Zeit für Widerstand
Es war ein «Blick»-Artikel, wohl eher ein Werbespot über eine Beauty-Klinik für Männer. Sie scheint zu laufen wie geschmiert (Haartransplantationen, Botox, das ganze Programm).

Ohne Gesamtarbeitsverträge (GAV) wären die Lohnfortschritte der letzten 25 Jahre nicht möglich gewesen. Es waren zwar die Gewerkschaften, die wiederholt höhere Mindestlöhne ausgehandelt haben. Nur dank den GAV konnten diese Mindestlöhne dann aber auch durchgesetzt werden. Wie wichtig GAV sind, zeigt eine neue Masterarbeit der Universität Bern*. Die Arbeit hat mit Hilfe einer neuen GAV-Datenbank der Konjunkturforschungsstelle der ETH untersucht, wie sich die Mindestlöhne im Coiffeur-GAV auf die Löhne ausgewirkt haben. Dazu hat sie sich zunutze gemacht, dass Coiffeusen und Coiffeure zwischen 2007 und 2009 keinen GAV hatten. Die Unia machte damals Druck, um die Mindestlöhne anzuheben. Der Mindestlohn für Ungelernte lag 2006 noch bei beschämenden 1120 Franken (mal 12, auf eine 43-Stunden-Woche)! Weil sich die Patrons nicht bewegten, kam es zu keinem neuen Vertrag. Der alte GAV mit seinen tiefen Mindestlöhnen verlor seine Gültigkeit.
Viele Arbeitgeber nutzten in der Folge die mindestlohnfreie Zeit, um die Löhne weiter zu drücken. Das zeigt die Arbeit eindrücklich. Der Anteil der gelernten Coiffeure und Coiffeusen mit Löhnen unter 2880 Franken, dem alten Mindestlohn für Gelernte, stieg in kurzer Zeit von 5 auf 14 Prozent an (vgl. Grafik). Besserung gab es erst mit dem neuen GAV. Auf 2009 einigten sich die Gewerkschaften und die Patrons auf einen Vertrag mit besseren Mindestlöhnen. Auch der Abschluss des neuen GAV zeigte schnell Wirkung. Der Anteil der gelernten Coiffeusen und Coiffeure unter dem alten Mindestlohn sank bis 2010 wieder auf 3 Prozent.
GAV-Mindestlöhne bieten einen wirksamen Schutz gegen unten. Das gilt nicht nur für Arbeitnehmende, sondern auch für die Arbeitgeber. Ohne Mindestlöhne wird der Wettbewerb über die Löhne ausgetragen. Das schadet Betrieben, die auf Qualität setzen. In der Coiffeurbranche hat auch deshalb ein Umdenken stattgefunden. Die Sozialpartner haben die Mindestlöhne wiederholt angehoben. Heute verdienen Gelernte mindestens 4000 Franken. Das ist mehr als noch vor 15 Jahren – und trotzdem immer noch deutlich unter den 5000 Franken, die Gelernte in diesem Land eigentlich verdient hätten.
* Roth, Karin (2024): Beyond the Bargain. Collective Agreement Suspension and its Impact on Wages in the Hairdressing Industry, Masterarbeit, Universität Bern.
David Gallusser ist Ökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB).