweise Arbeitsunfähigkeit genau? Steht nicht ausdrücklich etwas anderes im Zeugnis, bedeutet eine 50prozentige Arbeitsunfähigkeit, dass Sie 50 Prozent eines Vollzeitpensums leisten können – arbeiten Sie also 80 Prozent, sind Sie nur für 30 Prozent Ihrer normalen Arbeitszeit krank geschrieben. Fragen Sie die Ärztin deshalb nach einer Präzisierung. Es kann auch sein, dass im Zeugnis steht, Sie dürften Ihre normale Arbeit nicht verrichten, könnten aber für eine andere, leichtere Tätigkeit eingesetzt werden. Dann ist es Sache der Firma, für Sie eine Einsatzmöglichkeit zu finden. Ist sie dazu nicht in der Lage, sind Sie nicht arbeitspflichtig.

Das Arztzeugnis ist eine Urkunde im strafrechtlichen Sinn. Stellt der Arzt ein Gefälligkeitszeugnis aus, kann das für ihn heikel werden. Vor allem, wenn die Firma das Zeugnis anzweifelt und Sie zu einer vertrauensärztlichen Untersuchung schickt. Dazu hat sie nämlich das Recht – allerdings auf ihre eigenen Kosten. Das Zeugnis darf aber nur eine Beurteilung der Arbeitsfähigkeit enthalten, denn auch Vertrauensärzte sind an die ärztliche Schweigepflicht gebunden.

LOHNFORTZAHLUNG

Das Gesetz verlangt von der Firma, dass sie eine beschränkte Zeit lang den vollen Lohn weiterhin bezahlt. Also den Lohn mit allen üblichen Zulagen. Das gilt, ob Sie Vollzeit, Teilzeit oder im Stundenlohn angestellt sind. Aus der Gerichtspraxis sind Richtlinien entstanden, die als Minimum gelten. Zwar wenden die Gerichte je nach Kanton eine von drei unterschiedlichen Skalen an (Basler, Berner und Zürcher Skala). Aber alle drei Skalen beginnen bei 3 Wochen Lohnfortzahlung im ersten Dienstjahr und sehen eine parallel zum Dienstalter länger werdende Dauer vor. Mit 20 Dienstjahren haben Sie Ihren Lohn im Krankheitsfall rund ein halbes Jahr lang ­zugute.

Der häufigere Fall ist aber, dass Ihre Firma individuell oder im Rahmen eines Gesamtarbeitsvertrags eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen hat, die den Lohnausfall während maximal zweier Jahre deckt. Die Firma darf höchstens die Hälfte der Versicherungsprämie vom Lohn abziehen, und der versicherte Lohn muss mindestens 80 Prozent des vertraglich vereinbarten Lohns betragen. Je nach Firma und Versicherungsbedingungen kann diese 80-Prozent-Regel bereits ab dem ersten Tag gelten. Unter Umständen sind Sie also bei kurzer Krankheit mit der Taggeldversicherung schlechtergestellt als jemand, dessen Firma keine Taggeldversicherung abgeschlossen hat und deshalb für kurze Zeit den vollen Lohn bezieht. Dafür sind Sie im Fall einer längeren Erkrankung massiv besser abgesichert. Hat die Firma für die Mitarbeitenden eine Taggeldversicherung abgeschlossen, darf sie einen bis maximal drei «Karenztage» verfügen. Das bedeutet, dass sie für den ersten bis maximal dritten Tag der Erkrankung keinen Lohn schuldet. Schauen Sie in Ihrem Arbeitsvertrag oder/und im Gesamtarbeitsvertrag nach, was für Sie aktuell gilt, und informieren Sie sich auch in den allgemeinen Bedingungen (AVB) des Versicherers.

Der Kündigungschutz bei Krankheit ist zeitlich limitiert.

