Bischofszell TG: Die Arbeiter der Marty Bauunternehmung AG wehren sich gegen illegale Kündigungen

Letzte Chance für Baulöwe Manser

Jonas Komposch

Erst zahlte sich Patrick Manser hohe Summen aus, dann stellte der Bauunternehmer die gesamte Belegschaft auf die Strasse. Doch die Arbeiter lassen sich das nicht gefallen.

FEST ENTSCHLOSSEN: 40 der insgesamt 51 Arbeiter der Marty Bauunternehmung AG sind nicht bereit, die Massenkündigung kampflos anzunehmen. (Foto: Stephan Bösch / Pixabay)

Es herrschte dicke Luft im Arboner Gewerkschaftshaus. Fast 40 der insgesamt 51 Arbeiter der Marty Bauunternehmung AG aus Bischofszell TG ­waren der Einladung der Unia gefolgt, um das weitere Vorgehen im «Fall Manser» zu beraten. Aber auch, um einmal ihren ganzen Frust von der Seele zu reden. Und um zünftige Flüche auszustossen: «Sauhund!» war noch der freundlichste. Grund hatten die Bauleute mehr als genug. Als sie am 30. Januar nach der Arbeit nach Hause kamen, erwartete sie dort eine bitterböse Überraschung: In ihren Briefkästen fanden sie allesamt den blauen Brief. Und was für einen! Mit einem einzigen Satz begründete Verwaltungsratspräsident Patrick Manser, warum er sie schasst: «aus Vorsicht und aus wirtschaftlichen Gründen».

Von einer angeblichen Krisen­situation hörten die Arbeiter aber zum ersten Mal. Magaziner Anton Fankhauser * erzählt: «Wir waren ein kerngesundes Unternehmen, dem es nie an Arbeit gefehlt hat!» Verschiedene Projekte hätten ausserdem nur noch auf ihre Ausführung gewartet, und selbst Manser habe noch am 20. Januar von «weiter wie bisher» gesprochen. Dann entschied sich der umtriebige Geschäftsmann offenbar dennoch fürs Lichterlöschen – und brach dabei das Gesetz! Manser hätte der Belegschaft die Entlassungen vorgängig ankündigen müssen. Zudem hätte er die Betroffenen anhören und auch den Kanton informieren müssen. So verlangt es das Gesetz bei Massenentlassungen. Manser aber tat nichts davon, sondern tauchte unter.

MASSENENTLASSER. Patrick Manser. (Foto: who is who)

750’000 FRANKEN WEG

Warum Manser die Firma dichtgemacht hat, ist für die Entlassenen sonnenklar. Maurer Enrico Marzano * sagt: «Der wollte nur ans Geld!» Und Kranführer ­Ulrich Bieri * meint: «Der hatte von Tuten und Blasen keine Ahnung und wollte bloss abzocken!» In der Firma sei es nämlich ein offenes Geheimnis, dass Manser bereits im letzten Juni 750’000 Franken aus dem Firmenkapital abgezogen und über Nacht an eine seiner anderen Firmen (siehe Kasten) überwiesen habe. Damit sei er Geschäftsführer, Gründer und Miteigentümer Ronny Marty (35) in den Rücken gefallen. Anfang Januar habe Manser schliesslich zum zweiten Schlag ausgeholt, um die Marty Bau auszuhöhlen: In seiner Funktion als Verwaltungsrat mit Stichentscheid habe er sämtliche Firmenkonten sperren lassen, so dass Marty keinen Zugriff mehr darauf hatte. «Ronny waren schlichtweg die Hände gebunden!» verteidigen die Arbeiter ihren früheren Chef, der selbst ein gelernter Maurer ist. Tatsächlich verliess Marty seine eigene Firma, wie aus dem Handelsregister hervorgeht. Was aber ist dran an den Gerüchten um die angeblichen Geldverschiebereien Mansers?

«Es war ein Fehler, es tut mir leid!»

ULTIMATUM

Dazu könne er sich aus juristischen Gründen nicht äussern, sagt Ex-Geschäftsführer Marty zu work. Bloss so viel: «Ich habe bis zuletzt für meine Leute gekämpft und helfe ihnen auch weiterhin, wo immer möglich.» Patrick Manser wiederum scheint Telefonaten mit der Presse systematisch auszuweichen. Per Mail richtet er schliesslich doch noch aus, es stimme nicht, dass er 750’000 Franken Firmenkapital abgezogen habe: «Das war eine Rückzahlung von direkten und indirekten Darlehen.» Zu den angeblichen Kontensperrungen schweigt sich Manser aus. Tatsächlich sei es aber wegen «unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten» zum Bruch mit Firmen-Miteigentümer Ronny Marty gekommen. Ausserdem seien die finanzielle Situation der Firma und auch die Auftragslage schlecht.

Und was ist mit der Missachtung der gesetzlichen Bestimmungen bei Massenentlassungen? Manser sagt: «Das war ein Fehler, ich wurde falsch beraten. Ich habe mich dafür auch schon entschuldigt und wiederhole diese Entschuldigung hiermit.» Künftig werde er das Gesetz beachten: «Was hier passiert, tut mir wirklich leid.»

Wie ernst es Patrick Manser damit ist, kann er schon bald unter Beweis stellen: Die entlassenen Bauleute haben nämlich beschlossen, ihrem Rausschmeisser eine letzte Chance zu geben. Bis am 17. Februar verlangen sie unter anderem eine fixe Zusage für ­Sozialplanverhandlungen mit den gewählten Personalvertretern und der Unia. Falls sich der Unternehmer aber weiterhin drückt, wird er mit Kampfmassnahmen rechnen müssen. Für ihn arbeiten will nämlich niemand mehr. Wen wundert’s!

Imperium: Mansers Firmengruppe

Massenentlasser Patrick Manser (47) ist im Thurgau kein Unbekannter. Schliesslich gehören dem Arboner neben der Marty Bauunternehmung AG noch über zwanzig weitere Firmen. Mehrheitlich sind diese in der Manser Group AG zusammengeschlossen. So etwa die Werkzeugherstellerin Taff Tool AG (35 Mitarbeitende), die Fitness­center-Kette Clever Sports AG (11 Studios), das Seil- und Hebe­technikunternehmen Fortatech AG (60 Mit­arbeitende) oder das Manser Handwerkcenter (38 Mitarbeitende).

FUSSBALLSTADION. Grösster Player in der Manser-Gruppe ist allerdings die Methabau, ein in sechs Aktiengesellschaften zerstückeltes Totalbau­unternehmen mit 200 Mitarbeitenden. Bekanntestes Bauwerk der Firma ist der Lipo-Park, das vor drei Jahren eröffnete Schaffhauser Fussballstadion mit Zusatznutzung für Ladengeschäfte (Baukosten: 60 Millionen Franken). Der Grossteil der Stadion-Ladenflächen war noch bis vor kurzem Eigentum von Mansers Methabau. Doch wenige Tage vor den Entlassungen bei Marty verkaufte Methabau ihren Anteil an einen Zürcher Immobilienfonds. Insgesamt arbeiten rund 500 Personen in den Firmen Mansers, wobei der studierte Betriebswirt viele Mitarbeitende bloss ausgeliehen hat. Und zwar von seiner eigenen Temporärfirma namens Helvetic Personal AG.

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