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Betriebsarbeiter Entsorgungslogistik David Brassel: «Ich mache diese Arbeit gern!»

Anne-Sophie Zbinden

Ob Hitze oder Hudelwetter, David Brassel macht’s nichts aus. Haupt­sache, er ist draussen ­unterwegs. In der Stadt Zürich sorgt er für saubere Strassen.

STÄNDIG UNTERWEGS. David Brassel (42) ist professioneller Trittbrettfahrer. (Foto: Mara Truog)

Leuchtorange Kleidung, Stahlkappenschuhe, Schutzbrille – und ein Lächeln hinter der Maske: David Brassel kommt gerade von seiner Tour zurück. Er ist Betriebsarbeiter Entsorgungslogistik bei der Stadt Zürich. «Müllwagen-Lader sagt man nicht mehr», stellt er klar. Heute hatte er die Tour, die er am wenigsten mag: Tierkadaver. Bei der Polizei holt er verunfallte Katzen und Hunde ab, bei der Uni tote Schafe und Schweine aus den Forschungsabteilungen. Und bringt diese dann zur Sammelstelle nach Winterthur, von wo aus die Kadaver nach St. Gallen geschickt werden. Brassel erklärt: «Wegen der Seuchengefahr, vor allem der Maul-und-Klauen-Seuche, dürfen die Kadaver nicht hier im Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz verbrannt werden.» Stattdessen werden die Tierkörper grösstenteils von einem Extraktionswerk in Bazenheid SG zu Mehl verarbeitet, das anschliessend in der Zementherstellung als Brennstoff verwendet wird. Brassel sagt: «Die Kadavertour mache ich nicht so gerne, weil es unangenehm riecht und der Anblick der toten Tiere nicht gerade schön ist. Aber zum Glück muss ich diese Tour ja nur einmal pro Woche machen.» Auf den anderen Touren lädt er Haushalts- und Betriebskehricht oder Sperrgut.

FRISCHE LUFT. Ansonsten hat Brassel an seinem Job nichts auszusetzen: «Ich mache diese Arbeit gern!» Es sei immer an der frischen Luft, Hitze oder Hudelwetter machen ihm nichts aus: «Wir haben ja gute Kleider!» Und geregelte Arbeitszeiten, keine Wochenendarbeit. Das ist es, was Brassel besonders geniesst, weil es bei ihm nicht immer so gewesen ist. 18 Jahre lang arbeitete er als Kellner in unterschiedlichen Lokalen. Doch dann wurde es ihm zu viel mit den unregelmässigen Arbeitszeiten, der Zimmerstunde, den Abend- und Wochenendeinsätzen. Brassel sagt: «Ich habe damals eine Bekannte getroffen, die bei Entsorgung + Recyling Zürich arbeitete, und die sagte, ich solle mich mal bewerben.» Das habe er gemacht und wurde prompt angestellt. Das war vor sieben Jahren. Brassel hat seine Entscheidung nie bereut: «Ich bin sehr zufrieden!»

Heute arbeitet David Brassel nur noch sehr selten am Wochenende. Seinen Arbeitstag beginnt er um 6 Uhr in der Kantine mit Kaffee oder Tee. Dann terffen nach und nach die Kollegen ein. Um 6.30 Uhr gehen sie zum Abfallsammelfahrzeug, kontrollieren, ob alles funktioniert: die Presse, das Trittbrett usw. Dann geht’s los in die frische Morgenluft. Auf der Tour angekommen, steigt Brassel routiniert das Trittbrett hoch und runter, um von Container zu Container zu fahren. Seit den nuller Jahren gibt’s in der Stadt Zürich nur noch Container, zu gross war die Verletzungsgefahr durch spitze Gegenstände beim Laden einzelner Säcke. Fahrer und Lader sind ein ein­gespieltes Team. «Die meisten Chauffeure halten auf den Millimeter genau beim Container.» Brassel erklärt: «Wir kennen die Stadt besser als jeder Taxifahrer. Navis hat’s nicht und braucht’s nicht!» Brassel ist Springer, arbeitet also nicht in einem fixen Team, sondern immer gerade dort, wo es ihn braucht.

DAMIT ZÜRICH SAUBER BLEIBT: Entsorgungslogistiker David Brassel und seine Kollegen entsorgen pro Jahr 71 000 Tonnen Abfall. (Fotos: Mara Truog)

SAUBERE SACHE. Die meisten Leute begegnen Brassel und seiner ab und zu übelriechenden Arbeit mit Respekt. Nur Jugendliche hielten sich manchmal demonstrativ die Nase zu, wenn er vorbeifahre. Aber darüber könne er nur lachen. Mit Corona sei die Wertschätzung noch gestiegen, sagt Brassel. «Wir waren an der Front, haben immer gearbeitet, auch im Lockdown. Viele Leute haben uns gesagt, dass sie froh seien, dass wir den Job noch machten in dieser Situation. Sie haben gesehen, dass auch wir systemrelevant sind.» Im Frühling hätten sie Autos mieten müssen, um dem Abfallsammelfahrzeug nachzufahren, weil in der Kabine vorne wegen der Sicherheits­abstände nur noch zwei Personen erlaubt gewesen seien. Heute tragen alle Masken, so dass wieder drei Leute mitfahren dürfen. «Die Maske nervt, aber das gehört jetzt halt zum Alltag», sagt David Brassel lachend und spricht damit wohl sehr vielen aus dem ­Herzen.

Um diesen Job zu machen, müsse man fit und wetterfest sein, sagt Brassel. Für ihn kein Problem: Er treibt viel Sport und ist gesund. Doch für die älteren Kollegen sei’s schon streng. Deshalb möchte er gerne in ein paar Jahren ins Büro wechseln, um als Disponent zu arbeiten. Doch bis dahin wird er noch viele Container leeren, auf einer normalen Tour sind’s an die 500. Brassel und seine Kollegen machen rund 2 Millionen Containerleerungen pro Jahr und ­sammeln so insgesamt 71’000 Tonnen Hauskehricht.

So gegen 14.30 Uhr ist Brassel jeweils wieder zurück beim Kehrichtheizkraftwerk, wo das Abfallsammelfahrzeug sein mit Ghüder gefülltes Inneres in die Mulde entleert. Der Abfall wird verbrannt. Durch die Abwärme werden 170’000 Wohnungen beheizt und Strom für 50 000 Haushalte produziert. Früher wurde mit dem Dampf das Operationsbesteck im Unispital sterilisiert, heute wird er hauptsächlich in der Spitalküche verwendet.

Mit der Leerung ist Brassels Tagwerk noch nicht getan: Weiter geht’s zum Fahrzeugwaschen, Dreck und Rückstände müssen entfernt werden. Und zum Schluss fettet er noch die Gelenke am Fahrzeug. Erst dann ist Feierabend!


David BrasselDer Sportler

David Brassel (* 1978) lebt in Zürich Witikon. Seit zehn Jahren macht er zwei Mal pro Woche brasilianisches Jiu Jitsu (eine Abwandlung und Weiterentwicklung der japanischen Kampfkunst Jiu Jitsu).

BERUHIGUNG. An drei bis vier Abenden trainiert er im Fitnesscenter oder macht Ausdauersport: Joggen, im Sommer Velofahren. «Der Sport beruhigt mich», sagt er. David Brassel ist zufrieden mit seinem Lohn. Er verdient mehr, als er in seinem früheren Job als Kellner verdient hat.

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