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Kaminfeger Pascal Steiner: Der russige Glücks­bringer

Anne-Sophie Zbinden

Pascal Steiner (50) heizt Öfen ein und bringt Kamine zum Rauchen.

FRÖHLICH BEI DER SACHE: Kaminfeger Pascal Steiner (50) sorgt für Durchzug. (Foto: Matthias Luggen)

«Natürlich bringe ich den Leuten Glück, ich bin ein glücklicher Mann!» sagt Pascal Steiner und lacht sein herzhaftes Lachen. Er ist Glücksbringer, quasi von Amtes wegen – schliesslich ist er Kaminfeger. Klar, dass ihn Kundinnen und Kunden gerne noch auf ein Käfeli einladen, wenn er ihre Öfen entrusst. Steiner hört den Leuten zu, ist da für sie, das gehört zum Job. Und er kennt seine Kundinnen und Kunden schon seit Jahren – sie und ihre Schicksale. Steiner sagt: «Das Schönste am Beruf ist der Kontakt mit der Kundschaft.» Warum der Chemifäger ein Glückssymbol ist, dafür gibt es viele Erklärungen. Steiners liebste Version: «Seit es Kaminfeger gibt, beschützen wir die Häuser, weil wir durch das Reinigen der Kamine den Hausbrand verhindern.»

SCHLÜPFEN. Als Jugendlicher hatte Steiner eigentlich Koch werden wollen. Beim Schnuppern habe er aber bemerkt, dass er dann immer im gleichen Raum wäre – und dafür wiederum konnte er sich gar nicht erwärmen. Dann kam eines Tages der Chemifäger zu den Steiners ins Haus. Und da war für Pascal schnell klar: Er wollte Kaminfeger werden. Und ist es jetzt seit über dreissig Jahren. Steiner: «Einer, der mit fünfzig noch Kaminfeger ist, der macht das aus Leidenschaft.» Vieles habe sich in dieser Zeit verändert: Da sei schon nur die Erreichbarkeit der Kundinnen und Kunden. Damals waren die Leute einfach ume oder liessen das Haus für den Kaminfeger offen. Das ist heute nicht mehr so. Früher hiess es manchmal morgens beim ersten Kunden: «Aber es Zmorge nämit der scho?» Das Frühstück gebe es heute nur noch selten, aber Zeit für ein Käfeli schon.

Auch im technischen Bereich hat sich vieles getan. Steiner erklärt: «Wir gehen nicht mehr auf die Dächer, da die Sicherheitsvorschriften sehr streng geworden sind.» Und auch das «Chemi-Schlüfe» gehört heute nicht mehr dazu. Er selbst habe noch gelernt, von unten nach oben durch einen Kamin zu schlüpfen. Aber das sei heute auch gar nicht mehr möglich: Die Kamine sind viel kleiner geworden, manchmal nur noch ein paar Zentimeter Durchmesser.

ALLES DABEI: Pascal Steiner weiss genau, für welchen Ofen er welche Bürste braucht.

KRATZBÜRSTE. Steiner reinigt hauptsächlich Ölheizungen, aber auch Gas- und Pelletheizungen oder Cheminees gehören zum Repertoire. Für eine 20-Kilowatt-Heizung benötigt Steiner ungefähr eine Stunde. Aber: je neuer die Anlage, desto mehr Arbeit. «Früher konnte ich häufig mit dem Kratzeisen dran. Heute gibt es viel mehr Elektronik, die verträgt sich nicht so gut mit Kratz­eisen», erklärt Steiner und lacht übers ganze Gesicht. «Wir müssen viel feiner derhinger.» Auch seien die An­lagen viel komplexer geworden. Und als das erste Mal von ­alkalischer Reinigung die Rede gewesen sei, habe er sich gedacht «ah, schön, alkawas?» Doch jetzt gehöre die Entfernung von Schwefel mit alkalischen Laugen zu seinem Berufsalltag.

