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Schichtführer und Elektroinstallateur David Hofmann: «Eine Fabrik zu fahren, das reizt mich!»

Anne-Sophie Zbinden

Haushaltszucker, Saccharose, Rohzucker, Melasse – Zucker hat viele Namen, und David Hofmann kennt sie alle. Und er weiss, wie man Rüben in Kristalle verwandelt.

MANN IM ZUCKERHAUS. David Hofmann (30) ist nicht aus Zucker, aber er macht ihn. (Foto: Matthias Luggen)

David Hofmanns Arbeitsort ist ein Zuckerhaus. Wer sich dabei so etwas wie ein Lebkuchenhaus vorstellt, ist auf dem Holzweg. In Hofmanns Zuckerhaus dominiert der Stahl. Tanks, Zentrifugen, Zylinder und ein Labyrinth an Förderbändern und Verbindungsrohren. Hier entstehen Kristalle – Zuckerkristalle. Momentan steht sie still, die Zuckerküche, doch bald brodelt es hier wieder. Ab Ende April werden 60’000 Kubikmeter Zuckerrüben-Dicksaft zu Kristallzucker verarbeitet.

Erwacht die Fabrik dann aus dem Winterschlaf? Keineswegs. In den vergangenen Monaten wurde im Zuckerhaus gehämmert, geschraubt oder gebohrt: David Hofmann und seine Kolleginnen und Kollegen haben die Produktionsanlage in Schuss gebracht. Wie Hofmann erklärt, sind solche Revisionsarbeiten während der «Kampagnen», also der Zeit, in der Zucker produziert wird, nicht möglich. Zwischen den Kampagnen arbeitet Hofmann auf seinem ursprünglich erlernten Beruf als Elektroinstallateur. Während der Kampagnen ist Hofmann Schichtführer im Zuckerhaus. Er sagt: «Die meisten hier haben zwei Jobs. Das macht es spannend!»

HOCHKOMPLEX. David Hofmann arbeitet seit 10 Jahren in der Zuckerfabrik in Aarberg BE. Nach ein paar Jahren als Operateur in der Kochstation wollte er mehr. Wissen, wie die Abläufe genau funktionieren, mehr Verantwortung. «Mich interessiert der Umgang mit dem Naturprodukt Zuckerrübe, die Zuckerproduktion ist hochkomplex.» Deshalb liess er sich zum Schichtführer im Zuckerhaus weiterbilden. Hofmann sagt: «Einen ganzen Fabrikbereich fahren zu können, das reizt mich!»

Bald wird Hofmann die Anlage langsam hochfahren. «Es dauert zwei Wochen, bis die nötigen Probeläufe durch sind und alles einwandfrei funktioniert.»

Bis eine Rübe, oder was davon als Bestandteile übrigbleibt, ins Zuckerhaus gelangt, hat sie schon einen weiten Weg hinter sich: Die Erntezeit der Zuckerrüben oder die Rodung, wie es im Fachjargon heisst, beginnt im September. Nach einem ausgeklügelten Plan liefern die Bäuerinnen und Bauern die Rüben nach Aarberg. Als erstes werden sie dort gewaschen und geschnitten. In heissem Wasser wird den Rüben der Zucker entzogen. Es entsteht ein dunkler Zuckerrohsaft. Aus dem Rübenschnitzel gibt’s Tierfutter. Der Rohsaft wird mit der Hilfe von Kalkmilch und Kohlensäure gereinigt und besteht anschliessend praktisch nur noch aus Wasser und Zucker. Dieser Dünnsaft wird in der Verdampfstation weiter konzentriert, bis Dicksaft entsteht.

