Bärtschi-Post

Die Briefträgerin & der neue GAV

Katrin Bärtschi

Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.

Lesen können ist eines. Das Gelesene verstehen ein zweites. Das Verstandene deuten etwas drittes. Dies gilt insbesondere für juristische Schriften wie den neuen Gesamtarbeitsvertrag Post. Die Gewerkschaft Syndicom und die Post – die «Sozialpartner», die genaugenommen Sozialpartnerinnen sind – sind sich einig: Die Verhandlungen waren zäh, aber der neue GAV ist ein Erfolg! So kommt es auch der Briefträgerin vor und – laut einer Mini-Umfrage – ihren Kolleginnen und Kollegen. Der GAV tritt 2021 für drei Jahre in Kraft. Syndicom hält die sechs wichtigsten Neuerungen in einem Faltblatt fest: Fixe freie Tage für Teilzeitangestellte. Die Treueprämie ab 20 Dienstjahren wird verdoppelt. Zeitsaldierung zweimal jährlich – und mehr ganze freie Tage. Temporäre nach 10 Monaten fest angestellt. Mehr Rechte für werdende Mütter und Väter. Fairer GAV-Beitrag.

Die Brief­trägerin unterschreibt fast fröhlich den neuen Post-GAV.

ZUGEHÖRIGKEITSGEFÜHL. Die Personalchefin der Post setzt sich nach eigenen Worten «seit Jahren» für Gleichstellung ein, «unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Alter, Sprache, Kultur, Lebensform, der sexuellen Orientierung oder anderen sichtbaren und unsichtbaren Merkmalen». In einem Interview auf der Post-Internetseite führt Valérie Schelker weitere Verbesserungen im neuen GAV an: Das «Recht auf Nichterreichbarkeit», «Lohntransparenz», «Lohngleichheit». Und: «Wir dulden keine Form der Diskriminierung!»

Fast fröhlich bestätigte die Briefträgerin mit ihrer Unterschrift, dass sie den neuen GAV einsehen konnte und mit den neuen Anstellungsgrundlagen einverstanden sei. In den letzten Jahren hatte sich bei ihr – und laut der Mini-Umfrage auch bei andern – der Eindruck verstärkt, dass die Post die Schraube ihren Mitarbeitenden gegenüber immer fester anziehe. Der «Postautobschiss» dann bescherte ihrem Zugehörigkeitsgefühl zur gelben Riesin einen weiteren Knacks. Nun aber der neue GAV – der Briefträgerin wird beim Gedanken an ihre Arbeitgeberin warm ums Herz wie lang nicht mehr.

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