Ratgeber

Coronavirus und Arbeitswelt: Was Sie über Ihre Rechte wissen müssen

Martin Jakob

Weiterhin gelten für die Arbeitswelt Ausnahmeregeln. Hier die wichtigsten. Mit persönlichen Anliegen wenden sich Mitglieder an ihre Unia-Region.

FROHE OSTERN? Der Corona-Hase der Bäckerei Richner in Veltheim AG verkauft sich gut. In der Arbeitswelt sorgt der Virus aber für grosse Sorgen. (Foto: Reuters)

Wenn Ihre Firma normal arbeitet

Die Firmen sind zur Einhaltung der Empfehlungen des Bundesrats zu Hygiene und sozialer Distanz verpflichtet. Die kantonalen Behörden sind zu Kontrollen berechtigt und können Betriebe schliessen, die gegen die Auflagen verstossen. In Pausenräumen und Kantinen ist das Versammlungsverbot einzuhalten: Keine Menschenansammlungen von mehr als fünf Personen. Sitzungen sollen mit möglichst wenig Personen durchgeführt werden, im Raum müssen pro Person rund vier Qua­dratmeter zur Verfügung stehen.

Wenn Sie zu Hause arbeiten

Auch im Homeoffice gilt der laufende Arbeitsvertrag in Bezug auf Lohn, Arbeitszeit, Rechte und Pflichten. Entstehen den Angestellten im Homeoffice Kosten (Nutzung privater Geräte, Telefon, Strom), sind ihnen diese zu vergüten.

Auch Lehrlinge und Temporäre können jetzt kurzarbeiten.

Wenn in der Firma Kurzarbeit gilt

Die Firma kann jetzt auch Kurzarbeit für Angestellte mit befristeten Verträgen (zum Beispiel Saisonniers), für Personen, die über eine Verleihfirma eingestellt sind, und für Lehrlin­­ge anmelden. Bei genehmigter Kurzarbeit ver­gütet die Arbeitslosenkasse 80 Prozent ­des Lohnausfalls. Sozialversicherungsbeiträge wer­den weiterhin auf dem Normallohn abgerechnet.

Angestellten, die in einem bereits gekündigten Arbeitsverhältnis stehen, und jenen, die sich mit Kurzarbeit nicht einverstanden erklären, ist der vol­­le Lohn geschuldet. Wo­bei die Verwei­gerung von Kurzarbeit mit dem Risiko verbunden ist, die Kündigung zu erhalten. Frauen im Mut­terschaftsurlaub erhalten das volle Mutterschaftstaggeld. Ob das Krankentaggeld während der Kurzarbeit gekürzt wird oder nicht, bestimmt das Reglement der jeweiligen Krankenversicherung.

Wenn Sie einer Risikogruppe angehören

Wer älter ist als 65 Jahre und/oder unter einer Vorerkrankung leidet, soll, wann immer möglich, zu Hause arbeiten. Lässt sich das nicht einrichten, ist die Firma diesen Personen gegenüber zu besonders strikter Einhaltung der Regeln zu Hygiene und sozialer Distanz verpflichtet. Ist die Einhaltung unsicher, muss die Firma die betroffene Person unter Lohnfortzahlung beurlauben.

Für Quarantäne auf ärztliche Anordnung gibt es Taggelder.

Wenn Sie oder eine Person im gleichen Haushalt erkranken

Wer bei sich selber Symptome einer Erkrankung der Atemwege feststellt, sollte in Selbst­isolation zu Hause bleiben. Sind die Symptome so leicht, dass trotzdem im Homeoffice ge­arbeitet werden kann, gilt der normale Lohn. Ansonsten gelten die gleichen Regeln wie bei anderen Erkrankungen, es gibt also entweder Taggelder durch die Krankentaggeldversicherung oder Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber.

