Neue Umfrage zeigt: Pflegerinnen massiv unzufrieden

Alles nur noch schnell-schnell

Christian Egg

Den Pflegefachfrauen und -männern ­setzen ­Personalmangel, ­Profitdenken und Spardruck immer mehr zu, denn die Qualität der Pflege leidet schwer.

SORRY, KEINE ZEIT: In vielen Spitälern geht es nur noch um den Profit und ums Sparen, die Patientinnen und Patienten sind zweitrangig. (Foto: Keystone)

Sie liebe den Kontakt mit den Patientinnen und Patienten, sagt die 51jährige Pflegehelferin: «Deshalb habe ich diesen Beruf gewählt. Aber man lässt uns keine Zeit mehr. Wir sollen nur schnell-schnell alles machen.» Und eine Pflegeheimangestellte aus dem Kanton Bern berichtet, der Personalmangel wirke sich negativ auf die Sicherheit aus: «Die Seniorinnen und Senioren sind oft zu lange allein. Dadurch passieren viele Stürze.»

Die zwei Frauen haben zusammen mit rund 2900 anderen Beschäftigten im Gesundheitswesen an der grossen Unia-Umfrage mitgemacht. Die Resultate sind für die reiche Schweiz beschämend: 93 Prozent der Teilnehmenden sind der Ansicht, dass wegen Personalmangels und Spardrucks die Pflegequalität leide. Viele berichten schonungslos und selbstkritisch. Auch diese junge Fachfrau Betreuung aus einem Pflegeheim: «Vieles wird bei uns aufgrund von Zeitmangel nicht korrekt oder gar nicht erledigt.» Deutlich wird eine Pflegefachfrau in einem Spital: «Patienten müssen oft stundenlang in ihren Exkrementen liegen.» Insgesamt gaben nur 15 Prozent an, sie hätten genügend Zeit für die Bewohnerinnen und Bewohner.

«Patienten müssen oft stundenlang in ihren Exkrementen liegen.»

PROFIT AN ERSTER STELLE

Mehrere Beschäftigte stellen fest, dass die Patientinnen und Patienten nicht mehr an erster Stelle stehen. Sondern der Profit, in öffentlichen Spitälern das Sparen. Eine Pflegefachfrau in einer privaten Einrichtung sagt es so: «Ich habe das Gefühl, der Chefetage ist nur Geld wichtig, sonst nichts.»

Kein Wunder, leiden auch die Pflegenden. Ganze 65 Prozent gaben an, neben der Arbeit nicht genügend Zeit für Familie und Freizeit zu haben. Eine junge Fachfrau Gesundheit sagt: «Ich komme nach Hause und bin so kaputt, dass ich nichts mehr zusammen mit der Familie unternehmen kann.»

PFLEGESTREIK?

Die Umfrage macht aber auch deutlich: Viele in der Pflege sind bereit, sich zu engagieren. Eine 25jährige Pflegefachfrau aus dem Kanton Bern schreibt: «Es kann und soll so nicht weitergehen!» Und eine 29jährige Fachfrau Gesundheit könnte sich sogar einen Streik vorstellen: «Eigentlich sollten wir alle auf die Strasse und zwei, drei Tage nicht arbeiten.» Klar, das wäre auf Kosten der Patientinnen und Patienten, sagt sie. «Aber gleichzeitig auch für sie.»

Umfrageergebnisse im Detail: www.unia.ch/pflegeumfrage


Pflegeberufe Gefragte Fachkräfte

179’000 Personen ­arbeiten in der Schweiz in der Pflege, Tendenz steigend. Sie sind sehr gefragt, da wir immer ­älter werden. Im Jahr 2030, also in gut zehn Jahren, werden bereits 244’000 Pflegepersonen nötig sein, hat das Schweizerische Gesundheitsobservatorium, die staatliche Fachstelle im Gesundheitswesen, errechnet.

TEILZEIT. Der Lohn einer ­diplomierten Pflege­fachfrau liegt zwischen 5200 und 6200 Franken im Monat. Fachleute ­Gesundheit verdienen zwischen 4200 und 4800 Franken, während für Pflegehelferinnen und -helfer Löhne zwischen 3800 und 4500 Franken üblich sind (alles Einstiegs­löhne). Allerdings sind viele ­Beschäftigte nur Teilzeit angestellt. In der ­Langzeitpflege liegt der Anstellungsgrad im Schnitt bei gerade einmal 72 Prozent.

1 Kommentar

  1. Romina Müller

    Dieser Artikel ist wirklich sehr interessant. Gut daran finde ich, dass viele Punkte wiedergegeben werden, welche die Pflegeinitiative des SBK behandelt. Nur gemeinsam können wir hier einen Wandel herbei führen.
    http://www.pflegeinitiative.ch/

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