Chef von Putzfirma verurteilt, weil er Flüchtlinge ausbeutete

Fertig mit gratis WC-Schrubben bei McDonald’s

Sabine Reber

47 Tage lang musste Souleymane * chrampfen, von 23 Uhr bis 8 Uhr in der Früh. Ohne Lohn. Der junge Mann aus dem Sudan klagte. Mit Erfolg!

MUTIG: Suleymane hat sich trotz Einschüchterungsversuchen gewehrt. (Foto: Sedrik Nemeth)

Die Unia Genf hatte den Fall im Dezember 2015 aufgedeckt: Die Berner Putzfirma Top Clean liess Flüchtlinge gratis WC putzen. Im Auftrag der Firma Gerona, die für McDonald’s mehrere Filialen in Genf führt. Zum Beispiel Souleymane (31) aus dem Sudan. Er musste ganze 47 Tage ohne einen Rappen Lohn chrampfen. Er hat eine Aufenthaltsbewilligung F und hofft, hier ­bleiben zu dürfen. Als ihm der Chef der Putzfirma eine Aufenthaltsbewilligung B verspricht, wenn er drei Monate gratis für ihn arbeite, sagt Souleymane sofort zu. Von da an arbeitet er von 23 Uhr bis 7 oder 8 Uhr morgens durch. Ohne Pause. Auch über Weihnachten und Neujahr muss er arbeiten. Als work über den Fall berichtet, stellt Gerona umgehend die Zusammen­arbeit mit Top Clean ein.

RÜCKWÄRTS AUF DER AUTOBAHN

Nun hat die Genfer Staatsanwaltschaft den Chef der Putzfirma Top Clean bestraft. Wegen Urkundenfälschung, Verletzung des Ausländergesetzes und Nichtrespektierung der geltenden Arbeitsbedingungen. Ausserdem wegen schwerer Verkehrsdelikte wie Rückwärtsfahren auf der Autobahn und Ausbremsen von anderen Fahrzeugen. Die Strafe dafür: 180 Tagessätze zu 60 Franken mit vier Jahren Bewährung sowie zusätzlich 6000 Franken Busse und auch die Verfahrenskosten von 1500 Franken.

ENTHÜLLUNG: Am 22. Januar 2015 berichtete work über den Flüchtlingsausbeuter von Genf.

Souleymane kann nun vor dem Arbeitsgericht sein Geld einfordern. Er verlangt eine Lohnnachzahlung von rund 7000 Franken. Blöd nur: Der Verurteilte liess seine Putzfirma inzwischen in Konkurs gehen. Und hat laut Handelsregister im Jahr 2016 eine neue Putzfirma namens NS King Facility Services mit Sitz in Ecu­blens VD gegründet – völlig legal. Souleymane kann es kaum glauben. Er sagt zu work: «Meine Hoffnung war, dass die Zustände besser werden, wenn ich den Fall vor Gericht bringe. Ich hätte nie gedacht, dass in der Schweiz solche Ungerechtigkeiten möglich sind!»

Obwohl die Strafe verhältnismässig milde ausgefallen ist, hat der Putzfirmenchef Einsprache dagegen erhoben. Deshalb kommt der Fall nun vor Gericht. Souleymanes Anwalt, Olivier Peter, sagt: «Uns soll es recht sein, wenn der Fall noch einmal aufgerollt wird. Dann verlangen wir nämlich, dass der Angeklagte zusätzlich wegen gewerbsmässigen Wuchers verurteilt wird.» Das gäbe dann eine unbedingte Gefängnisstrafe. Wucher bedeuet das Ausnützen von Unwissenheit, Leichtsinn oder einer Notlage, um damit unrechtmässigen Gewinn zu erzielen.

SCHWEIGEN AUS ANGST

Ursprünglich hatten vier Betroffene aus Genfer Flüchtlingsheimen mit Unterstützung der Unia vor dem Genfer Arbeitsgericht gegen Top Clean geklagt. Drei von ihnen zogen ihre Klagen zurück, nachdem die Putzfirma ihnen Geld angeboten hatte. Der Unia Genf waren noch mehr Fälle bekannt, bei denen die Betroffenen jedoch nichts unternehmen wollten. Unia-Frau Camila Aros ist für den Fall von Souleymane zuständig. Sie sagt: «Viele haben Angst, sich zu wehren, weil sie offensichtlich eingeschüchtert werden.»

Zweimal wurde er nach seiner Anzeige spitalreif geschlagen.

Souleymane aber wollte nicht klein beigeben. Er erzählt, wie ihm eine Person, die er nicht kannte, 3000 Franken unter die Nase hielt. Aber er lehnte das Geld ab und hielt an seiner Klage fest. Er reichte auch eine Strafklage gegen den Chef der Firma Top Clean ein wegen Wuchers und Urkundenfälschung. Nachdem er das Geld abgelehnt hatte, bekam Souleymane noch mehrmals Besuch im Flüchtlingsheim. Zweimal wurde er spitalreif geschlagen, im April und im Juni 2016. Das bestätigt Anwalt Olivier Peter. Die Verletzungen seien in einem ärztlichen Attest dokumentiert. Er sagt: «Selbstverständlich haben wir eine Anzeige gemacht. Aber leider konnten die Schuldigen nicht gefunden werden.»

Immerhin hat Souleymane nun über ein Stellenvermittlungsbüro einen bezahlten Job gefunden, als Putzkraft in einem Hotel in Genf. Er sagt: «Diesmal habe ich einen schriftlichen Arbeitsvertrag, und alles ist legal. Schwarzarbeiten, das mache ich sicher nie mehr!»

* Name von der Redaktion geändert

Reinigungsfirmen: Betrüger am Werk

Souleymane berichtet, immer wieder kämen Männer aus Afghanistan und Pakistan ins Flüchtlingsheim, um illegal Arbeitskräfte zu rekrutieren. Alessandro Pelizzari, Regiochef Unia Genf, bestätigt das. Er sagt: «Da sind gut organisierte, skrupellose Betrüger am Werk, die für
Betriebe im Gastgewerbe und in der Reinigung Leute zu sklavenähnlichen Bedingungen anheuern.» Seit der Ver­öffentlichung des Urteils seien noch mehr Betroffene zur Unia gekommen. Pelizzari: «Alle sollen wissen, dass sie bei uns Hilfe bekommen. Das ist uns wichtig.» Die Unia Genf ist nun im Gespräch mit dem Genfer Regierungsrat, um in den Flüchtlings­heimen Informationsveranstaltungen durchführen zu dürfen.

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