Unia-Präsidentin Vania Alleva zur Schwarzenbach-Initiative:

Wir haben unsere Lektion gelernt

Hätte James Schwarzenbachs «Natio­nale Aktion» 1970 mit ihrer «Überfremdungsinitiative» gewonnen, wäre ich heute nicht hier.

UNIA-PRÄSIDENTIN VANIA ALLEVA. (Foto: Peter Mosimann)

Meine Eltern kamen aus Italien in die Schweiz zum Arbeiten. Über 300’000 Menschen wie sie wollte Schwarzenbach aus der Schweiz ausweisen. Die verbleibenden ausländischen Arbeitskräfte hätten ein Schattendasein am Rande der Gesellschaft gefristet – ohne Familie, ohne Chancengleichheit, ohne Recht, ihren Arbeitsplatz zu wählen.

Schwarzenbach spielte skrupellos mit der Angst vor Arbeitslosigkeit und dem Wunsch nach Anerkennung und einem anständigen Lohn von vielen frustrierten Schweizerinnen und Schweizern. Statt aber die dafür Verantwortlichen zu benennen – die Kapitalisten und ihre politischen Parteien –, lenkte er Ängste und Frustrationen um. Auf die Saisonniers. Sie, die die Schweiz bauten und dennoch nur in kalten, engen Baracken irgendwo am Stadtrand hausen mussten, machte Schwarzenbach zum Sündenbock. Ein grosser Teil der Arbeitnehmenden und sogar Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter glaubten ihm und trugen zu den 46 Prozent Ja-Stimmen bei.

Seither hat sich einiges geändert. Die Gewerkschaften haben die Abschaffung des Saisonnierstatuts und der Barackenghettos erkämpft. Die Personenfreizügigkeit stärkt die Rechte eines Teils der Arbeitnehmenden ohne Schweizer Pass. Für viele von ihnen ist die Schweiz zur Heimat geworden. Auch für mich.

Tempi passati, also? Leider nein! Auch heute noch sind die Unternehmen in erster Linie an billigen und flexiblen Arbeitskräften interessiert. Lohndumping, prekäre Arbeitsbedingungen, Diskriminierungen und Arbeitslosigkeit sind die Folge. Und wie damals versucht eine fremdenfeindliche Partei, davon zu profitieren.

Heute spielt diese infame Rolle die SVP. Ihre «Kündigungsinitiative» will die Personenfreizügigkeit und damit die Rechtsgleichheit für über eine Million Arbeitnehmende abschaffen. Die SVP will zurück zur diskriminierenden Kontingentspolitik. Alt-Parteipräsident Toni Brunner will selbst das unmenschliche Saisonnierstatut – die Schweizer Variante der Apartheid – wieder einführen, es sei ein «sehr gutes System», sagt er.

Wie Schwarzenbach richtet auch die SVP ihre Propaganda gegen «die Ausländer». Allerdings, so betonen ihre Exponenten immer wieder, soll die Wirtschaft auch in Zukunft alle benötigten Arbeitskräfte bekommen. Es geht ihnen gar nicht um mehr oder weniger Einwanderung. Sie wollen die Arbeitnehmenden spalten und die Gewerkschaften schwächen. Sie wollen die Löhne drücken, die Gesamtarbeitsverträge abschaffen.

Milliardäre wie die Blochers – ob Vater oder Tochter – haben unsere hart erkämpften Rechte und Massnahmen zum Schutz der Löhne und Arbeitsbedingungen nie akzeptiert. Jetzt versuchen sie, sie erneut mit einer Sündenbock-Kampagne gegen «die Ausländer» abzuräumen. Sie wollen von wirklichen Problemen ablenken: von Lohndumping, schlechten Arbeitsbedingungen und Arbeitgeberwillkür. Und von ihrem eigenen, schrankenlosen Profitdenken, das uns allen schadet.

Wir Gewerkschaften haben unsere Lektion gelernt. Sie heisst: «Solidarität». Nur gemeinsam, mit gleichen Rechten für alle, unabhängig von unserer Herkunft, sind wir stark. Wir lassen uns diesmal nicht spalten. Dafür steht die Unia ein. Das garantiere ich. Denn ich bin immer noch hier.

1 Kommentar

  1. Gemma Grasso

    Geschätzte Frau Alleva

    Herzlichen Dank für diesen wunderbaren Bericht.

    Persönlich bedanke ich mich bei allen Schweizer die NEIN zur Ausschaffung gesagt und abgestimmt haben. So konnten auch meine Eltern in der Schweiz bleiben und ich als „seconda“ enorm viel dazulernen.

    Für das was heute im Jahre 2020 noch passiert:
    Den „anderen Schweizer“ die noch heute mit viel Ausreden uns als „mangiare mangiare, viva Italia, zu temperamentvoll, nicht führungsfähig“ abstempeln, will ich nur sagen: macht es besser.

    Sonnige Grüsse aus der Innerschweiz.
    Gemma Grasso

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