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Sterilisations-Assistentin Cecilia Machado: «Die Schere zum Beispiel ist nicht einfach eine Schere»

Anne-Sophie Zbinden

Vom feinsten Skalpell bis zur gröbsten Säge: Sterilisations-Assistentin Cecilia Machado kennt diese Instrumente alle. Und weiss um die Kunstwerke, die sie in Operationssälen vollbringen können.

GROSSE VERANTWORTUNG. Cecilia Machado (60) sorgt für gelungene Operationen. (Fotos: Nicolas Zonvi)

Skalpell, Schere, Klemme – Säge, Bohrer, Hammer: bei manchen mögen diese Werkzeuge Unbehagen verursachen. Cecilia Machados (60) Augen hingegen bringen sie zum Leuchten. Und schon beginnt sie zu erzählen: «Es gibt so viele unterschiedliche Instrumente! Die Schere zum Beispiel ist nicht einfach eine Schere: Es gibt gebogene, gerade und gewinkelte, stumpfe und spitze, aus Edelstahl und Titan, grosse und kleine …» Oder die Klemmen: «Es gibt eine ganze Welt der Klemmen!» Als Technische Sterilisationsassistentin weiss Machado, welche chirurgische Symphonie die Instrumente spielen: «Nehmen wir zum Beispiel einen Kaiserschnitt. Da braucht es verschiedene Scheren, Nadelhalter, verschieden grosse Klemmen, Zangen …» Die kleinsten und feinsten Instrumente werden für Augen- und Gehirnoperationen verwendet. Die grössten und robustesten für orthopädische Eingriffe.

STETS KONZENTRIERT. Machado und ihre rund 15 Kolleginnen und Kollegen sorgen in der Klinik Hirslanden in Zürich dafür, dass diese Instrumente nach einer Operation in einwandfreiem Zustand und absolut keimfrei wiederverwendet werden ­können. Dafür werden die Siebe – oder: Operationssets – zuerst gewaschen und desinfiziert. Danach folgt Machados Kernaufgabe: sie kontrolliert alle Instrumente. Schaut, ob sie sauber und intakt sind. Montiert diejenigen wieder zusammen, die für den Waschgang zerlegt werden mussten. Alle Werkzeuge müssen in der richtigen Reihenfolge und komplett auf dem Sieb sein. Als nächstes verpackt Machado die ­Instrumente. Zusätzlich kommt in jedes Opera­tionssieb eine Markierung, damit das Team im Operationssaal weiss, dass das Sieb kontrolliert wurde und garantiert steril ist. Zum Schluss wird das gesamte Set mit Dampf sterilisiert. Gewisse Siebe haben Prio­rität, weil sie für Notfälle verwendet werden, etwa bei Kaiserschnitten oder in der Unfallchirurgie. Machado erklärt: «Wir müssen immer voll konzentriert arbeiten, auch in hektischen Situationen. Es gibt kein ‹halbes Korrekt›, denn es kann um ­Leben oder Tod gehen.»

Gibt es viele Notfälle, haben auch Machado und ihr Team viel zu tun. Es kann auch hektisch werden, wenn viele Siebe gleichzeitig aus den Operationssälen in die Zentralsterilisation kommen. Nur während des Lockdowns im Frühling, da habe man schon bemerkt, dass weniger operiert werde, erinnert sich Machado. Sie war selbst schon bei vielen Operationen als Beobachterin dabei: «Es ist wichtig, dass ich als Sterilisationsassistentin weiss, wofür die Instrumente verwendet werden.» Und sie macht es auch aus Faszination: «Manche Operationen sind wahre Kunstwerke!»

SCHERE, PLASTIC, PAPIER: Machado und ihre Kolleginnen und Kollegen sorgen dafür, dass die Instrumente nach einer Operation in einwandfreiem Zustand und absolut keimfrei wiederverwendet werden können.

