Wenn der Lehrbetrieb in Konkurs geht

Die Firma pleite, die Lehrstelle weg. Was nun? work sagt, welche Rechte Sie als Lernende in diesem Fall haben und wie Sie eine Anschlusslösung finden.

UNFREIWILLIGER UNTERBRUCH: Geht die Firma pleite, ist auch die Lehrstelle weg. (Foto: istock)

Kommt es in der Schweiz zu einer Pleitewelle? Noch sorgen Kurzarbeit, vom Bund verbürgte Kredite und verlängerte Zahlungsfristen dafür, dass sich auch weniger gut gestellte Firmen über Wasser halten können. Die Zahl der Firmenkonkurse hat deshalb im April sogar abgenommen. Doch schon in wenigen Monaten, wenn die Wirkung der Überbrückungshilfen verpufft, müsse mit einem massiven Anstieg der Firmenpleiten gerechnet werden, sagen Ökonomen und Inkassoexperten. Nicht alle Branchen sind gleichermassen gefährdet, doch wird es einige besonders hart treffen, die einen hohen Anteil Berufsleute in Ausbildung aufweisen. Etwa den Handel, die Gastronomie, die Baubranche.

ACHTUNG, SCHIEFLAGE

Meist tritt ein Konkurs nicht unvermittelt ein. Trifft Ihr Lehrlingslohn verspätet oder gar nicht mehr auf Ihrem Konto ein, müssen Sie handeln. Machen Sie Ihre Forderungen gegenüber der Firma mit einer schriftlichen, eingeschriebenen Mahnung geltend. Wenn die Firma sie freistellt, melden Sie sich sofort beim RAV ­für Arbeitslosenentschädigung an (siehe «Arbeitslosentaggeld»). Kann die Firma den Lohn nicht mehr zahlen, haben Sie bei Konkurs der Firma ausserdem Anspruch auf ­Insolvenzentschädigung für die letzten vier Monate des Arbeitsverhältnisses. Melden Sie sich sofort bei der kantonalen Arbeitslosenkasse. Diese entscheidet über die Insolvenzentschädigung. Deren Fachpersonen kennen die Formvorschriften und Fristen und werden Sie beraten.

Bis zu drei Monate lang steht Ihnen die Berufs-schule weiter offen.

KÜNDIGUNG

Im Unterschied zum unbefristeten Arbeitsvertrag kann ein Lehrvertrag nicht durch eine ordentliche Kündigung beendet werden. Nur wichtige Gründe berechtigen zur Auflösung des Lehrverhältnisses. Das kommt in der Praxis häufig vor: Etwa ein Viertel aller Lehr­verhältnisse enden vorzeitig, weil sich der gewählte Beruf als unpassend erweist oder die auszubildende Person die Lernziele nicht erreicht. Der Zeitpunkt der Lehrvertragsauflösung kann in diesen Fällen einvernehmlich bestimmt werden. Auch der Konkurs gibt dem Lehrbetrieb das Recht, das Lehrverhältnis zu beenden, falls dies dazu führt, dass die Lehre nicht wie geplant beendet werden kann. Das gleiche Recht haben grundsätzlich auch Sie im Konkursfall. Lass Sie sich vorher unbedingt rechtlich darüber beraten, was Ihre Möglichkeiten sind, und sprechen Sie mit dem Berufsbildungsamt und dem Lehrbetrieb.

BEGRÜNDUNG UND ZEUGNIS

Die Firma muss Ihnen die Kündigung schriftlich zustellen und begründen. Die Berufsbildungsämter setzen dann zu Ihrer Akte den Code 310. Er steht für «Auflösung des Lehrverhältnisses aus wirtschaftlichen Gründen». Auch Ihre Eltern oder gesetzlichen Vertreter müssen informiert werden sowie die Berufsschule und das Berufsbildungsamt. Ausserdem haben Sie Anrecht auf ein Arbeitszeugnis.

ARBEITSLOSENTAGGELD

Für den Fall, dass es etwas länger geht, bis Sie eine Anschlusslösung finden, lohnt sich die Anmeldung bei der Arbeitslosenkasse. Haben Sie während mindestens 12 Monaten Beiträge bezahlt, erhalten Sie während maximal 200 Tagen ein Taggeld, das auf den Monat gerechnet 80 Prozent Ihres Lehrlingslohns entspricht. Die Aus­zahlung beginnt ohne Wartefrist mit dem ersten Tag der Arbeits­losigkeit.

