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Maurer Sebastian Gummert: «Ich wollte mal etwas anderes sehen!»

Anne-Sophie Zbinden

Sebastian Gummert stammt aus Deutschland, baute Häuser in Irland oder Kanada – und jetzt in der Schweiz.

VON MÜNCHEN ÜBER ALBERTA NACH BERN. Maurer Sebastian Gummert (41) ist ein moderner Arbeitsnomade. (Fotos: Marco Zanoni)

Er kommt von einer Insel, auf der andere Ferien machen: Usedom, die Sonneninsel. Doch Sebastian Gummert (41) zog es fort. Er wollte Maurer werden, ging deshalb nach München in die Lehre. «Denn auf Usedom gab es vor allem Jobs im Tourismus», sagt Sebastian. «Darauf hatte ich keinen Bock!»

Tatsächlich hat die Insel in der Ostsee eine lange Tourismustradition. Grund dafür sind die überdurchschnittlich häufigen Sonnentage und der 42 Kilometer lange, feine Sandstrand der Usedomer Ostseeküste. Und die Insel war bis 1992 ein wichtiger Stützpunkt der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA). Auch Sebas­tians Eltern arbeiteten für die NVA: sein Vater war Pilot, seine Mutter zivile Mit­arbeiterin auf der Militärbasis.

Nach der Lehre in München ging Sebastian nach Köln. Er sagt: «Dort konnte ich viele schöne Maurerarbeiten machen, Stein auf Stein, Fassaden. Das gibt es fast nur in Norddeutschland.» Danach tingelte er als moderner Arbeitsnomade um die Welt, getrieben von der Neugierde, «mal was anderes zu sehen». Seine nächste Station war Irland, wo er vier Jahre lang lebte. Danach zog es ihn weiter. Sebastian sagt: «Wer einmal damit anfängt, die Welt zu entdecken, kann schlecht wieder damit aufhören.»

ZUCKER. Weil ein Kollege kalte Füsse bekam, ging er an seiner Stelle nach Kanada. Dort arbeitete er drei Jahre lang in Alberta, in der Ölindustrie. «Die Kollegen in Kanada sind aus Zucker», sagt Sebastian und lacht. «Sie fürchten den Regen! Kaum fängt es an zu tröpfeln, sind sie alle weg.» Aber die Kälte, die mache ihnen nichts aus. Frostige minus 35 Grad Celsius seien ihnen egal. «Die stellen einfach Zelte auf, heizen tüchtig ein und arbeiten weiter.» Doch Sebastian war das auf die Dauer zu kalt, und so kam er in die Schweiz. Er hätte sich auch vorstellen können, nach Skandinavien zu gehen, aber aus der Schweiz erhielt er als erstes eine Zusage.

Nun arbeitet er seit neun Jahren als Temporärer. Eine Festanstellung habe er bis jetzt noch nicht gefunden, da sei er als Deutscher halt schon etwas benachteiligt. Auch würde er sich nicht bei jeder Bude anstellen lassen wollen. Sebastian sagt: «Die Konditionen und die Stimmung im Team müssen stimmen.» Aber bei einem guten Angebot, da würde er sicher nicht Nein sagen. Denn auf Dauer seien die ­ständigen Wechsel und die ­Unsicherheit schon ziemlich mühsam.

Symphonie in grau und Gelb: Bei Neubauten verarbeitet Maurer Sebastian Gummert meistens Beton. Am liebsten macht er aber Fassaden.

BETON. Momentan arbeitet er für die Firma Wirz an der Biogasanlage auf dem Gelände der Berner Abwasserreinigungsanlage (ARA) in Bremgarten BE. Arbeitsbeginn ist um 7 Uhr. Sebastian ist aber jeweils schon um 6.30 Uhr dort, trinkt einen Kaffee, raucht eine Zigarette. Mittags gibt es 45 Minuten Pause, danach geht’s weiter bis 16 oder bis 17 Uhr. «Überstunden mache ich eher selten.»

Manchmal arbeite er an den Samstagen. Das sei aber freiwillig. Kollegen mit Familien würden sich da eigentlich nicht melden. «Aber mir macht das nichts aus, ich habe ja keine Kinder.» Und ausserdem bekomme er einen Wochenendzuschlag von 25 Prozent.

SANDSTEIN, TON UND MÖRTEL. Auf der ARA-Baustelle macht Sebastian hauptsächlich Betonierungen und Schalungen. Meistens arbeitet er mit zwei oder drei ­Kollegen zusammen. Es komme auch vor, dass er mal alleine arbeiten müsse, da sei dann aber vieles komplizierter.

Am liebsten macht Sebastian Fassaden. «Aber das gibt es hier in der Schweiz leider nur selten, da müsste ich schon wieder zurück nach Norddeutschland.» Schön und abwechslungsreich findet Sebastian auch Umbauten und Renovationen. Da sind die Materialien vielfältiger. «Bei Umbauten verwenden wir nicht nur Beton, sondern auch Sandstein, Ton oder Mörtel.»

Und wo zieht es Sebastian als nächstes hin? Noch fühlt er sich sehr wohl in der Schweiz. Aber er könnte sich schon vorstellen, eines Tages weiterzuziehen. Vielleicht nach Norwegen …


Sebastian Gummert Fitness, Freunde und Familie

Drei- bis viermal pro Woche geht Sebastian Gummert ins Fitnessstudio. Ausserdem besucht er gerne Freunde in Zürich und Winterthur und auch seine Familie in Deutschland.

POWER. Seit einem Jahr ist Sebastian Unia-Mitglied, seit kurzem sogar im Vorstand. Er sagt: «Erst war ich etwas unsicher, weil in Deutschland und in Kanada die Gewerkschaften ziemlich lasch waren. Doch dann konnte ich mich davon überzeugen, dass die Unia doch einiges mehr Power hat.»

RENTE 60. Bei den Baudemos im vergangenen Herbst war er natürlich dabei. Wichtig waren ihm und seinen Kollegen vor allem die Rente mit 60. «Momentan geht es mir zwar noch gut, aber bei den älteren Kollegen sehe ich schon, dass sie manchmal Schmerzen haben.»

Sebastian Gummert hat eine temporäre Anstellung und verdient pro Stunde 39.70 Franken brutto, inklusive 13. Monatslohn und Ferien­entschädigung.

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