Jean Ziegler ‒ la suisse existe

Die Verleumdung des Pierre Krähenbühl

Jean Ziegler
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Pierre Krähenbühl war einer der besten Studenten, die ich an der Universität Genf je hatte. Nach brillant abgeschlossenem Studium ging Krähenbühl zum Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). 2014 ernannte ihn die Uno zum Generalkommissar der UNRWA (United Nations Relief and Work Agency), der Agentur zur Hilfe für die palästinensischen Flüchtlinge.

Mitte August brach ein Mediengewitter über Krähenbühl herein. In einem internen Bericht der UNRWA wird Krähenbühl für die «Unterdrückung der freien Meinungsäusserung» innerhalb der Organisation und für ein «miserables Arbeitsklima» verantwortlich gemacht. Die pauschalen Vorwürfe sind kaum dokumentiert und basieren gemäss «Le Monde» überwiegend auf «persönlichen Angriffen». Uno-General­sekretär António Guterres ordnete trotzdem eine Untersuchung an. Und das, kurz bevor die Generalversammlung in diesem Monat über die Erneuerung des UNRWA-Mandats abstimmt.

Noch verhindert der unbeugsame
Krähenbühl, dass das Hilfswerk für die Palästinenser erstickt wird.

ÜBERLEBENSHILFE. Nach der Anerkennung Israels durch die Uno im Mai 1948 flohen 750’000 Palästinenserinnen und Palästinenser in die benachbarten arabischen Staaten. Das offizielle Israel behauptete stets, die palästinensischen Familien seien freiwillig weggezogen, weil sie nicht in Dörfern und Städten auf nunmehr israelischem Gebiet leben wollten. Dem widerspricht eine neuere israelische Historiker­generation um Ilan Pape: Die Menschen seien geflohen aus Angst vor ethnischen Säuberungen und israelischen Massakern.

Die Resolution der Uno zur Teilung Palästinas und zur Anerkennung Israels verankerte ausdrücklich das Recht auf die Rückkehr der Geflüchteten. Und sie gründete für die Flüchtlinge die UNRWA als provisorische Hilfsorganisation.

Nach 70 Jahren sind aus den 750’000 palästinensischen Flüchtlingen 5,5 Millionen Menschen geworden. Sie leben unter miserablen Bedingungen im Westjordanland und in Gaza, Libanon, Syrien, Jordanien und im Irak. Die allermeisten von ihnen sind auf Überlebenshilfe durch die UNRWA angewiesen. Ihr Jahresbudget beträgt ungefähr 1,2 Milliarden Dollar. Damit macht sie eine hervorragende Arbeit.

RECHT AUF RÜCKKEHR. US-Präsident Donald Trump hat die amerikanischen Beiträge zum Budget im letzten Jahr eingestellt. Pierre Krähenbühl ist es gelungen, diese Verluste weitgehend zu kompensieren. Trotzdem fehlen ihm in diesem Jahr noch 92 Millionen Dollar.

Warum diese plötzliche Kampagne zur Diffamierung des UNRWA-Chefs?

Unser inkompetenter Aussenminister Ignazio Cassis hat bei einer Reise durch die Staaten des Nahen Ostens den entscheidenden Anstoss geliefert: Die UNRWA sei nicht die Lösung, sondern selbst Teil des Problems. Denn sie erhalte bei den palästinensischen Flüchtlingen die Hoffnung auf die Rückkehr aufrecht.

Trump und der israelische Premier Benjamin Netanjahu wollen die UNRWA deshalb ersticken. Das kann der unbeugsame, diplomatisch geschickte Pierre Krähenbühl gegenwärtig noch verhindern. Darum die Schmutzkampagne gegen ihn.

Cassis hat sie genutzt, um die Einstellung wei­terer Schweizer Beiträge an die UNRWA zu verfügen. Das ist eine Schande für unser Land.

Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein jüngstes in Deutsch erschienenes Buch heisst: «Was ist so schlimm am Kapitalismus? Antworten auf die Fragen meiner Enkelin».

2 Kommentare

  1. Joseph Goldinger, Grandson

    Zum Glück gibt es in der Schweiz noch mutige, aufrechte und der Wahrheit verpflichtete, zum Glück auch einflussreiche Leute wie Herr Ziegler, die es wagen, entgegen der „diplomatischen“ feigen und heuchlerischen Schweizer Tradition die Dinge beim Namen zu nennen und sich für Recht und Gerechtigkeit einzusetzen. Merci mille fois, Monsieur Ziegler!
    Joseph Goldinger, Grandson

  2. Zaugg Andres Edwin

    Im Interesse der Rechtsstaatlichkeit müsste eine Verleumdungsklage erfolgen. Aus Verzweiflung im Kampf gegen schreiendes Unrecht habe ich den Altar in der St. Ursen-Kathedrale Solothurn am 4. Januar 2011 in Brand gesetzt. Ich konnte mich bis heute nicht rechtfertigen. Dieser Fall zeigt exemplarisch wie bei uns Rechtsbeugungen zum Tragen kommen.

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