Bärtschi-Post

Die Briefträgerin und der Motor

Katrin Bärtschi

Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.

Die neue Strategie der Post ist eine «Wachstumsstrategie», in welcher der Service public gebührend berücksichtigt werden soll. Habe doch grad die Corona-Krise gezeigt, wie wichtig die Rolle der Post als Grundversorgerin sei und wie gut sie diesen Auftrag erfülle. Sagte der CEO an einer Online-Veranstaltung, zu der die Mitarbeitenden am Vorabend der Pressekonferenz eingeladen waren. Zwei Stunden «Live-Arena», die auf Vertrauensbasis als Arbeitszeit angerechnet wurden. Auch das ist neu. Bisher musste das Zustellpersonal bei obligatorischen «Strategieanlässen» meist die halbe Zeit als Freizeit drangeben. Die Briefträgerin loggte sich ein und erhielt Zugang zum Live-Stream. Zusammen mit zuletzt scheint’s siebentausend ­anderen Mitarbeitenden, von denen viele sich mit Fragen und Bemerkungen aktiv beteiligten. Die ganze Konzernleitung war da, mehr oder weniger gemäss Corona-Abstand aufgereiht. Der Personalchefin, dem einzigen weiblichen Konzernleitungsmitglied, war als Geschlechts­genossin die Leiterin des Funk­tionsbereichs «Entwicklung und Innovation» beigesellt. Nur der Konzernleiter trug Krawatte.

Die Folien sind in der Firmenfarbe eines Motorenölunter­nehmens gehalten.

MIT SYSTEM. Die Vision «Wir sind der Motor für eine moderne Schweiz» löst die Parole «Einfach mit System» ab. Lustig, dachte die Briefträgerin, dass die den Live-Gesprächen beigefügten Präsentationsfolien in der Firmenfarbe eines Motorenölunternehmens gehalten sind («Motorex – Oil of Switzerland»). Der Konzernleiter dankte allen für ihr Engagement. «Und nun wollen wir von der Zukunft reden.» Von der Strategie. Und vom Kulturwandel. Seien bisher Werte wie «Verlässlichkeit und Prozessorientierung», «Erfahrung und Sicherheit», «kollektive Verantwortung und Menschlichkeit» prägend gewesen, würden nun neue Akzente gesetzt: «Entschlossenheit und Eigeninitiative», «wir werden mutiger und fördern die rasche Umsetzung von Entscheiden». Kurz: Die Post sei «mit Herz und Verstand kundenzentriert» – «vertrauenswürdig» – «engagiert.» Und ein Stellenabbau sei nicht das Ziel. Im Gegenteil.

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