STETS À JOUR. In Brasilien, wo Machado aufgewachsen ist, hat sie als Hilfsschwester gearbeitet. Die Schweiz war eigentlich nur ein Zwischenstop auf dem Weg nach Rom, aber der Liebe wegen ist sie geblieben. «Meine Freundinnen in Rom hatten bereits eine Wohnung für mich gefunden. Doch dann lernte ich meinen Mann kennen», erinnert sich Machado und lacht. Das war vor über 30 Jahren, und fast genauso lange arbeitet sie schon in der Klinik Hirslanden. Machado erinnert sich: «Auf einem Spaziergang habe ich das Spital gesehen, das schöne Gebäude, den Blick auf den See.» Da habe sie gesagt, dass sie gerne an einem solchen Ort arbeiten würde. Prompt rief ihr Mann in der Klinik an, und siehe da, sie hatten noch freie Stellen. Weil sie noch nicht so gut Züritüütsch konnte, wollte sie nicht direkt mit den Patientinnen und Patienten arbeiten und entschied sich deshalb für die Sterilisationsabteilung. Und ist noch immer Feuer und Flamme für ihren Job: «Es ist so interessant!» Der technologische Fortschritt war in dieser Zeit enorm. Es gibt immer wieder neue Instrumente, neue Materialien. «Ich werde nie müde, Neues zu lernen», erklärt Machado – und da ist es wieder, dieses Funkeln in den Augen. Deshalb ist sie bei der Sterilisation geblieben, selbst als ihr Deutsch viel besser wurde. Um ständig à jour zu sein, hat sie zahlreiche Kurse besucht, ein Stapel Zer­tifikate zeugt davon. Darunter eines als ­Ausbildnerin. «Als ich anfing, hatte ich viele Fragen, die mir niemand so richtig beantworten konnte.» Das habe sie ihren neuen Kolleginnen und Kollegen ersparen wollen, und deshalb habe sie diesen Kurs besucht.

SICHTBAR WERDEN. Mühe hat sie hingegen mit dem Spätdienst. In der Zentralen Sterilisation gibt es von Montag bis Freitag einen Früh- und einen Spätdienst, zu denen jeweils sechs bis sieben Mitarbeitende eingeteilt sind. Der Frühdienst beginnt um 6 oder 7 Uhr, der Spätdienst um 13 Uhr und dauert bis 22 Uhr. Machado hat immer eine Woche Früh- und eine Woche Spätdienst. «Leider kann ich wegen des Spätdienstes keine Kurse besuchen. Auch Treffen mit Freundinnen unter der Woche sind schwierig.»

Dennoch trifft sich Machado zweimal pro Monat mit anderen Frauen der feministischen Bewegung. Die Sichtbarkeit mi­grantischer Frauen liegt ihr am Herzen: «Migrantinnen leisten einen riesigen Beitrag an die Gesellschaft in diesem Land, doch wir sind unsichtbar, haben keine Stimme.» Das sei auch in ihrem Job so. Die Sterilisation spiele zwar eine zentrale Rolle für eine gelungene Operation. «Doch wir bleiben hinter der Bühne, den Applaus ernten andere.»


Cecilia Machado Jakobsweglerin

Cecilia Machado.

Cecilia Machado lebt in Zürich. Sie hat einen Sohn (27), der Sozial- und Kultur­anthropologie studiert. Machado liebt das Wandern. «Es ist auch ein ganz praktisches Hobby, weil es fast immer möglich ist und keine grosse Ausrüstung braucht!» Vor ein paar Jahren ist sie vom Bodensee über Santiago de Compos­tela in Spanien bis Kap Finisterra gelaufen, dem eigentlichen Ende des Jakobsweges. Sie war teilweise in einer Gruppe, häufig auch alleine unterwegs. Aber leider musste sie nach einem Skiunfall ihr Knie operieren und ist seither nicht mehr ganz so wanderfreudig. Dafür befriedigt sie ihre grosse Neugierde mit Gedankenreisen beim Lesen. Machado interessiert sich auch fürs Malen und für Musik.

UNIA-MITGLIED. Cecilia Machado ist Unia-Mitglied und versteht nicht, wieso in den Spitälern nicht alle Mitarbeitenden in der Gewerkschaft sind: «Nur gemeinsam können wir etwas verbessern!» Machado arbeitet 100 Prozent und hat ein Jahreseinkommen von netto 63’000 Franken.

1 Kommentar

  1. Cengiz Engin

    Wunderschön und faszinierend.

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