Am 8. März gehen die Frauen auf die Strasse

Pussy power: Jetzt sieht die Schweiz pink

Sabine Reber

Nun geht’s auch bei uns los mit den Frauenprotesten gegen Trump und die hiesigen Frauenfeinde.

MAKE SWITZERLAND PINK. Die Pussy-Protest-Welle aus den USA ist auch in die Schweiz hinübergeschwappt. (Fotos: Brian Allen / Voice of America, Parlamentsdienste, Franziska Scheidegger)

Das Pussyhat-Fieber aus den USA greift auch hierzulande um sich. Was dort mit dem Frauenmarsch gegen die Hasspolitik von Donald Trump begann, weitet sich zu einer neuartigen Frauenbewegung aus (siehe Interview unten). Die Pussypower-Bewegung. Zur Erinnerung: «Pussy» nennt Frauengrapscher Trump die Vagina. In einem Video prahlte er, er könne jede Frau haben, ihnen sogar zwischen die Beine grapschen: Grab them by the pussy. Gegen Trumps Vergewaltiger-Mentalität protestierten die Muschis zu Hundertausenden und schlugen zurück. Mit dem Wort, das Trump so verächtlich ausspuckt: Pussy. Pussy heisst aber auch Kätzchen, deshalb trugen die Frauen an ihren Protestmärschen selbstgestrickte Pussyhats. Diese pinkfarbenen Mützen mit Katzen-öhrchen machen jetzt auch in der Schweiz Furore. Als Protestsymbol gegen eine frauenfeindliche, rassistische und unsoziale Politik. Auf den sozialen Medien kursieren verschiedenste Modelle und Strickanleitungen.

STRICKEN FÜR SOLIDARITÄT

Landauf, landab wird plötzlich gestrickt wie verrückt. Zum Beispiel Vivienne F. Herzog (74) aus Beatenberg BE. Zusammen mit ihrer Lismigruppe, aber auch mit einer Gruppe von Migrantinnen, um die sie sich schon lange kümmert, fertigt die Rentnerin Pussykappen. Von morgens bis abends würden ihre Nadeln klappern, erzählt sie: «An einem guten Tag schaffe ich vier Pussyhats.» Inzwischen hat sie bereits Hunderte gestrickt. Für die Rechte der Frauen und für einen guten Zweck: Den Erlös spendet sie der Flüchtlingsorganisation Schwizerchrüz von Michael Räber.

Und sogar die Männer tragen neuerdings Pink. Jean Anderegg aus Grenchen SO erklärt: «Ich trage meinen Pussyhat aus Solidarität mit den Frauen. Die rechtsbürgerliche Politik schadet uns allen.» Und der Berner BDP-Politiker Kurt Hirsbrunner sagt: «Wir müssen ein Zeichen setzen gegen den um sich greifenden Hass.» An einer Pussyhat-Aktion im Berner Stadtparlament nahm auch er teil – und trug seine Katzenkappe zum Vollbart.

Kein Wunder, trägt jetzt auch das Bundeshaus Pink: Auf der Website Make Switzerland Pink, die den Protest begleitet und sammelt, posten Fans allerlei Fotomontagen. Unter dem Slogan: «Stricken für Solidarität und Demokratie».

«Die Schweiz hat Trump in Gestalt der SVP.»

FEMINISMUS FÜR 99 PROZENT

Make Switzerland Pink verlinkt auch die aktuellen Diskussionen des Frauenprotests in den USA. Zum Beispiel das Manifest für einen «Feminismus für die 99 Prozent». Lanciert hat es eine Gruppe bekannter Feministinnen, Buchautorinnen und Forscherinnen um Angela Davis. Sie alle sind in der Bürgerrechtsbewegung der Schwarzen verankert und schreiben: «Aus unserer Sicht reicht es nicht, gegen Trump und seine aggressive sexistische, homophobe und rassistische Politik zu sein. Wir müssen auch den neoliberalen Angriff auf die sozialen Errungenschaften und die Rechte der Arbeitnehmenden bekämpfen.»

Der weisse Mittelschichtsfeminismus der letzten Jahrzehnte habe viele Frauen ausgegrenzt, Arbeiterinnen, Migrantinnen, farbige Frauen usw. Und er habe sich zu stark mit dem Kapitalismus arrangiert. Doch Gewalt «ist nicht nur häusliche Gewalt gegen Frauen, sondern auch die Gewalt der Märkte, Staatsgewalt gegen Flüchtende, diskriminierende Politik gegen Schwule und Lesben sowie institutionelle Gewalt gegen den Körper der Frau: Abtreibungsverbote, fehlender Zugang zum Gesundheitssystem». Es brauche eine neue, breitere Bewegung, fordern Davis und ihre Mitstreiterinnen und rufen für den internationalen Frauentag am 8. März zu einem landesweiten «Generalstreik» auf. In dreissig weiteren Ländern wollen die Frauen am Frauentag ebenfalls streiken. Das Motto: «Ein Tag ohne uns Frauen».

AUFRUF FÜR PINK

«Heraus zum 8. März» wollen die Pussyhats auch in der Schweiz. Angefeuert vom Frauenpower in den USA, ruft ein breites Bündnis zur Solidarität mit der internationalen Streikbewegung am Frauentag auf: «Die Schweiz darf nicht schlafen!»