Andere Regeln gelten für jene, die mit ­einer erkrankten Person im gleichen Haushalt leben oder mit ihr ­intim waren. Sie müssen sich zu Hause in Selbstquarantäne ­begeben. Zeigen sich nach zehn Tagen keine Symptome, kann die Quarantäne beendet wer­den. Für die Quarantäne unbedingt eine ärztliche Anordnung einholen. Dann kann für diese Zeit ein Taggeld bei der Ausgleichskasse beantragt werden (gleiches Formular wie Betreuungsgeld, siehe unten).
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat eine Checklist für Selbstisolation und -quarantäne publiziert: rebrand.ly/quarantaene.

Betreuungstaggeld müssen Sie selber beantragen.

Wenn Sie Betreuungspflichten haben

Eltern oder Elternteile, die zu Hause bleiben müssen, um ihre Kinder zu betreuen, werden finanziell unterstützt. Mindestens eines der Kinder darf nicht älter als zwölf Jahre sein. ­Gemäss Arbeitsgesetz gelten die ersten drei Tage als freie Tage infolge elterlicher Fürsorgepflicht, und das Obligationenrecht legt fest, dass für diese Tage Lohn zu bezahlen ist. Ab dem vierten Tag haben die Eltern seit dem ­19. März und bis zum Ablauf der Covid-19-­Verordnung Anrecht auf eine Entschädigung. Diese beträgt 80 Prozent des Lohns, höchstens aber 196 Franken pro Tag. Die Entschädigung wird bei Elternpaaren, bei denen beide zu Hause bleiben, nur einmal ausbezahlt. Während der Schulferienzeit ruht der Anspruch auf Entschädigung, es sei denn, die Eltern können nachweisen, dass die in den Ferien ­üblicherweise bestehende Betreuungs­lösung als Folge des Coronavirus nicht anwendbar ist. Wer die Entschädigung in Anspruch nehmen will, muss sich selber bei seiner AHV-Ausgleichs­kasse anmelden. Das Formular dazu findet sich auf: rebrand.ly/Elterngeld.

Wer jetzt andere nahestende Personen – die eigenen Eltern, den Lebenspartner – betreuen muss oder zu Hause bleiben will, um diese Personen einem möglichst geringen Ansteckungsrisiko auszusetzen, profitiert leider nicht vom Betreuungstaggeld. Für die ersten drei Tage kann bezahlter Urlaub (siehe oben) geltend gemacht werden, danach bleibt nur der Bezug von unbezahltem Urlaub oder von Ferien oder das Einziehen von Überstunden.

Bis 120 Taggelder zusätzlich und eine längere Rahmenfrist.

Wenn Sie arbeitslos werden oder sind

Die meisten Arbeitslosenkassen und Arbeitsvermittlungszentren (RAV) sind derzeit geschlossen. Neuanmeldungen sind per E-Mail oder per Post einzureichen, Beratungsgespräche werden telefonisch geführt. Die Berechnung der Höhe von Arbeitslosenentschädigungen bleibt unverändert. Jedoch erhalten alle Versicherten, die derzeit bezugsberechtigt sind oder neu bezugsberechtigt werden, maximal 120 zusätzliche Taggelder, und die Rahmenfrist für den Leistungs­bezug ist um ­zwei Jahre länger. An der Pflicht, eine Stelle ­­zu ­suchen, ändert sich grundsätzlich nichts, jedoch sind die ­RAV dazu angehalten, im Gespräch mit den Versicherten die Wiedereingliederungs- und Bewerbungsstrategien an die erschwerte Stellensuche anzupassen. Auf den Nachweis von Arbeitsbemühungen, der üblicherweise jeweils am 5. des Monats für den Vormonat einzureichen ist, wird bis nach Ablauf der bundesrätlichen Verordnung zu Covid-19 verzichtet. Ein Nachweis ist erst wieder einen Monat nach Ablauf der Verordnung einzureichen. Die Anordnung neuer arbeitsmarktlicher Massnahmen (Kurse, Beschäftigungseinsätze, Praktika) entfällt bis auf weiteres.

