OVS: 1180 Mitarbeitenden bleibt nichts mehr als Wut

«Wir wurden hintergangen»

Christian Egg

Der italienische Modegigant Oviesse (OVS) flüchtet sich in den Konkurs. Und hat so keine Sozialplanpflicht.

LICHTERLÖSCHEN: Für die falsche Strategie bezahlen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrem Job. (Foto: Keystone / Montage: work)

Verkäufer Gion Lötscher wählt deutliche Worte: «Die OVS-Manager haben uns nach Strich und Faden hintergangen.» Lötscher ist seit über dreissig Jahren in der Branche und arbeitete seit 2001 bei Charles Vögele. Vor knapp zwei Jahre dann übernahm der Moderiese Oviesse aus Italien die strauchelnde Schweizer Modekette. Lötscher erzählt: «Wir haben uns mit viel Herzblut dafür eingesetzt, dass die Läden mit dem neuen Konzept funktionieren – und jetzt das.»

EIN SKANDAL

Am 30. Mai zog OVS brutal die Reissleine: Nachlassstundung. Den 1180 Angestellten droht die Kündigung. Das ist eine der grössten Massenentlassungen in der Schweiz in den letzten Jahren. Besonders bitter für die OVS-Verkäuferinnen und -Verkäufer: Es gibt nicht einmal einen Sozialplan. Denn das Sagen hat jetzt ein Sachwalter. Er muss alle Gläubiger gleich behandeln. Gesichert sind immerhin die Löhne bis Ende Kündigungsfrist.

Für Arnaud Bouverat von der Unia ist es schlichtweg ein «Skandal», dass es die OVS-Manager zur Nachlassstundung haben kommen lassen: «Sie hätten die Pflicht gehabt, vorausschauend zu handeln. Und die Warnlampen waren schon seit Monaten auf Rot», sagt der Gewerkschafter.

KONKURS KOMMT BILLIGER

Und OVS-Verkäufer Lötscher präzisiert: «Die neuen Chefs haben das Geschäft mit Tempo 150 gegen die Wand gefahren.» Den radikalen Wechsel auf junge Mode und günstige Kleider hätten viele der bestehenden Kundinnen und Kunden nicht mitgemacht. Lötscher: «Etwa drei Viertel von meinen Stammkunden habe ich nach dem Wechsel zu OVS nicht mehr gesehen.» Für Insider ist klar: Wenn der Wille vorhanden gewesen wäre, hätte man zumindest einen Teil der 140 Filialen retten können. Dreissig bis vierzig Läden hätte man auf die neue Kundschaft umstellen und mittelfristig profitabel betreiben können. So die Einschätzung. Nur hätte OVS dann über ­einen Sozialplan für Entlassene verhandeln müssen. Und der würde kosten. Die Nachlassstundung und später ein Konkurs kommen billiger.

«Mit Tempo 150 gegen die Wand
gefahren.»

GERISSENE FINANZMANAGER

Schon von Anfang an hatten die gerissenen OVS-Finanzmanager dafür gesorgt, dass der finanzielle Schaden bei einem Fehlschlag für sie klein bleibt. Sie blieben bei der Schweizer Tochterfirma Sempione Fashion AG mit knapp 30 Prozent der kleinste von drei Teilhabern. Die Mehrheit stammte von zwei italienischen Unternehmen sowie der Sandoz-Erbin Héloïse Spadone-de Meuron. Das Sagen in dem Kon­strukt hatte allerdings OVS. Das SRF-Wirtschaftsmagazin «Eco» brachte dies so auf den Punkt: «Maximale Kon­trolle bei minimalem Risiko.»

TRARA UND CÜPLI

Als der oberste OVS-Chef Stefano Beraldo im September 2016 den Kauf von Vögele bekanntgab, sagte er grossspurig: «Der Schweizer Markt ist so attraktiv, dass es fast unmöglich ist, hier keinen Gewinn zu erzielen.»

Noch vor neun Monaten eröffnete er in Zürich den neuen Flaggschiffladen, mit viel Trara und Cüpli-Prominenz. Jetzt ist Beraldo schon wieder weg. Nur zwei Tage nachdem die Nachlassstundung bekannt wurde, hat er sich aus dem Staub gemacht und den Verwaltungsrat der Schweizer Tochter verlassen. Aufräumen sollen andere.

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