Ein Teil des Dicksaftes wird eingelagert und dann im Frühling verarbeitet. Der andere Teil kommt direkt in die Kochapparate in Hofmanns Zuckerhaus. Dort wird dem Saft weiter Wasser entzogen. Hinzu kommen ganz feine Zuckerkristalle, das sogenannte Impfgut. Jetzt beginnen die Zuckerkristalle zu wachsen. In Zen­trifugen werden dann die Kristalle vom Sirup getrennt. Die Kristalle werden getrocknet, abgesiebt und kommen in den Silo. Der Sirup wird erneut kristallisiert – es bilden sich Rohzucker und Melasse. Diese wird zum Futtermittel weiterverarbeitet. Der Rohzucker wird aufgelöst, fil­­triert und erneut kristallisiert, bis weisser Zucker entsteht. Hofmann erklärt: «Ein Saccharose-Molekül verbringt unter Umständen Tage in der Fabrik, macht mehrere Rundgänge, bis es schliesslich als Zuckerkristall in einem der riesigen Silos landet.»

In einem Kilogramm Zucker stecken ungefähr acht Rüben. In der letzten Saison verarbeitete die Zuckerfabrik Aarberg rund 809’000 Tonnen Rüben zu 113’000 Tonnen Zucker.

HÖCHSTLEISTUNG. Auf den Bildschirmen im Leitstand hat Hofmann den Überblick über alle Rohre, Leitungen und Schaltstellen. Aber einen Bürojob hat er nicht. Häufig geht er raus, Treppen hoch und runter, kontrolliert, löst Probleme. Hofmann sagt: «Ich optimiere gerne. Wenn etwas nicht rundläuft, muss ich wieder die volle Leistung herstellen.» Wenn etwa ein Laborwert nicht optimal ist, muss er sofort reagieren. Andere Abweichungen kann er auch über mehrere Tage tolerieren. Hofmann: «Ich muss immer eine Lösung finden. Auch wenn es vielleicht in einem ersten Anlauf nicht die beste ist.» Und er muss immer vor­ausschauend handeln. «Wenn ich etwas ändere, dauert es einige Stunden, bis die Maschinerie reagiert.»

Während der Rübenkampagne im Herbst arbeiten Hofmann und seine Kol­legen durchschnittlich 56 Stunden pro ­Woche im Dreischichtbetrieb. «Mit einer Spezialbewilligung vom Seco», sagt Gewerkschafter Hofmann. «Die Kampagnen sind eine harte Zeit.» Dafür kann er im Sommer Überzeit abbauen. Pro Jahr habe er so ungefähr neun Wochen Ferien: fünf Wochen gemäss Gesamtarbeitsvertrag (GAV) und vier Wochen Überstundenkompensation.

Ihm als Sommermenschen komme das sehr entgegen. «So kann ich sechs Wochen Sommerferien machen!»

Seit fünf Jahren ist Hofmann in der Werkskommission, seit zwei Jahren ihr Präsident. An diese neue Rolle habe er sich zuerst gewöhnen müssen, jetzt fühle er sich aber wohl. Sich für die Leute einsetzen und auch der Kontakt mit der Geschäftsleitung, das sei schon sehr interessant. Auch bei der Erarbeitung des neuen GAV sass er am Verhandlungstisch, unterstützt durch die Unia. Mit dem Resultat ist Hofmann zufrieden: «Wir haben das Beste ­herausgeholt.» Besonders erwähnenswert: Neu haben frischgebackene Väter Anrecht auf einen dreiwöchigen Vaterschafts­urlaub.


David HofmannFeuerwehrmann

David Hofmann ist in Biel aufgewachsen, heute lebt er in Brügg BE. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder (5 und 2 Jahre alt). In den ruhigeren Monaten und vor allem während seiner langen Ferien im Sommer ist er viel mit den Kindern unterwegs. Oder mit dem Motorrad: «Töfffahren ist mein grosses Hobby!»

AUSBILDNER. David Hofmann ist bei der Zucker AG in Aarberg in der Betriebsfeuerwehr. Auch in der Feuerwehr seines Wohnortes ist er als Einsatzleiter und Ausbildner tätig. «Die Arbeit bei der Regiofeuerwehr ist recht zeitaufwendig, macht aber viel Freude!»

David Hofmann ist Unia-Mitglied. Er arbeitet 100 Prozent und ist zufrieden mit seinem Lohn.

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