Wenn Sie Teilzeit arbeiten, im Stundenlohn oder auf Abruf

Ist bei Teilzeitarbeit oder Arbeit im Stundenlohn ein regelmässiges Pensum vereinbart, kann die Firma das Pensum nicht unvermittelt einseitig reduzieren. Sie schuldet weiterhin den vereinbarten vollen Lohn. Die Unia rät, die Firma per Einschreiben zur Zahlung des üblichen Lohns aufzufordern.

Bei Arbeit auf Abruf hängt die arbeitsrechtliche Stellung davon ab, wie regelmässig Sie arbeiten. Weicht das monatliche Pensum nicht mehr als plus/minus 20 Prozent vom ­längerfristigen Durchschnitt ab, ergibt sich ein Anspruch auf die durchschnittliche Anzahl ­Arbeitsstunden. Ruft die Firma diese Stunden nicht ab, kommt sie in Annahmeverzug. Die Unia rät, die Firma per Einschreiben zum Abruf des üblichen Pensums aufzufordern. Unter dem Titel «Kein Lohn? Zu wenig Einsätze?» stellt die Unia Musterbriefe für solche Fälle zur Verfügung: rebrand.ly/musterbriefe.

Anfang April hat der Bundesrat angekündigt, er plane bei der Kurzarbeitsentschädigung einen Ausbau für Angestellte auf Abruf, die wegen zu unregelmässigen Einsätzen bisher leer ausgingen. Die Konditionen standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest.


Renate Schoch zum Arbeitnehmerschutz in der Corona-Krise «Verstärkt die Probleme»

work: Renate Schoch, in den Unia-Regionen laufen die ­Telefone seit Ausbruch der Corona-Krise heiss. Hat sich die Situation mittlerweile entspannt, oder bleibt die Nachfrage nach persönlicher Beratung gross?

Renate Schoch ist in der Unia-Geschäftsleitung zuständig für Mitgliederservice und Rechtsdienst. (Foto: Neil Labrador)

Renate Schoch: Von Entspannung ist nichts zu spüren. Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Anfragen hoch bleibt. Viele Arbeitnehmende sind in einer ungewissen Lage; besonders solche, die vor der Corona-Krise bereits in prekären Arbeitsverhältnissen ge­arbeitet haben. Wir fürchten auch, dass viele Betriebe Konkurs anmelden werden, und es so zu Entlassungen kommt. Wir verfolgen die Situation und beraten die Betroffenen.

Stellen die Ratgebenden der Unia fest, dass gewisse Themen besonders häufig angesprochen werden?
Besonders gefährdete Personen – ältere oder solche mit Vorerkrankungen – sind im Ungewissen, ob sie nun mit Arbeiten aufhören dürfen oder nicht. Die Änderung der Verordnung durch den Bundesrat hat hier ­grosse Verunsicherung ausgelöst. Die Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und die Ver­ordnung des Bundesrates widersprechen sich. Faktisch müssen nun besonders gefährdete Personen zur Arbeit erscheinen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt und sagt, dass die Hygiene- und BAG-Empfeh­lungen eingehalten werden. Das ist Unsinn und eine grosse Belastung für die Betroffenen. Zusammen mit dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund setzen wir uns dafür ein, dass besonders gefährdete Per­sonen im Homeoffice arbeiten können oder, wenn das nicht geht, nicht zur ­Arbeit erscheinen müssen.

Gibt es Lücken im rechtlichen Schutz der Angestellten, welche die Unia schon immer kritisiert hatte und die sich nun als besonders gravierend erweisen?
Ja, die gibt es. Die Krise verstärkt diese Probleme. ­Ein Beispiel: Wenn mein Arbeitsvertrag keine Stundenanzahl definiert, weiss ich auch nicht, wie viel ich ­pro Monat verdienen werde. Folglich ist auch unklar, wie viel weniger ich jetzt verdiene wegen der Krise. ­

Der Gesetzgeber sollte die Arbeitgeber zwingen, im ­Arbeitsvertrag Mindeststunden zu verankern. Ge­genwärtig haben wir nur eine Bestimmung im Obliga­tionenrecht – zahnlos, weil keine Sanktionen daran geknüpft sind. Hier soll das Gesetz die Arbeitgeber in die Pflicht nehmen.

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