Sheraton Zürich: Nach Reinigungsstreik lenkt Hoteldirektion ein

Ganz unten, aber nicht wehrlos

Michael Stötzel

Sieben Frauen und ein Mann des Putzteams im Hotel Sheraton in Zürich streikten für mehr Respekt und bessere Arbeitsbedingungen.

STOP! Nach dem Streik der Putzequipe im Sheraton-Hotel hat die Direktion eingewilligt, die Reinigerinnen für Küche, Restaurant oder Seminarräume direkt beim Hotel anzustellen. (Foto: Unia)

Das Sheraton an der Pfingstweidstrasse im Quartier Zürich West erlebte am 30. August Ausserordentliches: Mehr als die Hälfte seines Putzteams trat in den Warnstreik. Eine der acht Streikenden, nennen wir sie Isabella (29), Portugiesin, sagte den Journalisten: «Ich kann einfach nicht mehr, jetzt muss sich etwas ändern. Wir werden täglich ausgenutzt, wir müssen zu zweit regelmässig 50 bis 60 Zimmer reinigen. Und dann werden wir auch noch absolut re­spektlos behandelt. Ich bin total am Anschlag und werde am Schluss noch von meiner Chefin angeschrien.»

«Manchmal müssen wir die Gläser mit dem ­gleichen Material ­reinigen, mit dem wir das Klo putzen.» (*Fabienne, Renaissance Zürich Tower Hotel, Juni 2018)

«QUERULANTEN»

Die Chefin nennt sie «Portugiesin» oder gleich «Scheiss-Portugiesin». Zum Streik lässt sich Lorraine Burkhard, die Geschäftsleiterin der Reinigungsfirma Burkhard & Partner, von der «Südostschweiz am Wochenende» zitieren, die Vorwürfe – zu hohe Arbeitsbelastung, kein fester Arbeitsplan, grauenhafte hygienische Bedingungen – träfen alle nicht zu. Einzelne von «der Gewerkschaft aufgestachelte Querulanten» hätten die Aktion an­gezettelt. Ihre Firma habe den Auftrag zur Zimmerreinigung im Sheraton seit fünf Jahren, und noch nie habe es Probleme gegeben.

Doch genau sie steht im Zentrum des Problems: Das Sheraton hat wie die meisten grossen Hotels zur Kostensenkung die Reinigung an Fremdfirmen ausgelagert. Und diese Firmen führen ihren Preiskampf untereinander auf dem Rücken der Mitarbeitenden. Die im Stundenlohn arbeiten und immer schneller immer mehr Zimmer reinigen müssen. Und das mit möglichst billigem Material, zum Beispiel giftig ätzenden Putzmitteln, die sich in die Haut ihrer Hände fressen. Weil Sheraton und Burkhard selbst bei Handschuhen sparen.

«Die Reinigung eines normalen Zimmers muss in 10 Minuten erledigt sein. Wenn es nicht klappt, wird uns gedroht.» (*Adriana, Renaissance Zürich Tower Hotel, Juni 2018)

PREKÄRE JOBS

Norma Giannetta ist Organizerin für Reinigung bei der Unia Zürich. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass es das Geschäftsprinzip der Branche ist, ausländische Frauen anzustellen, die kaum Deutsch sprechen, in prekären Verhältnissen leben und ihre Rechte nicht kennen. Wegen der Sprachprobleme fänden sie in der Schweiz nur einen Einstieg in der Reinigung, weil putzen angeblich jede Frau kann. Und kämen dann nicht weiter, weil sie keine Zeit hätten und nicht genug verdienten, um nur schon einen Sprachkurs zu besuchen. Giannetta: «Meist haben sie mehrere Jobs. Morgens fangen sie im Hotel an, dort ändern sich je nach Zimmerbelegung ständig die Arbeitspläne. Danach machen sie einen Zweitjob und putzen woanders. Wie sollen sie da noch regelmässig in einen Deutschkurs gehen?»

Das ist ihr Leben: ständiger Druck dank nicht zu bewältigender Arbeitslast, ständig in Sorge, mit dem Geld nicht auszukommen, laufende Stellenwechsel, keine Kenntnis des in der Branche bestehenden GAV, praktisch kein Privatleben.

«Im Januar hab ich im Durchschnitt 12 bis 13 Stunden pro Tag ­gearbeitet. Zwischen Januar und März habe ich nur an zwei Wochenenden freigehabt.» (*Luisa, Renaissance Zürich Tower Hotel, Juni 2018)

SCHWIERIGE VERHANDLUNGEN

Unter solchen Bedingungen das Vertrauen der Frauen zu gewinnen und sie über ihre Rechte zu informieren, war eine jahrelange Arbeit für die Unia-Leute. Es begann schon damit, dass sie sich das Zutrittsrecht zu den Hotels erstreiten mussten. Dann mussten sie die stets gehetzten Frauen dazu gewinnen, überhaupt mit ihnen zu reden. Und immer wieder standen sie bei den Gesprächen unter misstrauischer Beobachtung der Vorgesetzten. Kurz: Bis zum Warnstreik gab es einen langen, langen Vorlauf. Der Mut der Streikenden hat sich gelohnt. Schon weil sie jetzt wüssten und gelernt hätten, dass sie sich wehren könnten, sagt Norma Giannetta. Und tatsächlich zeigte sich die Sheraton-­Direktion jetzt gesprächsbereit. Nach Verhandlungen ­mit der Unia hat sich das Hotel gegenüber den Angestellten verpflichtet, die Einhaltung des GAV zu kontrollieren und die Arbeitslast zu limitieren. Ausserdem werden die Reinigerinnen für Küche, Restaurant und öffentliche Bereiche wie Réception oder Seminarräume direkt beim Hotel angestellt.

Die acht Streikenden erhielten inzwischen die Kündigung auf Ende Oktober. Dann läuft auch der Reinigungsvertrag zwischen dem Sheraton und Burkhard aus. Die Unia will erreichen, dass spätestens dann Isabella und ihre Gruppe vom Hotel direkt übernommen werden.

* Die Zitate stammen von Reinigungsfrauen aus dem Zürcher Mariott-Reich, zu dem acht Hotels gehören. Nur eins der Hotels hat eigene Putzleute. Die Zitate stehen in der Unia-Broschüre «Was Arbeitsbedingungen mit sauberen Hotelzimmern zu tun haben und was Hotels dagegen tun können. Ein Report der Unia Zürich-Schaffhausen zur aktuellen Situation in Zürcher Marriott-Hotels» (2018).

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