Deutscher Gewerkschaftsbund mahnt EU-Kommission:

Der Schweizer Lohnschutz muss bleiben!

Jonas Komposch

Die flankierenden Massnahmen der Schweiz seien «ein Vorbild» und dürften nicht abgebaut werden. Das fordern die deutschen Gewerkschaften von Berlin und Brüssel.

SCHUTZ FÜR BAUARBEITER: Ohne flankierende Massnahmen zur Personenfreizügigkeit sind die Löhne der Baubüezer in Gefahr. (Foto: Keystone)

Am 3. Februar ist die Schweizer Staatssekretärin Livia Leu erneut nach Brüssel geflogen – dies bereits zum zweiten Mal im neuen Jahr. Triftige Reisegründe hat Leu allemal: als neue Chef-Unterhändlerin des Bundesrates soll sie das Rahmenabkommen mit der EU präzisieren und unter Dach und Fach bringen. Doch hierzulande schmilzt die Unterstützung für den bisherigen Vorschlag wie derzeit der Schnee. Nicht zuletzt deshalb, weil mit der Übernahme lascher EU-Richtlinien der Schweizer Lohnschutz ausgehöhlt würde. Das kritisierten die Gewerkschaften schon lange. Nun tun es zunehmend auch Unternehmerinnen und Unternehmer – ganz zum Ärger des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse und der neoliberalen Denkfabrik Avenir Suisse. Beide behaupten, das Schweizer Lohnniveau sei nicht in Gefahr. Eines Besseren belehrt wurden jetzt wenigstens ihre Gesinnungsfreunde in der EU-Kommission. Ihnen nämlich schickte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) am 20. Januar eine unmissverständliche Protestnote.

Das Schreiben, das auch der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erhielt, ist voller Lob für den Schweizer Lohnschutz: «Die Schweizer flankierenden Massnahmen (FlaM) sind ein Vorbild.»

«NICHT NACHVOLLZIEHBAR»

Die FlaM in der Personenfrei­zügigkeit seien eben kein «Papiertiger», sondern garantierten mit ihren Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten das Prinzip «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort». Dass die EU-Kommission nun von der Schweiz verlange, die FlaM «abzubauen oder abzuschaffen», sei daher «nicht nachvollziehbar». Scharf kritisiert der 6 Millionen Mitglieder starke DGB auch, dass deutsche Arbeitnehmende in der Schweiz künftig zu Löhnen beschäftigt werden könnten, «die weit unterhalb des ortsüblichen Niveaus liegen». Dies sei nicht nur diskriminierend, sondern auch «der Boden für die Entwicklung von Fremdenfeindlichkeit».

Lohnabhängige unterschiedlicher Herkunft dürften nie gegeneinander ausgespielt werden. Sobald dies in einem Land gelinge, öffneten sich Tür und Tor für Verschlechterungen in anderen Ländern. Das habe jüngst die deutsche Fleischindustrie gezeigt. Mangelhafte Schutzbestimmungen führten dort zu massenhaften Corona-Infektionen unter prekär Beschäftigten aus Osteuropa. Auch deshalb unterstützt der DGB die Schweizer Gewerkschaften in ihrer Verteidigung der Personenfreizügigkeit und der FlaM.

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