1x1 der Wirtschaft

Löhne: Endlich holt Osteuropa auf

Hans Baumann

Die meisten Länder Mittel- und Osteuropas kamen in der ­Finanzkrise und der darauf folgenden Verschuldung arg unter die Räder. Die Leid­tragenden waren die Lohnabhängigen: Bis vor wenigen Jahren nahm die Arbeitslosigkeit stark zu, die Löhne stagnierten oder sanken sogar, und die Arbeitsbedingungen verschlech­terten sich massiv. Für die Menschen war das fatal. Als politische Folge machten sich Rechtspopulismus und Fremdenfeindlichkeit breit.

GEDREHT. In den letzten Jahren scheint der Wind gedreht zu haben. Das Bruttoinlandprodukt nimmt in Mittel- und Osteuropa seit den Jahren 2012/2013 wieder zu, und für 2017 hat das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche ein Wachstum von 4 Prozent errechnet. Das ist höher als erwartet und auch deutlich höher als in Westeuropa. Positiv hat sich das auf den Arbeitsmarkt aus­gewirkt.

ERFREULICH. Die Arbeitslosenzahlen sind seit etwa vier Jahren rückläufig, sehr deutlich in den Ländern Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Polen und der Slowakei, etwas weniger in Rumänien.

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist nicht nur ein Resultat der Beschäftigungszunahme. In einigen Ländern wie etwa Ungarn hat die Emigration ebenfalls zu weniger Arbeits­losigkeit beigetragen. Auch die Löhne haben in den letzten vier Jahren deutlich zugelegt und den Rückstand gegenüber dem Westen etwas verkleinert. Da dies aber von einem tiefen Niveau ausging, ist der Abstand vor allem in Bulgarien und Rumänien immer noch gross. Immerhin rechnet das Wiener Institut auch für die kommenden Jahre mit einer höheren Zunahme der Einkommen als im Westen.

So sollen etwa in Tschechien die Ein­kommen bis 2026 auf 90 Prozent des EU-Durchschnitts ansteigen. Der Aufschwung ist also im Binnenmarkt durch höhere Löhne und ein höheres Konsumniveau gestützt und nicht nur export- oder finanzgetrieben. Dies ist ein Zeichen dafür, dass es sich um eine stabilere Entwicklung handelt als in der letzten Boomphase vor der Finanzkrise. In einigen Branchen spricht man bereits von akutem Arbeitskräftemangel. Deshalb sind in Zukunft weniger Leute gezwungen, in Westeuropa Arbeit zu suchen.

Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.

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