SVP-Bundespräsident Guy Parmelin reist nach Brüssel:

Rahmenabkommen: Der (vor) letzte Akt

Clemens Studer

High Noon oder schickliches Begräbnis? Jetzt soll Bundespräsident Guy Parmelin nach Brüssel reisen und retten, was wohl nicht mehr zu retten ist.

MÄÄH: Weinbauer Parmelin hat ein Händchen für Lämmchen. In Brüssel wird er wohl aber auch etwas Schwein brauchen. (Foto: Keystone)

Seit sieben Jahren verhandelt die Schweiz über ein sogenanntes Rahmenabkommen mit der EU. Zur Absicherung der bilateralen Verträge. Diese brauchte es, weil das Schweizer Volk 1992 den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) hauchdünn abgelehnt hat. Nach einer beispiellosen Kampagne von SVP-Führer Christoph Blocher. Auch dank rechten Sozialdemokraten wie Rudolf Strahm und einem Teil der Grünen.

Es folgte eine Phase von konjunkturpolitisch mageren Jahren bis zum Abschluss der bilateralen Verträge. Diese werden mit Massnahmen flankiert, die den Schweizer Lohnschutz sichern. Eine ­Errungenschaft der Linken und Gewerkschaften. Doch den rechten Parteien, den Wirtschaftsverbänden und dem Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) sind die flankierenden Massnahmen (FlaM) seit je ein Dorn im Auge. Damals haben sie zugestimmt, weil sie freien Marktzugang wollten für Exporte, die Finanzindustrie und freien Zugriff auf die Arbeitskräfte aus dem EU-Raum. Das vorher geltende Kontingentregime war nicht nur unmenschlich, sondern irgendwann für das Kapital auch profitmindernd.

Gegen Gewerkschaften und SVP ist keine Abstimmung zu gewinnen.

WAS IST GESCHEHEN?

Am 20. September 2017 wurde ­Ignazio Cassis als FDP/SVP-Hybrid in den Bundesrat gewählt. Seit dem 1. November des gleichen Jahres ist er Vorsteher des Aussendepartements EDA. Angetreten ist Cassis mit dem grossmauligen Versprechen, im Verhältnis mit der EU den «Reset-Knopf» zu drücken. Herausgekommen ist ein Fiasko. Denn Cassis überschritt im Auftrag einiger Wirtschaftsverbände und dem Seco die von der Bundesratsmehrheit definierten «roten Linien». Im besonderen gab er den Lohnschutz auf und wollte damit die FlaM faktisch aufgeben. Das war verheerend. Inhaltlich, aber auch für das Abkommen als solches. Denn die Gewerkschaften waren aufmerksam und bemerkten den Angriff auf den Lohnschutz. Der damalige SGB-Präsident Paul Rechsteiner stellte sich im Sommer 2019 entschieden dagegen. Und stoppte Cassis.

WAS WIRD PASSIEREN?

Am Erscheinungstag dieser work-Ausgabe (also nach Redaktionsschluss) reist Bundespräsident Guy Parmelin (SVP) nun nach Brüssel. Vielleicht kann der wackere Waadtländer Weinbauer noch etwas retten. Doch das ist mehr als fraglich. Zu viel hat der wendige Ignazio «Reset-Knopf» Cassis versaubeutelt. Das haben seine Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat unterdessen definitiv begriffen. Er muss zwar nicht «ooni Znacht is Bett», aber zu Hause bleiben.

Unterdessen fordern der EU-Botschafter in der Schweiz und einige Medienschaffende eine Volksabstimmung über das jetzt vorliegende Rahmenabkommen. Das ist der letzte verzweifelte Versuch von neoliberalen Wirtschaftsverbänden und gewerkschaftsfernen SP-Mitgliedern, doch noch den Lohnschutz zu schleifen. Es wird nicht gelingen. Weil: Gegen die Gewerkschaften mit ihrer differenzierten und dezidierten Kritik am Rahmenabkommen und gegen die fundamentalistische rechtsnationalistische SVP ist in der Schweiz keine Abstimmung zu gewinnen. Das ist nicht Polit-Propaganda, sondern pure Polit-Arithmetik.

Das hat auch der schlaue Mitte-(Ex-CVP-)Präsident Gerhard Pfister schon länger begriffen. Auch er ist für Übungsabbruch beim Rahmenabkommen in der vorliegenden Form. Ciao Cassis!

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