Ratgeber

Die neuen Zigi: Vermutlich weniger tödlich

Martin Jakob

Der Volksmund nennt die Zigarette Sarg­nagel. Vielleicht sind die neuen Formen des Nikotin­konsums weniger schädlich. Die Folgen regelmässigen Konsums sind aber noch unbekannt.

QUALM KANN QUÄLEN: Zigarettenrauch enthält mehr Gifte als der Dampf neuer Nikotinprodukte. (Foto: Getty)

Was für ein Start in den Tag: ein Käfeli, und dazu die erste Zigarette! Einmal tief inhaliert, und schon stösst das Nikotin die Produktion von Adrenalin und Dopamin an, Wohlgefühl breitet sich aus, Sie fühlen sich wach und aufmerksam.

Leider enthält der Rauch, der da in Ihre Lunge wandert, nicht bloss Nikotin. Sondern um die 7000 chemische Inhaltsstoffe, mindestens 70 davon sind nachweislich giftig. Zum Beispiel Arsen, Butan, Kadmium, Blei, Nickel, Schwefelsäure oder Zink. Rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung lassen sich davon nicht beeindrucken und rauchen trotzdem. Mit Folgen. Pro Jahr sterben hier­zulande ungefähr 9500 Personen an den Folgen des Tabakkonsums. An Lungenkrebs, Herzkrankheiten und an chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen.

Die vom Rauchen hervorgerufenen Schäden sind seit über fünfzig Jahren zweifelsfrei nachgewiesen. Wohl alle kennen aus dem nahen oder weiteren Umfeld ­Menschen, die an den Folgen des Rauchens gestorben sind, und wer selber stark raucht, hustet sich ­
die bittere Wahrheit täglich aus dem Leib.

Verdampfer schneiden besser ab als die Tabak-sticks zum Erhitzen.

DAMPFEN UND ERHITZEN

Nun machen im Rauchermarkt seit einigen Jahren Alternativen von sich reden, die weniger schädlich sein sollen, und erzielen wachsende Umsätze. Valora, der Handelskonzern, der die Schweizer K-Kioske führt, spricht zwar von einem «Nischenmarkt». Doch die Händler haben buchstäblich Lunte gerochen: In den Regalen mit Raucherwaren breiten sich die Dampfer und Erhitzer zurzeit rapide aus. Das sind die beiden Alternativen zur Zigarette:

  • E-Zigarette/Verdampfer: Die E-Zigarette besteht aus einem Tank, einer Energiequelle, einer Heizung und einem Mundstück. Der Tank wird mit einer Flüssigkeit, dem ­Liquid, gefüllt. Es enthält Hilfsstoffe wie Propylenglykol oder Glycerin, dazu Aromen und (meistens) Nikotin, aber keinen Tabak. Die Aromenvielfalt ist riesig, vergleichbar den Bertie-Botts-Bohnen jeder Geschmacksrichtung aus der magischen Welt von Harry Potter. Zum Gebrauch wird die E-Zigarette gestartet, das Liquid erhitzt sich, und der dabei entstehende Dampf (das Aerosol) wird inhaliert. Der Verkauf nikotinhaltiger Liquids ist in der Schweiz seit April 2018 erlaubt. Seit kurzem ist auch «Juul» zugelassen, ein Verdampfer auf Nikotinsalzbasis. E-Zigaretten unterstehen nicht dem geltenden ­Tabakgesetz, sondern dem Lebensmittelgesetz. Die grossen Detailhandelsfirmen und der Verband der E-Zigaretten-Shops haben sich aber darauf geeinigt, ­nikotinhaltige Liquids nur an Personen ab 18 Jahren zu verkaufen.
  • Tabakerhitzer: Die «Heat-not-Burn-Zigarette» basiert wie die normale Zigarette auf Tabak. Jedoch enthält der Tabak viel Glycerin und wird nicht angezündet und verbrannt, sondern in einem Heizstab auf etwa 350 Grad erhitzt. Dabei entsteht nikotinhal­tiger Dampf. Die verbreitetsten Produkte stammen von den weltgrössten Tabakkonzernen Philip Morris («Iqos»), British American Tobacco («Glo») und Japan Tobacco International («Ploom»).

Für beide Produktekategorien gilt, dass sie deutlich tiefer als klassische Zigaretten besteuert werden. Bei den Verdampfern hat das zur Folge, dass der Nikotinkonsum tatsächlich billiger wird: Wer bisher pro Tag ein Päckli rauchte und dafür 3000 Franken im Jahr ausgab, dürfte mit dem Umstieg auf die E-Zigarette etwa die Hälfte einsparen. Die Erhitzerprodukte der Tabakindustrie sind dagegen gleich teuer wie normale Zigaretten. Die Zigi-Konzerne behalten nämlich die rund 3 Franken 50 Tabaksteuer, die sie für eine 8-Franken-Packung weniger abliefern müssen, ganz einfach für sich.

