1x1 der Wirtschaft

Die Nationalbank-Milliarden gehören dem Volk

Hans Baumann

Die kumulierten Gewinne der Schweizerischen Nationalbank (SNB) haben sich in den letzten Jahren auf die ­unglaubliche Summe von 176 Milliarden Franken angehäuft. Dies nach Abzug der jährlichen Dividenden­auszahlung und der Vergütungen an Bund und Kantone. Diese Reserven werden in der Bilanz Ende Jahr als «Rückstellungen und Eigenkapital» ausgewiesen. Der grösste Teil davon ist die sogenannte Ausschüttungs­reserve. Diese betrug per Ende 2020 ganze 98 Milliarden Franken. Der ­andere Teil sind Rückstellungen für Währungsschwankungen. Laut ­Gesetz steht diese Ausschüttungs­reserve der öffentlichen Hand zu. Auf öffentlichen Druck hin will nun die SNB aus dieser Reserve nicht mehr jährlich vier Milliarden wie bisher, ­sondern neu sechs Milliarden an Bund und Kantone ausschütten (work berichtete: «Und der Jordan ­bewegt sich doch»).

(Quelle: Geschäftsberichte SNB)

Diese sechs Milliarden sind jedoch nur ein kleiner Schritt. Denn im erwähnten Topf verbleiben 2021 immer noch 92 Milliarden, die eigentlich der Allgemeinheit gehören. Wir befinden uns in der grössten Krise seit langem. Seit den 1970er Jahren ist die Wirtschaft nicht mehr so stark geschrumpft wie letztes Jahr. Hunderttausende von Lohnabhängige sind arbeitslos oder auf Kurzarbeit, Selbständigerwerbende verlieren ihre Einkünfte. Bund und Kantone müssen mit Milliardenbeträgen einspringen und tun sich damit schwer. Fachleute befürchten, dass dieses Jahr viele Leute unter die Armutsgrenze fallen und die ­Anzahl Personen, die auf ­Sozialhilfe angewiesen sind, deutlich zunimmt.

20 MILLIARDEN. Unverständlich, dass in einer solchen Situation die SNB auf einem Grossteil ihrer Gewinne ­sitzenbleibt und sich nicht mehr bewegt. Der Think-Tank «Denknetz» fordert deshalb, dass die SNB in den nächsten zwei Jahren nicht nur sechs, sondern zusätzlich zwanzig Milliarden an Bund und Kantone ausschüttet. ­Diese Milliarden sollen gezielt für die Existenzsicherung in der Coronakrise, für notwendige Investitionen in den Klimaschutz sowie zur Förderung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Service public eingesetzt werden. Auch aus ökonomischer Sicht wäre eine solche Ausschüttung nur positiv. Denn Inflationsgefahr besteht nicht, und die Wirtschaft würde durch eine solche Finanzspritze angekurbelt.
Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.

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