Ratgeber

Diagnose Krebs: Plötzlich ist alles anders. Und wie geht’s weiter im Beruf?

Martin Jakob

Eine Krebserkrankung ist ein Schicksalsschlag, der vieles in Frage stellt. Auch die eigene Arbeit. Wie informieren Sie in der Firma, und wie bereiten Sie die Rückkehr an den Arbeitsplatz vor?

ICH BIN WIEDER DA: Die meisten Krebs­betroffenen wünschen sich die Rückkehr an den Arbeitsplatz. (Fotos: Keystone, iStock)

Jedes Jahr erkranken über 40’000 Menschen in der Schweiz neu an Krebs, über ein Drittel von ihnen stehen zum Zeitpunkt der Dia­gnose im Berufsleben. Krebs ist nach Muskel- und Skeletterkrankungen und psychischen Beeinträchtigungen die dritthäufigste Ursache für ­längere Abwesenheiten vom Arbeitsplatz.

Immer öfter ist die Medizin im Kampf gegen den Krebs erfolgreich. 32’ 000 sogenannte Cancer Survivors (Krebs-Überlebende) ­leben heute in der Schweiz – darunter 65’000 im erwerbsfähigen Alter –, bei denen die Diagnose mehr als fünf Jahre zurückliegt. Das heisst, dass Krebs heute zu den chronischen Krankheiten zählt und dass immer mehr an Krebs erkrankte Menschen wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren.

Damit stellen sich neue Fragen: Was bedeuten längere Absenzen für die Betroffenen, für ihr Team und für die Firmen, und wie lässt sich das Berufsleben nach der Rückkehr an den Arbeitsplatz fortsetzen?

NACH DER DIAGNOSE

Woran auch immer Sie erkranken: Sie müssen die Diagnose grundsätzlich nicht offenlegen. Die Vorlage eines Arztzeugnisses wegen Krankheit genügt. Gerade bei Krankheiten wie Krebs, deren Verlauf schwer voraussagbar ist und die längerdauernde Absenzen nach sich ziehen können, hat es aber Vorteile, die Diagnose in der Firma mitzuteilen, sobald sie gesichert ist. Sie schaffen damit bei Kolleginnen und Kollegen, aber auch bei den Vorgesetzten die Grundlage für das nötige Verständnis.

Überlegen Sie sich vorab, was Sie mitteilen möchten und was lieber nicht – zum Beispiel sollten Sie mit der Information über eine ­unklare Prognose zurückhaltend sein. Machen Sie sich Notizen, was Sie genau kommunizieren wollen – so haben Sie eine Leitlinie zur Hand, was Sie auf wiederkehrende Fragen antworten. Sagen Sie in der Firma auch offen, ob und wie Sie auf die Erkrankung angesprochen werden möchten. Gerade Ihre nächsten Kolleginnen und Kollegen im Team sind froh, wenn Sie ihnen Hinweise geben, welches Verhalten Ihnen angenehm ist.

Lassen Sie keinen Zweifel daran, dass Sie nun zwar krank sind, aber nach ausgestandener Behandlung an Ihren Arbeitsplatz zurückkehren wollen. Ihre Vorgesetzten haben die Aufgabe, Ihre Stellvertretung zu organisieren – und zwar so, dass die zusätzliche Belastung im Team tragbar bleibt.

Grössere Firmen verfügen über ein betriebliches Gesundheitsmanagement. Im Fall einer Krebserkrankung sollten Sie die entsprechende Fachstelle nutzen, um frühzeitig das Vorgehen je nach Krankheitsverlauf zu besprechen. Nutzen Sie auch Beratungsangebote der Krebsliga.

Nachwirkungen einer Therapie können oft lange anhalten.

WÄHREND IHRER ABSENZ

Möchten Sie nach einer Operation Besuche? Wünschen Sie in der Zeit, in der Sie wegen einer kräftezehrenden Therapie zu hundert Prozent krank geschrieben sind, dennoch ab und zu News aus der Firma zu erhalten oder gar zu gewissen Team-Events eingeladen zu werden? Sie dürfen auch dazu Ihre Wünsche äussern. Achten Sie aber darauf, sich nicht zu überfordern. Ihre Genesung hat jetzt Priorität.

