Die Corona-Pandemie macht Arme ärmer, Reiche reicher:

Krisengewinnler zur Kasse!

Oliver Fahrni

Arbeitende verlieren Job, Lohn oder sogar ­das Leben. Aktionäre und Banken aber feiern Corona-Party. Argentinien bittet sie jetzt zur Kasse.

VIELEN FEHLT’S AM NÖTIGSTEN: Verteilaktion der «Caravane de Solidarité» in Genf. (Foto: Keystone)

Solche Sätze kann WEF-Gründer Klaus Schwab besonders gut: «Wenn wir nichts gegen die sozialen Ungerechtigkeiten und die Umweltzerstörung unternehmen, kommen die Veränderungen durch Gewalt, durch Revolutionen etwa», sagte er der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit». Der Kapitalismus müsse «neu definiert» werden, forderte Schwab und kündigte den «grossen Umbruch» an.

Was da wie ein Beginn von Einsicht klingt, gehört beim Davoser Schaulaufen der Mächtigen und Milliardäre zum Ritual (diesmal nur virtuell, das WEF fand Ende Januar online statt). Nun sorgt Covid-19 dafür, dass die Krise konkreter wird.

Denn die Armut und die sozialen ­Ungerechtigkeiten explodieren. 3,3 Milliarden Frauen und Männer müssen nun mit weniger als 5 Franken pro Tag über­leben, wie die Hilfsorganisation Oxfam in ihrem jährlichen Bericht zum WEF ­eindrück­lich beschreibt (rebrand.ly/oxfam2020). Frauen, Kinder und Minderheiten leiden besonders. 295 Ökonominnen und Ökonomen, die von Oxfam befragt wurden, aber auch die Weltbank oder die OECD ­bestätigen diesen Trend: Die Covid-Krise macht arm.

In Frankreich fällt gerade ein Viertel der Bevölkerung unter die Armutsgrenze, in Italien und Grossbritannien ein Drittel. Caritas Schweiz musste ihre bisher grösste Hilfsaktion «für über 100’000 Menschen in der Schweiz» starten, auch in Zürich und Genf bilden sich vor den Suppenküchen lange Schlangen.

Besonders dramatisch: An allen Ecken der Welt fallen viele Millionen junge Menschen aus Schule und Ausbildung. Sie ­verlieren jede Chance auf eine selbst­bestimmte Zukunft.
Mehr als 2 Millionen Covid-Tote sind schon schlimm genug. Verschärft durch die neue Weltwirtschaftskrise, die lange vor Covid begann, wird die Lage brutal. Und das «katastrophale Versagen der westlichen Regierungen beim Corona-Management» (Richard Horton, Chef der führenden Medizin-Zeitschrift «Lancet») legt heute die Wahrheit offen: Genau besehen ist die ­Covid-Pandemie die Kombination einer Epidemie mit einer schweren sozialen, ökologischen und gesellschaftlichen Krise.

Die 12’000 Reichsten in Argentinien sollen die Corona-Massnahmen mitfinanzieren.

DAS VIRUS DER UNGLEICHHEIT

Nicht für alle. Krisengewinnler machen ­Corona-Party. Dank der Krise sind die reichsten 10 Personen der Welt um 500 Milliarden Franken reicher geworden – eine Steigerung um 40 Prozent. Im neuesten Vermögensreport zählt die UBS weltweit 2189 Milliardäre. Mit dem «Virus der ­Ungleichheit» (Oxfam) haben die ihre Vermögen auf rund 12 Billionen Dollar geschraubt. Amazon-Gründer Jeff Bezos vervielfachte in wenigen Monaten seinen ­Besitz auf 185 Milliarden Dollar. ­Allein mit seinem Geld könnte man die Impfstoffe für die gesamte Weltbevölkerung finanzieren. Am stärksten sind die Vermögen in der Schweiz gestiegen, 2730 Schweizerinnen und Schweizer, sagt die Credit Suisse, besitzen jetzt mehr als 50 Millionen. Kein Wunder, gab der Versicherungskonzern Allianz seinem Vermögensbericht 2020 den Titel «Das Jahr der Reichen».

GERECHTERE STEUERN

Wichtigste Quelle für die märchenhafte Vermehrung sind die Rettungspakete. Die haben zwar teilweise auch Löhne, Sozialwerke und KMU abgesichert. Vor allem aber haben Staaten und Zentralbanken ­­die Wirtschaft mit 25 Billionen Dollar öffent­lichen Geldes geschwemmt. Also schossen die Börsen, mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit 1928, raketenhaft in ungekannte Höhen. Resultat: hier Jahrtausendgewinne, dort grassierende Armut.
Da kündigt sich ein Konflikt an: Wer bezahlt für diese Rettungsprogramme? Eine vernünftige Antwort wäre: die Krisengewinnlerinnen und -gewinnler. Denn die neuen Staatsschulden über Sparprogramme und Sozialabbau wettzumachen, wie es SVP und FDP gerade bei der AHV ­planen (siehe Seite 2), wäre volkswirtschaftlicher Selbstmord.

Argentinien wagte jetzt den klügeren Weg: Die 12 000 Reichsten sollen mit einer Solidaritätsabgabe von 3,5 Prozent die ­Corona-Massnahmen finanzieren. In der Schweiz hingegen hatte ein noch harm­loserer Vorschlag von ETH-Konjunkturforscher Jan-Egbert Sturm für eine Corona-­Abgabe keine Chance. Economiesuisse, FDP und SVP stampften sie in den Boden.

Der Druck für gerechtere Steuern steigt. Die neoliberale Politik hat Gewinn- und Vermögenssteuern auf ihren historischen Tiefststand gesenkt. Jetzt kündigt sich die Wende an. Zahlreiche Ökonomen wie Thomas Piketty haben gezeigt, dass nur höhere und progressive Steuern für die Reichen und die Konzerne das Wirtschaftssystem retten können. Dafür entsteht weltweit gerade eine Form von ­Konsens. Sogar Milliardäre rufen nach höheren Steuern.

Neue Steuern: Die Konzepte wären da

MINDESTSTEUER. Die OECD plant eine einheitliche Mindestgewinnsteuer für Multis. Bisher blockierten dies die USA.

TRANSAKTIONSSTEUER. Eine Steuer auf ­Finanztransaktionen und Wertpapier­geschäften, wie sie nicht nur die globalisierungskritische Organisation Attac ­fordert, würde viele Milliarden in die öffentlichen Kassen spülen. Die EU hatte sie
im Prinzip beschlossen, dann fallengelassen. Nun wollen Deutschland und Frankreich unter demselben Titel eine Steuer ein­führen – doch extrem verwässert und zahnlos.

ABGABE AUF ZAHLUNGSVERKEHR. Einem ähnlichen Grundgedanken folgend, will eine Gruppe um den Zürcher Finanzprofessor Marc Chesney eine Mikrosteuer auf dem Zahlungsverkehr: Nur 1 Promille Belastung könnte jährlich 200 Milliarden Franken bringen. Und bald stimmen wir über die 99%-Initiative der Juso ab. Sie will Kapitalerträge 1,5 Mal höher besteuern als Löhne. Das mindeste.

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