KÜNDIGUNGSSCHUTZ

Eine Firma, die Mitarbeitenden kündigt, weil sie krank sind, handelt unloyal – aber leider nicht unbedingt ungesetzlich. Denn der Kündigungsschutz bei ganzer oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit ist zeitlich limitiert. Die Sperrfrist dauert 30 Tage im 1. Dienstjahr, 90 Tage vom 2. bis 5. Dienstjahr und 180 Tage ab dem 6. Dienstjahr. Danach darf die Firma den Arbeitsvertrag kündigen – auch wenn die Krankheit fortbesteht. Kommt es zur Arbeitsunfähigkeit, wenn die Firma eine Kündigung bereits ausgesprochen hat, steht die Kündigungsfrist für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit still, und das Arbeitsverhältnis verlängert sich entsprechend. Sie selber dürfen allerdings auch im Krankheitsfall jederzeit unter Beachtung der vertraglich vereinbarten Frist kündigen.

Erhalten Sie nach Ablauf der Sperrfrist die Kündigung und ist die Krankheit als Begründung angeführt, hält das Bundesgericht dies grundsätzlich für legal. Allerdings mit dem gewichtigen Vorbehalt, die Kündigung sei dann missbräuchlich, wenn die Krankheit auf eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber zurückzuführen sei. Das ist der Fall, wenn Ihre Krankheit wegen gesundheitsgefährdender Arbeitsbedingungen erst entstehen konnte. Allerdings liegt die Beweislast dann bei Ihnen. Eine hohe Hürde. Wenden Sie sich an Ihr Unia-Regio­nalsekretariat, um Ihre Chancen und das weitere Vorgehen abzuklären.

Arbeitslos und krank

Wenn Sie Arbeitslosenentschädigung beziehen und krank werden, müssen Sie dies dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) melden und ein Arztzeugnis an Ihre Arbeitslosenkasse senden. Wenn Sie krank sind, bezahlt die Arbeitslosenversicherung das Taggeld ab dem ersten Krankheitstag während längstens 30 Tagen. Für die ganze Dauer der Arbeits­losigkeit werden maximal 44 Krankheitstage bezahlt.


Krank geschriebenGassi gehen?

«Bleiben Sie zu Hause!» Der Spruch dröhnt uns allen coronabedingt in den Ohren. Gilt er auch, wenn Sie krank geschrieben sind? Aber wer geht dann mit dem Hund spazieren? Wer kauft ein? Müssen Sie das ­Wanderweekend absagen? Und die Ferien auch? Wie so oft im Leben lautet die Antwort: Es kommt darauf an.

Regel Nummer 1: Ihr Arztzeugnis bescheinigt Ihnen Arbeits­unfähigkeit. Es sagt aus, dass Sie krankheitsbedingt die Tätigkeit zurzeit nicht ausüben können, für die Sie angestellt sind. Es verbietet Ihnen aber nicht zu leben.

Regel Nummer 2: Gesund ­werden ist jetzt das Wichtigste. Halten Sie sich an die ärztlichen Empfehlungen. Lautet eine Empfehlung, strikte Bettruhe einzuhalten, sollten Sie das tun und jemand anderen auf den ­Hundespaziergang oder zum ­Einkauf schicken. Ansonsten sind die nötigsten Ausser-Haus-Besorgungen statthaft.

Regel Nummer 3: Üben Sie in der Zeit, in der Sie krank geschrieben sind, keine Tätigkeit aus, die Sie auch berufshalber ausüben. Sind Sie als Gärtner für arbeitsunfähig erklärt worden, sollten Sie in der Genesungszeit nicht Ihren Schrebergarten jäten. Sind Sie dagegen IT-Spezialist mit akutem Burn-out, wird Ihre Ärztin Sie zum Wanderausflug wahrscheinlich sogar ermuntern.

Regel Nummer 4: Ferientermine müssen immer von der Firma ­bewilligt werden, und Arbeits­unfähigkeit ist nicht immer dasselbe wie Ferienunfähigkeit. Häufig aber ist bei einer Krankheit, die arbeitsunfähig macht, auch der Erholungswert der ­Ferien stark reduziert. Dann sind Sie besser beraten, die Ferien zu verschieben. Wären Sie ferien­fähig, möchten aber dennoch lieber erst in die Ferien, wenn Sie ganz gesund sind, brauchen Sie für die Verschiebung jedoch das Einverständnis der Firma.

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