Mit dabei auch die Gewerkschaften. Unia-Geschäftsleitungsfrau Corinne Schärer begründet dies so: «Nicht nur die USA erleben derzeit mit Trump & Co. einen heftigen Rechtsrutsch. Die Schweiz hat Trump in der Gestalt der SVP schon lange. Und auch bei uns sind Sexismus und Frauenfeindlichkeit salonfähig geworden.» Die Unia wird Protestaktionen machen und ruft dazu auf, Frauen und Männer möchten am 8. März pinkig auf den Strassen und unübersehbar auftreten. Überall im Land!

Zu einem weiteren Frauenmarsch in Zürich am 18. März rufen zwei junge Frauen via Facebook auf. Sie werden von den Gewerkschaften und den Juso unterstützt.

Christiane Brunner wünscht allen Pussyhats: Toi, toi, toi!

UNTERSTÜTZUNG FÜR FRAUEN

So viel Bewegung freut eine ganz besonders: Fast-Bundesrätin Christiane Brunner. 1991 führte sie den gloriosen Schweizer Frauenstreik an («Wenn Frau will, steht alles still!») – und ging damit in die Geschichte ein. Brunner sagt: «Wie wunderbar, dass sich die Frauen wieder bewegen! Dass sie nun ausgerechnet zu Wolle und Stricknadeln greifen für ihren Protest, amüsiert mich ungemein.»

Sie könne zwar nicht stricken, sagt die ehemalige SP- und Gewerkschaftschefin, aber sie werde gerne einen Pussyhat tragen. Jedenfalls wünsche sie den jungen Frauen toi, toi, toi: «In Gedanken bin ich ganz fest bei euch!»


Die Basler Genderforscherin Katrin Meyer sagt: «Der Frauenmarsch war ein Meilenstein»

Am Reclaim-Democracy-Kongress war Meyers Workshop über Demokratie und Feminismus brechend voll. Die Frauenpower mobilisiert jetzt auch in der Schweiz.

Katrin Meyer. (Foto: ZVG)

work: Katrin Meyer, der Frauenmarsch gegen Trump in Washington war ein richtiger Volksaufstand. Wie beurteilen Sie diesen Erfolg der Frauen?
Katrin Meyer: Der Women’s March war ein Meilenstein in der Geschichte des Feminismus. Denn nun kommen die Forderungen der Frauen zusammen mit ökologischen, kapitalismuskritischen und mit antirassistischen Anliegen. Geschlechtergerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit lassen sich nicht mehr so einfach trennen. Wer für Frauenrechte einsteht, muss auch für die Rechte der Geflüchteten und der ökonomisch Ausgebeuteten einstehen.

Und diese neue Frauenbewegung entstand wegen Donald Trump?
Nein, es gibt schon seit vielen Jahren eine neue Generation von Feministinnen, die viel offener sind und sich in einem breiteren Kontext engagieren. Die ältere Generation der weissen Feministinnen hat sich ja teilweise selbst widerlegt durch ihre Islamkritik, die den weissen Nationalismus bestärkt hat und zur Rechtfertigung von Ausgrenzung und Krieg verwendet wurde. In den USA ist die neue Frauenbewegung ganz klar aus dem Black Feminism entstanden. Diese Frauen sind seit zwanzig, dreissig Jahren aktiv. Nun werden sie endlich breiter wahrgenommen. Denn Trump steht für eine Gesellschaft, die sich entsolidarisiert: America first, meine Familie first, ich first. Eine Gesellschaft kann aber letztlich nur solidarisch funktionieren.

Alle zeigen jetzt mit dem Finger auf Trump, ist die Schweizer Politik denn besser?
In der Schweiz haben wir seit zwanzig Jahren mit rechtskonservativer Politik zu tun. Wir sind eines der ersten Länder, das einen nationalistischen Rechtsrutsch erlebt hat. So haben wir nun eines der inhumansten Asylgesetze in Europa. Wir brauchen gar keine Mauer mehr zu bauen! Punkto Sozial- und Bildungsabbau sind wir auch bereits durch ein hartes Sparregime gegangen. Dabei werden besonders viele Frauen, ebenso wie Männer mit Migrationshintergrund, in die Armut getrieben.

Geschlechtergerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit lassen sich nicht mehr trennen.

Dann liegt es also auch bei uns nahe, dass Menschen und insbesondere Frauen mit und ohne Migrationshintergrund gemeinsam auf die Strasse gehen?
Unbedingt! Die Ausländerfeindlichkeit in der Schweiz ist ja unschlagbar. Inzwischen ist es in weiten Kreisen normal geworden, über Menschen ohne Schweizer Pass in herabwürdigendster Weise zu reden. Und das sind genau die gleichen Kreise, die ebenso erniedrigend über Frauen reden.

Wo sehen Sie einen Unterschied zwischen Trumps Amerika und der Schweiz?
Trump spricht alles direkt aus, den Frauenhass, den Rassismus, den Egoismus, und er wurde trotzdem oder sogar deswegen gewählt. Bei uns läuft es diskreter und vordergründig etwas zivilisierter ab, aber das ist in vielen Bereichen eine Täuschung.

* Katrin Meyer ist Privatdozentin für Philosophie und Lehrbeauftragte für Gender Studies an der Universität Basel. Den Feminismus-Workshop am Reclaim-Democracy-Kongress bot sie zusammen mit Kollegin Andrea Zimmermann an, ebenfalls Gender-Forscherin an der Uni Basel.

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