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Vertrauen in die Politik: Riesige Unterschiede in Europa

Hans Baumann

Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.

Der Abstimmungssonntag vom 27. September hat es in sich. Zu den fünf eidgenössischen Vorlagen kommen noch kantonale und kommunale Abstimmungen. In der Stadt Zürich sind es 13 Vorlagen auf einmal! Vielen Stimmberechtigten ist das zu viel. Und trotzdem: In kaum einem Land ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung und die demokratischen Institutionen so hoch wie in der Schweiz. Genau das Gegenteil ist in unserem Nachbarland Italien der Fall, wo dieses Vertrauen in den letzten Jahren massiv gesunken ist. Die Unterschiede in Europa sind enorm.

(Quelle: OECD, Government at a Glance, 2019)

BESTNOTE. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) publiziert alle paar ­Jahre einen Vergleich über das Funktionieren der staatlichen Institutionen und der Regierungen. Dazu gehört auch eine Umfrage bei der Bevölkerung, wie sie mit der Regierung, dem Funktionieren der Demokratie und dem Service public zufrieden sei. In der Schweiz ­geben 85 Prozent der Befragten an, sie würden der Regierung, also dem Bundesrat, vertrauen. Das ist der beste Wert aller OECD-Länder. Einige skandinavische Länder, wie zum Beispiel ­Norwegen, schneiden ebenfalls gut ab. Auch Deutschland und Österreich sind noch über dem OECD-Durchschnitt von 45 Prozent, während Frankreich und ­Italien deutlich zurückliegen.

TIEFPUNKT. Ein Vergleich mit der entsprechenden Umfrage im Jahr 2007 zeigt, dass in vielen Ländern die Finanzkrise und die darauf folgende Eurokrise deutliche Spuren hinterlassen haben. Während in Italien, genau wie in Griechenland und Spanien, das Vertrauen in die Regierung stark zurückging, nahm es in der Schweiz und Deutschland zu.

Aus der ­nebenstehenden Grafik wird ersichtlich, dass dies auch damit zusammenhängt, wie die Bevölkerung das Funktionieren der Demokratie einschätzt. Im OECD-Durchschnitt sind nur 37 Prozent der Befragten der ­Meinung, sie hätten Einfluss auf die politischen Entscheide in ihrem Land. Ein erschreckend tiefer Wert. Auch hier ist die Schweiz mit einem Wert von 74 Prozent an der Spitze. Nor­wegen und andere nordische Länder haben auch gute ­Werte, während keines unserer Nachbarländer auf über 50 Prozent kommt. Das heisst, eine Mehrheit der Bevölkerung findet, sie habe keinen oder kaum Einfluss auf politische Entscheide.

Das gute Abschneiden der Schweiz hängt sicher mit der langen Tradition der direkten Demokratie zusammen. Auch wenn die Stimm- und Wahlbetei­ligung inzwischen tief ist, hat die stimmberechtigte Bevölkerung die Möglichkeit, politische Entscheide ­direkt zu beeinflussen. Davon ausgeschlossen ist allerdings immer noch ein Viertel der Bevölkerung, der keinen Schweizer Pass besitzt. Zudem sind in der ­Schweizer «Konkordanzdemokratie» alle grossen Parteien in der Regierung vertreten. Dies garantiert neben ­politischer Stabilität, dass ein grosser Teil der Bevölkerung sich in der Regierung vertreten fühlt.

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