Massenentlassungen in Oberentfelden AG und Baden AG. Aber:

140 Stellen bei GE gerettet

Johannes Supe

Der Energieriese GE vernichtet 500 Stellen. Nur der Einsatz von Gewerkschaft und ­Personalkommission konnte noch Schlim­meres verhindern.

GE-PROTESTVERSAMMLUNG: Die GE-Mitarbeitenden haben gemeinsam mit der Unia um jeden einzelnen Arbeitsplatz gekämpft. Mit Aktionen und monatelangen Verhandlungen. (Foto: Unia)

General Electric (GE) macht seine Drohungen wahr: Wieder baut der US-Energiekonzern Hunderte Arbeitsplätze in der Schweiz ab. Etwa 440 Stellen sollen in Oberentfelden AG verschwinden, weitere 60 in Baden AG. Angekündigt hatte das Management die Vorhaben bereits im vergangenen Jahr (work berichtete). Aber erst am 8. Februar, dem Ende des Konsultationsverfahrens, steht der genaue Umfang des Kahlschlags fest.

Tatsächlich hätte es noch schlimmer kommen können! Manuel Wyss, stellvertretender Leiter des Sektors Industrie der Unia, erinnert sich an das monatelange Ringen mit GE: «Es gab Versammlungen der Angestellten in der Arbeitszeit, teils physisch, teils digital. Es gab eine gemeinsame Protestaktion von 300 Kolleginnen und Kollegen. Und die Personalkommission hat mit grossem Einsatz über Monate verhandelt. Es wurde wirklich um jeden einzelnen Arbeitsplatz gekämpft.» So ­gelingt es Belegschaft und Gewerkschaft, rund 120 Stellen in Oberentfelden zu verteidigen, zudem 20 weitere in Baden. Jene, die sich nun eine neue Stelle suchen müssen, werden zudem mit einem weitreichenden Sozialplan unterstützt.

«Die Kolleginnen und Kollegen hätten schon vor Jahren umgeschult werden können.»

VERPASSTE CHANCE

Klar ist aber auch: Erneut wird die industrielle Substanz der Schweiz angegriffen, ein weiteres Mal geht wichtiges Know-how verloren. So soll in Oberentfelden künftig nur noch geforscht werden, den gesamten Bereich der Produktion will GE stilllegen. «Kurzsichtig» nennt Unia-Mann Wyss dieses Vorgehen. «Forschung, Entwicklung, Produktion und Serviceleistungen gehören zusammen. Werden sie getrennt, gehen Synergien verloren», so Wyss. Und die Schweiz verliere gerade jenes Fachwissen, das nötig sei, um die Energiewende zu schaffen.

MANAGEMENT-VERSAGEN

Dabei könnte gerade Oberentfelden einen bedeutenden Teil zu einem erfolgreichen ökologischen Wandel beitragen. Hier werden hochmoderne gasisolierte Schaltanlagen entwickelt, die deutlich ­effizienter sind als bisherige Produkte. Doch der US-Konzern lasse eine langfristige Strategie vermissen, sagt Wyss. Auf absehbare Entwicklungen reagiere GE erst erschreckend spät. Ausbaden müssen es die Beschäftigten. So rechtfertigt General Electric einen Teil des Abbaus mit einem Rückzug aus der Kohlekraft. «Die Kolleginnen und Kollegen hätten schon vor Jahren umgeschult werden können», erklärt Unia-Mann Wyss. Wie aber können derart krasse Managementfehler geschehen? Das jüngst erschienene Buch «Hot Seat» des früheren GE-Chefs Jeff Immelt ­enthüllt eine erschreckende Betriebskultur im Konzern. Führungskräfte, die sich gegenseitig Unfähigkeit vorwerfen; Emporkömmlinge, die ihre bisherigen Vorgesetzten durch Intrigen abzusägen versuchen; Entscheidungsträger, die von ihnen forcierte Strategien rasch wieder verwerfen. Deutlich wird aus den Schilderungen: GE hatte nie ein tragfähiges Konzept, um die 2015 erworbene Energiesparte von Alstom aufzupäppeln. Entsprechend folgten sechs Massenentlassungen in fünf Jahren.

Nur: Der Bundesrat liess den Konzern gewähren. Als GE 2015 in die Schweiz kam, hat sich der damalige Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann mit vagen Zusagen abspeisen lassen. Auflagen machte man dem US-Riesen nicht, obwohl er mehr als 5000 Beschäftigte in der Schweiz übernahm. Aktiver wurde später der Aargauer Regierungsrat. So auch jetzt: Am 8. Februar teilte die Kantonsregierung mit, dass man den abermaligen Kahlschlag bedaure und versuchen werde, den Betroffenen zu helfen.

FEHLENDE INDUSTRIEPOLITIK

Auf Nachfrage von work muss der Regierungsrat aber auch eingestehen: Viele Möglichkeiten haben die Kantone nicht, um zu intervenieren. «Aus gesetzlichen Gründen kann der Staat keine konkreten Unterstützungsleistungen zum Beispiel in Form von Geld erbringen», so das zuständige Departement. Instrumente, um Konzerne zu zähmen und die Arbeiterschaft zu schützen, fehlen der Schweiz also weitgehend. Für Unia-Mann Manuel Wyss ist das ein verheerender Fehler. «Geschichten wie die von GE werden sich so lange wiederholen, bis die Schweiz endlich eine wirkliche Industriepolitik betreibt», ist sich der Gewerkschafter sicher. Er wird recht behalten: Ein weiterer Stellenabbau, dieses Mal soll es 83 Stellen treffen, steht bei GE noch aus.

1 Kommentar

  1. erich haller

    wenn es so weitergeht, brauchen wir bald keine industriepolitik mehr!

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