Kolumne EUropa
Mindestlöhne: 2 : 1 für das soziale Europa!

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Regula Rytz, Delegierte bei den European Greens, ehem. Nationalrätin und Präsidentin der Grünen, Mitglied der Arbeitsgruppe Europa des gewerkschaftsnahen «Denknetzes». (Montage: work)

Viele Menschen blicken mit Sorge auf das neue Jahr. Die Krisen rücken näher, die Lebenshaltungskosten steigen. Und rechtsautoritäre Bewegungen besetzen immer mehr Raum in den Medien, in den Köpfen und in den Parlamenten. Doch die Welt ist zum Glück differenzierter als die Schlagzeilen. Auch in Europa. Trotz gegenteiligen Prognosen hat zum Beispiel bei den niederländischen Wahlen im Oktober nicht die fremdenfeindliche Rechte gewonnen, sondern die weltoffene sozialliberale Partei. Der Kampf zwischen demokratischen und autoritären Kräften wird auch die nächsten europäischen Wahlen prägen. Ob in Ungarn, Estland, Schweden, Lettland, Dänemark oder Slowenien: überall treffen 2026 ökosoziale Parteien auf rechte Abrissbirnen.

Gesunde Geschenke

Die Situation in den einzelnen Ländern beeinflusst auch die EU-Politik. Hier herrscht im Moment eine Pattsituation. In der Wirtschafts- und Umweltpolitik drohen aufgrund der rechten Agenda empfindliche Rückschläge. Doch immer wieder gelingt es, auch positive Entscheidungen durchzubringen. So zum Beispiel ein Importverbot für russisches Gas. Oder die Stärkung des Konsumentenschutzes: Pünktlich zu Weihnachten hat das europäi­sche Parlament strengere Sicherheitsauflagen für Spielzeuge beschlossen. Auch Onlineplattformen wie Amazon, Ali Express oder Temu müssen in Zukunft Produkte vom Markt nehmen, die körperliche und seelische Schäden bei Kindern auslösen können. Umweltgifte, Lärmrisiken oder Spielzeuge mit Suchtpotential werden bis 2029 Schritt für Schritt aus den europäi­schen Kinderzimmern verbannt.

Gutes Gerichtsurteil

Eine weitere positive Entscheidung hat im November der Europäische Gerichtshof gefällt. Es geht um die europäi­sche Mindestlohnrichtlinie. Dänemark hatte eine Klage gegen die Richtline eingereicht, da sie die Autonomie der nationalen Sozialpartner untergraben würde (work berichtete). Mit ähnlichen Argumenten bekämpfen auch die Arbeitgeber in der Schweiz die Mindestlöhne. Doch der Europäische Gerichtshof hatte für solche Ausflüchte kein Gehör. Am 11. November bestätigte er mit zwei Ausnahmen die Gültigkeit der Richtlinie und ebnete den Weg für fairere Löhne – ein Sieg für die Arbeitnehmenden.

Allerdings: Trotz Verbesserungen bleiben die Lohnunterschiede in Europa gross. 332 Euro betrug der Mindestlohn im Jahr 2022 in Bulgarien. In Luxemburg wurde er auf 2257 Euro festgelegt. Die Richtlinie macht keine Vorgaben über die Höhe der Mindestlöhne. Aber sie legt fest, in welchem Rahmen sich die einzelnen Länder bewegen sollen, um angemessene Lebens- und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Roland Erne, Professor für Europäische Integration und Arbeitsbeziehungen an der Universität Dublin, bezeichnete das Urteil des Europäischen Gerichtshofs deshalb als «2 zu 1»-Erfolg für das soziale Europa. Einmal mehr bestätigt sich: Wer um den Ball kämpft und gut zusammenspielt, kann auch auf schwierigem Terrain gewinnen.

Regula Rytz schreibt hier im Turnus mit Roland Erne, was die europäische Politik bewegt.

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