Der neue französische Präsident will Gewerkschaften ausschalten

Erster Aufstand gegen Macron

Oliver Fahrni

Er wurde auch mit ihren Stimmen gewählt. Aber der neue Präsident Macron sucht sofort den Hosenlupf mit den Gewerkschaften.

Bleiben dran: Charlotte Girard, Programmchefin der linken Bewegung «Les insoumis», mit Jean-Luc Mélenchon. (Foto: AFP)

Nur knapp zwanzig Stunden nach der Wahl von Emmanuel Macron zum Präsidenten waren Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter überall in Frankreich auf der Strasse. Es waren erste Warndemos: «Macron, Finger weg vom Arbeitsgesetz», riefen sie, und: «Wir sind die soziale Front. Wir werden dir nichts durchlassen.» Die meisten, die gegen Emmanuel Macron demonstrierten, dürften ihn am Tag zuvor gewählt haben. Um das Schlimmste zu verhindern: die Neofaschistin Marine Le Pen im Elysée-Palast. Das ist geschafft. Frankreich wird kein Trumpistan II.

46 Prozent der Macron-Wählenden stimmten nicht für sein Projekt, sondern gegen Le Pen. Die andere Hälfte freute sich über Macrons Bekenntnis zu Europa. Vor allem viele Junge. Sie möchten im Ausland reisen, studieren, arbeiten. Die Chance EU nutzen.

TOTALER PRÄSIDENT

Aber die Gewerkschaften kennen Macron gut. Zwei Jahre lang haben sie mit dem früheren Wirtschaftsminister des sozialistischen Präsidenten François Hollande heftig gestritten und gerungen. Zuerst gegen ein Wachstumsgesetz (Loi Macron), das Massenentlassungen erleichterte, die Nacht- und Sonntagsarbeit liberalisierte und einiges mehr. Dann setzte Macron mit einem neuen Arbeitsgesetz das ganze Land in Brand. Es zielte darauf, die Gewerkschaften zu schwächen, die Arbeitszeit zu erhöhen und die Arbeitenden stärker der Willkür der Unternehmer zu überlassen. Hollande prügelte das Gesetz ohne Parlamentsdebatte durch. Für Macron nicht gut genug. Er war von der Bank Rothschild zu Hollande gegangen, um den Sozialisten die letzten Reste Sozialismus, Sozialdemokratie und sogar Sozialliberalismus auszutreiben. Jetzt ist die Partei am Ende. Und er, der neue Staatspräsident, wird ein totaler Präsident, alle drängen unter sein Dach: SPler, Zentristen, Rechte.

Als erste Amtshandlung hat er jetzt die Verschärfung des verschärften Arbeitsgesetzes angekündigt. Per Dekret. Ohne jede Diskussion. Macron sucht die Kraftprobe. Die Gewerkschaften sollen gleich zu Beginn ausgeschaltet werden.

ES GEHT AUCH ANDERS

Jean-Luc Mélenchon, Kopf der linken Bewegung «Les insoumis» (die Freien), hatte die Sozialisten gewarnt: Wer im Ringen zwischen der Befreiung des Menschen und den Kräften der Ordnung den Strang der Befreiung aufgebe, verliere die Menschen. Seine Freien haben gezeigt, dass es anders geht. Mit einem resolut linken Programm machte Mélenchon fast 20 Prozent der Stimmen. Jetzt will er mit möglichst vielen Frauen und Männern ins Parlament einziehen.

18 Monate lang haben die Freien an ihrem Programm gearbeitet, es diskutiert und gerechnet. Hunderte steuerten dazu bei. Die Juristin Charlotte Girard leitete die Arbeiten als Programmchefin. In 83 Themengebieten zeigen sie, was zu tun ist, damit Französinnen und Franzosen besser, freier, gesünder und erfüllter leben können. Leitschnur Girards: «Die Menschen haben ein Recht auf Glück.» Dabei sind Klassiker wie die Erhöhung des Mindestlohnes, die Unterwerfung der Banken, maximal 1 : 20 Lohnunterschied, die Abschaffung jeder Form von Diskriminierung der Frauen, der Ausstieg aus der Atomenergie usw. Aber auch Dinge wie der ökologische Vollumbau, die Förderung der Gemeinwirtschaft, Gratismedizin, die Abschaffung der präsidialen Monarchie, aus gebaute Volksrechte, die Abwahl von Politikern und Politikerinnen per Referendum, der demokratische, soziale und ökologische Umbau der EU, umfassende demokratische Rechte in den Betrieben … und: Gratis-Biokantine für alle Schülerinnen und Schüler.

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