Testoffensive des Bundes: Firmen stehen auf der Bremse

Spucken Ja, zahlen Nein!

Ralph Hug

Scheitert die Spucktest­offensive des Bundes am passiven Widerstand der Firmen? ­Arbeitgeber wehren sich gegen ­Quarantänepflicht.

VORBILD: Beim St. Galler Technologieunternehmen Bühler können Mitarbeitende gratis jede Woche einen Spucktest beziehen. (Foto: Bühler)

«Mit Ungeduld» erwarte die Wirtschaft die Testoffensive aus Bern: So lautete der Tenor, als Gesundheitsminister Alain Berset Mitte März das neue Schnelltestregime des Bundes verkündete. Überall sollen Unternehmen und Schulen ab sofort massenhaft testen. Doch viele Betriebe rühren sich bisher kaum – von ein paar löblichen Ausnahmen abgesehen (siehe Text unten).

Im Kanton St. Gallen hat sich nur ein Prozent der Firmen für Spucktests angemeldet.

MAGERES ECHO

So manche Chefs wollen erst mitmachen, wenn es klare Direktiven aus Bern oder vom zuständigen Kanton gibt. Das zeigen Recherchen von work in Personalkommissionen: Zum Beispiel sagt Unia-Mann Hans Bänziger von der Arbeitnehmervertretung des Kabelkonzerns Huber + Suhner in He­risau AR: «Bei uns laufen Abklärungen.» Festgelegt sei aber noch nichts. Man müsse pragmatisch bleiben. Die Schutzvorrichtungen im Betrieb seien gut. Nur die Stiftinnen und Stifte müsse man hin und wieder ermahnen, wenn sie sich zu nahe kämen. Ähnlich tönt es bei Siemens. Auch dort wird intern rege diskutiert, aber nichts ist festgelegt. Gegen die Spucktests gibt es Bedenken wegen des Aufwands und der Logistik. Grosskonzerne mit vielen verschiedenen Standorten wie die Post oder die SBB sehen sich vor grössere Probleme gestellt. In etlichen Kantonen ist das Echo mager. So etwa im Trödler-Kanton St. Gallen. Dort hat sich gerade mal ein Prozent der Unternehmen für die Spucktests angemeldet. Kein Wunder, wenn die eigene Regierung nicht vorwärtsmacht.

Faktisch herrscht derzeit viel passiver Widerstand gegen die Schutzmassnahmen aus Bern. Da aber hatte der Arbeitgeberverband vorgespurt. Er forderte nicht nur kostenlose Tests, sondern auch null Beeinträchtigungen im Betrieb. Heisst konkret: Man will auf keinen Fall eine Quarantäne­pflicht für Kontaktpersonen. Dieses Problem stellt sich bei den sogenannten gepoolten Tests. Dabei werden mehrere Speichelproben (in einem Pool, also einem Gefäss) zusammengeschüttet. Dies ist günstiger als Einzeltests. Der Nachteil ist, dass ein positiver Befund keiner bestimmten Person mehr zugeordnet werden kann. Die Chefs fürchten, dass dann ganze Teams oder Abteilungen in die Quarantäne müssen und damit ausfallen. Die Zentralschweizer Industrie- und Handelskammer sagt es fadegrad: «Bei den Unternehmen soll auf gepoolte Tests verzichtet werden.»

SPUCK-SET: Alles, was es für den Selbsttest braucht. (Foto: Bühler)

ES GEHT AUCH ANDERS

Stattdessen möchten die Chefs, dass nur Selbsttests zum Zug kommen. Damit wird die Pandemiebekämpfung für die Betriebe günstig – und sozusagen privatisiert. Denn Bund und Kantone bezahlen die Tests sowie deren Lieferung und Auswertung. Die Betriebe müssen nur noch eine interne Stelle bezeichnen, wo die Mitarbeitenden die Testkits holen können. Alles ist freiwillig. Für die Wirtschaft ist dies Gesundheitsschutz zum Nulltarif. Oder anders gesagt: Die Kosten bezahlt der Staat und vom «Gewinn», von den coronafreien und leistungsfähigen Mitarbeitenden, profitiert die Wirtschaft. Den Rest des schleppenden Gangs der Testoffensive erledigen allgemeiner Unwille, übertriebene Bürokratie und logistische Komplexitäten.

Dabei zeigen Kantone wie Graubünden oder Baselland, dass es auch ganz anders geht. Der Bündner Krisenstab setzte schon früh auf Massentests auch in den Betrieben. Inzwischen machen 1500 Firmen im Kanton mit. Von 88’000 Tests fielen bisher 160 positiv aus. Mit diesem Regime konnten grössere Ausbrüche vermieden werden. Baselland setzt dabei auf eine volksnahe Informationspolitik: Auf der Corona-Website spuckt im Video ein Lama, und ein Schema erklärt gut verständlich den Ablauf des Testprogramms von der Registrierung bis zum Resultat (zum Video: rebrand.ly/testen-baselland).


TestoffensiveDas macht die Unia

Das macht die Unia Geschäftsleitungsmitglied Nico Lutz sagt: «Wir beteiligen uns an der Test­offensive. Damit lassen sich Cluster vermeiden.» Laut Philipp Müller von der internen Taskforce werden jetzt die Details zum konkreten Ablauf festgelegt.

MASKEN. Die Schwierigkeit sei, dass sich die Unia-Sekretariate in den verschiedenen Kantonen anmelden müssten, aber noch nicht alle Plattformen in Betrieb seien. Die geltenden Schutzmassnahmen bleiben weiterhin in Kraft. So erhielten alle Unia-Mitarbeitenden neue Livinguard-Masken, die sechs Monate halten. Geplant ist, die Schalter der Arbeitslosenkassen in der Deutschschweiz ab dem 3. Mai wieder zu öffnen.


Weitere Artikel zum Thema:

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.