KONTROLLEUR. Steiner betreut rund 1500 Anlagen und reinigt ungefähr zwischen zwei und zehn Öfen pro Tag, je nach Modell. «Jede Anlage ist anders, aber ich kenne sie alle: die Grösse des Kamins, welche Leistung, welche Eigenheiten, welcher Hersteller: Elco, de Dietrich, Müba, Olymp, Ökofen …» Steiner arbeitet von Juni bis September in einem 100-Prozent-Pensum für die Firma Aubry Ramonage mit Sitz in Sonvilier BE. Von Oktober bis Mai ist er zu 60 Prozent sein eigener Herr und Meister: Als Selbständiger macht er die Feuerungskontrolle für 23 Gemeinden im Berner Jura. In dieser Funktion kontrolliert er die Brennwerte, die Gas- und Feinpartikelemissionen.

Gibt es auch weniger glückliche Seiten seines Berufes? Kaminfeger Steiner hält einen Augenblick inne. «Ja, vielleicht gewisse Kundinnen und Kunden.» Wenn jemand respektlos oder gar aggressiv sei. Und es komme halt immer wieder vor, dass jemand meine, der bessere Kaminfeger zu sein als er. Und dann wird Steiner ganz kurz etwas nachdenklich: Belastend seien auch gewisse gesundheitliche Auswirkungen. So mache er jedes Jahr eine Lungenkontrolle, weniger wegen der Feinstaub­belastung als wegen des Asbests. Steiner ­erklärt: «Heutzutage, wenn wir in eine ­Heizung reingehen, dann ziehen wir immer eine Schutzmaske an. Und der Lehrling bringt mir bei, auch bei den anderen Arbeiten eine Maske zu tragen.» Stärker als die Lunge seien aber Knie und Rücken belastet. Er müsse häufig unter Rohren durchkriechen und in gebückter Haltung arbeiten: «Man muss sich vorstellen, man tut den ganzen Tag nur noch beten!» erklärt er, und da ist es wieder, dieses herzhafte Lachen.


Pascal SteinerJasser und Grillmeister

Pascal Steiner ist Präsident des Berner Kaminfeger-Gesellenverbandes und Vizepräsident des Schweizerischen Gesellenverbandes. Und er sitzt im Verwaltungsrat der Kaminfeger-Pensionskasse.

Ab 2021 gilt im Kanton Bern kein Kaminfeger-Monopol mehr. Das heisst, die feste Gebietsaufteilung für Kaminfeger wird durch ein Konzes­sionsmodell ohne Tarifbindung ersetzt. Neu sind Einsätze im ganzen Kantonsgebiet möglich. Das hatte der Kamin­feger-Meisterverband bereits 2015 verlangt, unter anderem als Reaktion auf den Rückgang der Ölheizungen. In dieser tiefgreifenden Änderung hatte Steiner als Präsident der Kaminfegergesellen alle Hände voll zu tun, die Rechte der Angestellten sicherzustellen.

ZYLINDER. Nebst handfesten Verhandlungen geht es im Verband auch darum, die Kaminfeger-Traditionen zu leben. Wenn sich Kaminfeger treffen, dann nicht selten «aagleit»: ganz in Schwarz, mit Zylinder und rotem Foulard. «Auch an der Hochzeit tragen wir diese Kleidung», erklärt Steiner.

Jedes Jahr treffen sich in Santa Maria Maggiore in Italien, nahe der Schweizer Grenze, Tausende Kaminfeger aus aller Welt zu einem grossen Fest. Es findet zum Gedenken an die Kinder armer Familien statt, die in die grossen Städte «verkauft» wurden, um «Kamine zu schlüpfen», und bei dieser gefährlichen Arbeit nicht selten verunfallten.

KOPFKINO. Pascal Steiner ist verheiratet und hat einen Sohn, der in Lausanne studiert. Neben seinen Ämtern bleibt Steiner nicht viel Freizeit. Diese verbringt er aber gerne mit Familie und Freunden. Er ist ein leidenschaftlicher Jasser und Schachspieler, früher auch im Schachclub. «Ein Apéro und dann Grillieren, das ist Freizeit», sagt Steiner. In die Ferien fährt er eigentlich nie. «Wir haben zu Hause in Souboz BE einen Pool, einen Grill und einen grossen Keller. Ich reise mit den Ferien­erzählungen der Kundinnen und Kunden mit, das reicht mir.»

Pascal Steiner ist Unia-Mitglied und verdient bei einem 100-Prozent-Pensum 6100 Franken brutto.

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