RISIKO LANGZEITWIRKUNG

Tabak wird in der westlichen Welt seit 500 Jahren geraucht. Zigaretten verbreiteten sich ab Beginn des 20. Jahrhunderts rasant. Vor siebzig Jahren belegte erstmals eine amerikanische Studie den direkten Zusammenhang zwischen ­Zigarettenkonsum und Lungenkrebs, und seither haben mehrere Generationen von Wissenschaftern Tausende von Berichten zur Schädlichkeit der Zigarette vorgelegt. Die Forschung zu den gesundheitlichen Folgen des regelmässigen Konsums von E-Zigaretten und Tabakerhitzern steckt dagegen in den Kinderschuhen.

Bereits fortgeschritten ist zwar das Wissen über die Inhaltsstoffe in den Dampfschwaden, die beim Inhalieren konsumiert werden. In diesem Punkt schneiden Verdampfer (E-Zigaretten) wie auch die Erhitzer («Iqos» und andere) tendenziell besser ab als die herkömmliche Zigarette: Sie enthalten insgesamt weniger Stoffe, welche die Gesundheit nachweislich gefährden.

Im Vergleich zwischen Verdampfern und Erhitzern wiederum schneiden die Verdampfer besser ab. Denn die Erhitzer erzeugen zwar weniger Teer und Gifte wie Formaldehyd und Acetaldehyd als Zigaretten, belasten aber den Körper nach wie vor mit diesen Stoffen. Und in einem Laborversuch ist beim Test eines «Iqos»-Tabakstifts das hochgiftige Isocyanat nachgewiesen worden.

Gänzlich unbekannt sind für beide Kategorien die gesundheitlichen Auswirkungen bei regelmässigem Konsum über eine längere Zeit. Vor allem für Verdampfer geht die Wissenschaft zwar von ­einem insgesamt reduzierten Gesundheitsrisiko aus. Gewissheit ist zurzeit aber noch nicht zu haben. Wer also umsteigt, darf sich als Teil eines grossangelegten Versuchs an lebenden Personen verstehen. Versuchskaninchen spielen – oder doch ganz aussteigen (siehe Text unten zur Raucherentwöhnung): Sie haben die Wahl.

Das Dossier zum Nikotin

Das Präventionszentrum Sucht Schweiz hat ein Dossier über ­Nikotinprodukte zusammengestellt, das aktuell, faktenreich und für Laien dennoch lesbar ist. Zum Abgewöhnen gut. rebrand.ly/nikotindossier


Rauchentwöhnung Ende Feuer

Wer’s schon einmal probiert hat, weiss es: Ein Rauchstop fällt verteufelt schwer. Weil der Körper gegen den Entzug der Droge Nikotin rebelliert und weil das Rauchen zur lieben Gewohnheit geworden ist – vom Rauchstäbchen zum Frühstück über das Pausengepaffe vor der Werkstatt bis zur Zigarette danach. Spontane Rauchstops haben darum mit unter 5 Prozent eine verschwindend kleine Erfolgsquote.

BEGLEITETER AUSSTIEG. Wer den Ausstieg auf eigene Faust durchziehen will, ihn überlegt und ­gezielt angeht, einschlägige Ratgeberliteratur konsultiert und allenfalls noch Ersatzpräparate wie Nikotinkaugummis oder -pflaster verwendet, steigert die Chancen auf 10 bis 20 Prozent. Nochmals höher steigt die Erfolgsquote, wenn Sie sich beim Ausstieg coachen lassen, und am besten sind die Chancen bei einer Therapie, die ärztlich begleitet und von Medikamenten ergänzt wird. Ziehen Sie eine solche Therapie in Betracht, ­reden Sie mit Ihrer Kranken­kasse. Allenfalls ist die Grundversicherung zahlungspflichtig. Ausserdem finanzieren viele ­Zusatzversicherungen Entwöhnungskuren.

RÜCKFALL. Auch mit der medikamentös begleiteten Therapie kommt es bei zwei Dritteln aller Raucherinnen und Raucher zu Rückfällen. Dann heisst es: nicht aufgeben und beherzt den nächsten Versuch unternehmen. Und sich die Belohnung für den Rauchstop immer wieder vor ­Augen zu führen: bessere Gesundheit, höhere Lebensqualität – und eine Menge Geld gespart. Und wer hat nicht lieber die Kohle im Sack als den Teer auf der Lunge?

Entwöhnungstipps bei der Lungenliga (www.lungenliga.ch) oder bei der Krebsliga (www.krebsliga.ch, Rauchstop-Helpline: 0848 000 181).

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