ZURÜCK INS ARBEITSLEBEN

Chemotherapien und Bestrahlungen haben häufig auch unangenehme oder gar deutlich belastende Nebenwirkungen, die lange über das Therapieende hinaus anhalten können. Dabei sind körperliche Symptome klar erkennbar und nachvollziehbar, zum Beispiel Haarausfall, Gewichtsverlust und Übelkeit. Andere Symptome können diffus sein und werden – auch vom Umfeld – nicht immer als ­Nebenwirkungen erkannt. Zum Beispiel: chronischer Erschöpfungszustand (Fatigue), Konzen­trationsschwächen und Sensibilitätsstörungen in Händen und ­Füssen. Deshalb kann es im Frust enden, wenn Sie zu früh an den Arbeitsplatz zurückkehren und sich selbst überfordern. Sie ärgern sich über sich selbst, dass Sie nicht die von früher gewohnte Leistung zeigen, und die Menschen in Ihrer Arbeitsumgebung haben Mühe, das nötige Verständnis aufzubringen: Wo Sie doch selbst gesagt haben, Sie seien jetzt wieder da – gesund!

Lassen Sie sich deshalb ärztlich beraten. Oft ist ein Zeugnis die Lösung, das Ihnen eine Teilarbeitsfähigkeit bescheinigt und festhält, welche Arbeiten und welche Arbeitszeit Ihnen wieder zumutbar sind. Eine Möglichkeit, die Bedingungen Ihres Wiedereinsatzes klar zu regeln, bietet das «ressourcenorientierte Eingliederungsprofil» (REP) der Organisation Compasso (www.compasso.ch), das Sie gemeinsam mit Ihrer Firma und Ihrem Arzt erstellen. Das REP definiert Möglichkeiten und Grenzen Ihrer ­Arbeitsfähigkeit recht detailliert, jedoch enthält es weder ­Diagnose noch Befund – diese Informationen müssen dem Arbeit­geber nicht offengelegt werden.

Je nach Heilungsverlauf werden Sie nach einiger Zeit wieder in den «courant normal» zurückkehren. Vielleicht entscheiden Sie sich auch je nach Gesundheitszustand und seelischem Befinden zu einer dauerhaften Reduktion Ihres Pensums. Denn derart einschneidende Ereignisse wie eine schwere Erkrankung können auch zur Folge haben, dass plötzlich anderes im Leben wichtiger wird.

ERZÄHLEN UND FRAGEN

Wie bewältigen andere Betroffene ihre Situation? Auf krebsforum.ch erzählen Menschen mit Krebs­erfahrung ihre Geschichte, und Experten beantworten Ihre Fragen. Daneben gibt es Foren, die sich speziell mit bestimmten Krebs­formen auseinandersetzen. Zum ­Beispiel europadonna.ch für Brustkrebs.


Lohnfortzahlung/Rente Und die Finanzen?

Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, bei Krankheit oder Unfall den Lohn während einer bestimmten Zeit weiter zu ­bezahlen. Dabei hängt der ­Anspruch von der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab. Im ersten Dienstjahr muss der Lohn, falls das Arbeitsverhältnis mehr als drei Mo­nate gedauert hat, während dreier Wochen bezahlt werden, ab dem 2. Dienstjahr länger. Dazu gilt je nach Region die Berner, Zürcher oder Basler Skala (siehe www.arbeitsverhinderung.ch). Besteht eine (nicht obligatorische) Krankentaggeldversicherung, beträgt der Anspruch in der Regel 80 Prozent des ­Lohnes während 720 Tagen. Regelungen im Rahmen eines Arbeitsvertrags oder GAV müssen mindestens dem gesetz­lichen Anspruch entsprechen. Die Angaben zur Regelung in Ihrem GAV finden Sie auf www.gav-service.ch.

IV-EINGLIEDERUNG/-RENTE. Bei schweren oder absehbar langdauernden Erkrankungen kann eine freiwillige Früherfassung bei der IV-Stelle des Wohnsitzkantons sinnvoll sein. Sie ermöglicht es der Invalidenversicherung, frühzeitig zu prüfen, ob und welche Abklärungen und Massnahmen ­nötig sind, um die betroffene Person vorrangig beim Verbleib im Arbeitsprozess zu ­unterstützen. Eine reguläre IV-Anmeldung ist immer nötig, wenn Eingliederungsmassnahmen umgesetzt und/oder der Anspruch auf eine IV-Rente geprüft werden sollen. Die Anmeldung sollte spätestens sechs Monate nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgen. Einen Anspruch auf IV-Rente haben Personen, die mindestens während eines Jahres ohne Unterbruch durchschnittlich zu 40 Prozent oder mehr arbeitsunfähig waren und weiterhin zu mindestens 40 Prozent nicht erwerbsfähig bleiben. www.ahv-iv.ch

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