Die Detailhändler tun alles, um den Angestellten das Fest zu vermiesen

Freue dich, Christkind kommt bald!

Christian Egg

Schäbige Lohnerhöhung, dafür an Heiligabend chrampfen lassen. Geht es nach den Detailhändlern, wären dies fröhliche Weihnachten. Ein Kommentar.

SCHNAPSIDEE. Die Detailhändler wollten dem Personal das Weihnachtsfest stehlen. (Foto: iStock)

HOPPLA! Da haben sogar die Coop-Chefs gemerkt, dass das nicht geht. An Heiligabend wollten sie die Läden in Zürich bis 20 Uhr offen halten. Nicht nur die an Bahnhöfen, sondern auch über zehn Filialen in Quartieren.

Klar. Welche Verkäuferin will schon Weihnachten feiern? Kerzen anzünden? Mit der Familie essen, nach der hektischen Vorweihnachtszeit etwas zur Besinnung kommen? So was von uncool. Da ist es doch viel weihnachtlicher, noch ein paar Stunden mehr an der Kasse im Neonlicht abzusitzen oder beim ­Self-Checkout die Teenager vom Klauen abzu­halten.

ABER EBEN, HOPPLA! Die Angestellten sahen das anders. Und offenbar auch viele Kundinnen und Kunden. Also krebste Coop wieder zurück. Wegen des «Ärgers unserer Kunden und unserer Mitarbeitenden», so ein Coop-Sprecher gegenüber «20 Minuten». Diesen Ärger, so der Sprecher plötzlich, «verstehen wir voll und ganz». Jetzt sollen die Läden «zwischen 16 und 18 Uhr» schliessen. Ausser die an Bahnhöfen und am Flughafen.

WOW, WIE CHRISTLICH! So sind die Verkäufe­rinnen an Heiligabend tatsächlich schon um sieben Uhr zu Hause. Reicht ja locker, um fürs Fest ein Fertiggulasch von Fine Food aufzu­wärmen und einen Sack Prix-Garantie-Pommes-Chips aufzureissen.
485 Millionen Gewinn machte die Coop-Gruppe im letzten Jahr, ein Plus von 2,2 Prozent. Der Umsatz stieg sogar um 3,1 Prozent. Trotzdem gewährt sie ihren Angestellten keine generelle Lohn­erhöhung. Und weil die Jah­resteuerung, konservativ geschätzt, etwa bei 0,9 Prozent sein wird, machen jene Verkäuferinnen und Verkäufer, die nichts bekommen, nächstes Jahr sogar hinderschi beim Lohn. Noch einschneidender: Die Coop-Pensionskasse erhöht die Lohnabzüge um 0,7 Prozent.

ABER HALT! Wer nun denkt, die Migros sei ein M besser, täuscht sich gründlich. Bei einem Gewinn von 503 Millionen denkt auch der orange Riese nicht daran, allen mehr Lohn zu geben. Sondern nur individuell, ähnlich wie Coop. Und auch die Migros dreht bei den Ladenöffnungszeiten an der Würge-Schraube, vor allem in der Westschweiz. Im Kanton Waadt zum Beispiel sind die Läden seit letztem Jahr bis 20 Uhr offen. Obwohl 62 Prozent der Angestellten dagegen waren.

Gehört sich das? Gehört die Migros denn nicht mehr allen? Hört, hört! Hört nur, wie lieblich es schallt. Freue dich, Christkind kommt bald!


Deregulierung extrem Arbeiten bis 22.30 Uhr?

Nein. Nein. Und nochmals nein. Dreimal in den letzten 12 Jahren hat das Stimmvolk im Kanton Luzern längere Ladenöffnungszeiten abgelehnt. Aber Franziska Bitzi, CVP-Finanzdirektorin der Stadt Luzern, will den Volksentscheid nicht akzeptieren. Sie will die ganze Altstadt zur Tourismuszone erklären. Dann dürften die Läden bis 22.30 Uhr offen haben. Und am Sonntag bis 20 Uhr.

«Klein- und Familien­läden würden verdrängt.»

Das hätte gravierende Folgen. Fürs Personal, das ständig Abend- und Sonntagsarbeit verrichten müsste. Aber auch für Luzern, sagt Giuseppe Reo von der Unia Zentralschweiz: «Profitieren würden nur grosse Shoppingcenter und Bijouterien. Klein- und ­Familienläden würden verdrängt.»

KOMPROMISS. Die Gewerkschaften und der Detaillistenverband legen jetzt einen Kompromiss auf den Tisch: Die Läden dürften am Samstag bis 17 Uhr offen bleiben statt bisher bis 16 Uhr. Dafür fiele einer der zwei Abendverkäufe unter der Woche weg. Jetzt liegt der Ball bei der Stadt. Sollte sie ihren extremen Plan wirklich durchziehen, wollen Gewerkschaften und Detaillisten juristisch dagegen vorgehen.

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