Arbeitsrecht

Wenn das Kind erkrankt: Freie Tage für die Betreuung Ihres kleinen Patienten

Martin Jakob

Wird ein Kind krank, bringt das den Alltag arbeitender Eltern ganz schön durch­einander. work erklärt, wer wie lange beim kranken Kind zu Hause bleiben darf.

DOKTOR PAPA – ODER DOKTOR MAMA: Sind Kinder krank, hilft ärztliche Versorgung – und die Zuwendung und Betreuung durch die Eltern. (Foto: Getty)

Soraya, vierjährig, geht am Dienstagmorgen in die Kita, putzmunter: «Heute baue ich ein Märchenschloss!» Am frühen Nachmittag jedoch erhält Mama Doris einen Anruf: «Frau Giger, Sie müssen Soraya abholen, das Kind hat hohes Fieber.» Doris Giger verständigt die Chefin und fährt hin. Sorayas Stirn ist heiss, und sie klagt über Kopf- und Halsschmerzen. «Scharlach!» sagt die Kinderärztin. Sie verschreibt Antibiotika, Schmerzmittel – und Hausarrest: «Mindestens drei Tage dauert es jetzt, bis keine Ansteckungsgefahr mehr besteht.»

Doris Giger ist alleinerziehend, arbeitet von Dienstag bis Freitag als Rayonleiterin Haustextilien im Warenhaus, und sie fragt sich: «Wie soll ich mich jetzt organisieren?» In diesem akuten Krankheitszustand kann sie Soraya nicht der Nachbarin überlassen, die sonst hin und wieder als Betreuerin einspringt, denn sie hat selber Kinder im Vorschulalter. Die Gross­eltern wiederum sind gerade im Urlaub. Und überhaupt: Jetzt will Doris Giger bei ihrem Kind sein. Und das darf sie auch.

Denn so steht es im Arbeitsgesetz, Artikel 36: Erkrankt ein Kind unter 15 Jahren, dürfen die Eltern bis zu drei Tage freinehmen, um es zu betreuen. Das gilt für Vater und Mutter gleichermassen, aber nicht gleichzeitig: Die Eltern müssen sich entscheiden, wer von ihnen die drei Betreuungstage bei seinem Arbeitgeber einfordert. Dieser kann ein Zeugnis des Kinderarztes verlangen. Und in jedem Fall sind die Eltern gehalten, während ihrer freien Tage eine Betreuung zu organisieren, die ihre Rückkehr an den Arbeitsplatz möglich macht. Die Abwesenheitsrechte für Betreuungsaufgaben sind übrigens auch in vielen ­Gesamtarbeitszeitverträgen und ­Personalreglementen aufgeführt, man sollte sie also im Falle eines Falles nachschlagen. Enthalten Reglemente jedoch Bestimmungen, die schlechter sind als jene des Arbeitsgesetzes, sind sie ungültig!

BEZAHLTE ABSENZ

Wichtig zu wissen: Das Recht auf drei freie Tage gilt pro Fall, nicht etwa pro Jahr, wie manche Firmen ihren Mitarbeitenden weismachen wollen. Hätte Soraya also ein Geschwister, das später ebenfalls krank würde, ergäbe sich daraus erneut ein Anrecht auf Betreuungsurlaub. Dasselbe gilt, falls es bei Soraya im Lauf des Jahres zu einer weiteren Erkrankung käme, die intensive elterliche Betreuung erforderte.

Doris Giger meldet sich also für Mittwoch bis Freitag von der Arbeit ab. Verläuft Sorayas Scharlach so, wie es die Kinderärztin prognostiziert hat, wird das Kind wieder zur Kita gehen können. Aber sind die freien Tage auch bezahlt? Das sind sie: Im Obligationenrecht, Artikel 324 a, steht nämlich, dass jemand, der in Erfüllung gesetzlicher Pflichten – die elter­liche Fürsorge ist so eine Pflicht – ohne Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert sei, für eine beschränkte Zeit Anrecht auf Lohn habe. Einzige Voraussetzung: Das Arbeitsverhältnis muss bereits mehr als drei Monate gedauert haben oder für mehr als drei Monate eingegangen worden sein.

Wäre Soraya am Samstag erkrankt und hätte bis Dienstagabend von der Mutter betreut werden müssen, wäre Doris Giger nur der Dienstag als freier Tag angerechnet und bezahlt worden. Denn bei Teilzeitarbeitenden mit regelmässigen Einsatztagen entfällt der Lohnanspruch für Tage, die sowieso frei wären. Auch wenn Doris Giger unregelmässig im Stundenlohn arbeiten würde, hätte sie Anspruch auf Lohnzahlung. Und zwar in gleichem Masse, wie wenn sie selber krank geschrieben wären.

PARTNERBETREUUNG

Und wie sieht es aus, falls Sorayas Quarantäne doch einige Tage länger dauern müsste? Die Firma könnte der Mutter den Urlaub aus wichtigen Gründen kaum verweigern, falls ein Betreuungsersatz nicht organisierbar wäre, und auch eine Lohnfortzahlung könnte unter Umständen durchsetzbar sein. Fragen Sie im Zweifelsfall Ihre Unia-Rechtsberatung!

Das Arbeitsgesetz macht nur für die Betreuung von Kindern bis 15 Jahre eine verbindliche Aussage. Was, wenn plötzlich der Ehegatte oder die Gattin auf Be­treuung angewiesen ist? Auch in ­diesem Fall besteht zwischen den Partnern eine gesetzliche Fürsorgepflicht, weshalb ebenfalls Artikel 324 a im Obligationenrecht anwendbar ist. Wer sich also um den erkrankten Ehemann kümmern muss, hat ebenfalls das Anrecht auf Betreuungsurlaub – in der Regel auch maximal drei Tage oder bis die anderweitige Betreuung organisiert ist. Im Gegensatz zur Betreuung kranker Kinder gibt es in diesem Fall aber eine Beschränkung: Pro Jahr können höchstens zehn solcher Urlaubstage bezogen werden.

Wer hilft im Notfall?

Ist Ihr Kind länger als drei Tage krank, sind Sie verpflichtet, eine Betreuung für das Kind zu organisieren. Doch was passiert, wenn der andere Elternteil nicht und auch sonst niemand einspringen kann?

HILFE VON AUSSEN. Für solche Situationen gibt es ­Organisationen, die Kinderbetreuung für Notfälle anbieten, zum Beispiel den Kinderbetreuungsdienst des Schweizerischen Roten Kreuzes. Da das SRK in Kantonalverbänden organisiert ist, variiert auch das Angebot von Kanton zu Kanton stark. Informieren Sie sich bei Ihrer Wohngemeinde über das Angebot. Für die Kosten der Betreuung müssen Sie selber aufkommen, wobei es hier Einschränkungen gibt: Arbeiten Sie zu einem Tieflohn, gilt es nicht als zumutbar, eine kostspielige Notfall-Nanny zu bezahlen, ­ausser Ihre Firma übernimmt die Kosten.

VORAUSSETZUNGEN. Es gilt ebenfalls nicht als zumutbar, ein jüngeres Kind in neuer Umgebung von einer unbekannten Person betreuen zu lassen. In diesem Fall kann laut Gesetz eine Arbeitsverhinderung (OR 324 a) vorliegen, die eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach sich zieht. Sofern weitere Voraussetzungen erfüllt sind (z. B. spielt die Länge des Arbeitsverhältnisses eine Rolle), haben Sie dann Anspruch auf Arbeitsbefreiung einschliesslich Lohnfort­zahlung. (mk)

 

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.