Haben Sie bei der Arbeits­losenkasse weniger als 12 Beitragsmonate, gibt es nur dann ein Taggeld, wenn Sie innerhalb der letzten 2 Jahre mehr als 12 Monate zur Schule gegangen sind und in den letzten 10 Jahren Wohnsitz in der Schweiz hatten. Allerdings beginnt die Taggeldzahlung erst nach 120 Wartetagen.

WEITER ZUR SCHULE

Wenn Sie die Lehre in einem anderen Betrieb fortsetzen möchten, können Sie die Berufsschule und die überbetrieblichen Kurse (ÜK) mit dem Einverständnis des Berufsbildungsamtes bis zu drei ­Monate lang weiter besuchen – so lässt sich ein Unterbruch der theo­retischen Ausbildung womöglich ganz vermeiden.

DIE STELLENSUCHE

Werden Sie aktiv – und suchen Sie Unterstützung! Zwar haben Sie bessere Chancen für eine Anschlusslösung im Vergleich mit Lernenden, die ihre Lehrstelle wegen eines Konflikts verlassen (siehe Text rechts). Trotzdem sollten Sie nicht unnötig Zeit verstreichen lassen:

  • Melden Sie sich möglichst rasch beim Berufsinspektorat. Seine Fachpersonen kennen sich in den jeweiligen Branchen aus und können für Sie die Fühler ausstrecken. Die Berufsbildungsämter der Kantone sind verpflichtet, Sie bei der Lehrstellensuche zu unterstützen und Ihnen Alternativen zu vermitteln, falls sich im gewünschten Beruf innert der gebotenen Frist nichts finden liesse.
  • Konsultieren Sie die Online-Lehrstellenportale (www.berufsberatung.ch, www.yousti.ch).
  • Ihr Lehrbetrieb muss Sie bei der Stellensuche unterstützen. Sprechen Sie Ihre Lehrlings­betreuerin darauf an.
  • Informieren Sie Ihre Klassenkameradinnen in der Berufsschule – unter Umständen können sie Ihnen Kontakte zu ­anderen Lehrbetrieben vermitteln. Auch die Lehrpersonen der Berufsschule sind gewöhnlich gut vernetzt.
  • Überlegen Sie sich, welchen Arbeitsweg Sie maximal auf sich nehmen wollen, und seien Sie in diesem Punkt kompromissbereit.

Meine Rechte von A bis Z

Lehrjahre sind besondere Jahre – auch arbeitsrechtlich. Schon beim Eintritt ins Berufsleben sollten Sie deshalb Ihre Rechte kennen. Die Gewerkschaftsjugend des SGB hat dazu die Broschüre «Ich kenne meine Rechte – Jugendrecht für Lernende von A bis Z» heraus­gegeben. Sie können sie gratis ­als PDF herunterladen oder den Schlagwortkatalog gleich online durchblättern. www.gewerkschaftsjugend.ch/lehrlingsrechte


Ersatz suchen Gute Chancen

Sie waren in der Lehre gut ­unterwegs – und dann der ­Nackenschlag: Konkurs des Lehrbetriebs! Doch Ihre Chancen, eine Anschlusslösung zu finden, sind durchaus intakt, das bestätigen die Fachleute der angefragten Berufsbildungsämter. So sagt Sandra Kilchmann von der Dienststelle ­Berufs- und Weiterbildung des Kantons Luzern: «Eine Anschlusslösung für solche Lernende ist einfacher zu finden. Sie befinden sich im Arbeits­prozess und sind, wenn sie dann noch ein gutes Arbeitszeugnis und gute ­Noten der Berufsfachschule vorweisen können, im Vorteil.» Das bestätigt Hans Jörg Höhener, Amtschef-Stellvertreter des Mittelschul- und Berufsbildungsamts des Kantons Zürich. Die Chancen stünden gut, «da ja die Auf­lösung des Lehrverhältnisses in diesem Fall weder an den Leistungen noch am Verhalten der Lernenden liegt».

CORONA-VORBEHALT. Und Simon Thiriet, Leiter Kommunikation im Erziehungsdepartement ­Basel-Stadt, hält fest, dass Lehrabbrüche generell in normalen Zeiten nur in wenigen Fällen dazu führten, dass Betroffene ohne Anschlusslösung da­stünden. «Vor allem in den ­Fällen, deren Ursachen nicht in der Person des Lernenden zu ­suchen sind, finden die Jugendlichen zumeist rasch und unmittelbar eine Anschlusslösung.» Allerdings bringt er einen Corona-­bedingten Vorbehalt an: «Unter Umständen wie in diesem Jahr können wir keine Pro­gnosen machen.»

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