Noch kein Durchbruch am Verhandlungstisch
Trotz Fake News der Baumeister: Die nationale Bau-Protestwelle rollt!

Der Bau ist in Bewegung – und wie! Über 12’000 Bauarbeiter demonstrierten in den letzten Wochen für familienfreundliche Arbeitszeiten; rund 1500 Baustellen standen still. Jetzt verbreiten einzelne Meister Fake News. Und es gibt noch keinen Durchbruch am Verhandlungstisch. 

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ENTSCHLOSSEN: Bau-Büezer an der Demo in Lausanne. (Foto: Lucas Dubuis)

Es ist so weit! Der Kampf um die Baubranche ist definitiv in der heissen Phase angelangt. Schon in sieben Städten gab es Demos, in Bellinzona, Bern, Genf, Lausanne, Freiburg, La Chaux-de-Fonds und in Basel. Am Freitag folgt mit Zürich die achte Stadt. Erwartet wird abermals ein Grossaufmarsch. Schon die Tessiner Baukollegen haben gut vorgespurt: Am 20. Oktober standen im Südkanton rund 90 Prozent der «cantieri» still, und 2500 Muratori versammelten sich zu einem Protest. Dann zeigte auch Bern, dass es mehr als eine behäbige Beamtenstadt ist: Am 31. Oktober zogen 800 Büezerinnen und Büezer durch die Innenstadt, auch in Hör- und Sichtweite des Bundeshauses, und kein Kran drehte auf den gegenwärtig rund 70 Baustellen der Hauptstadt. So rigoros sei dort schon jahrelang keine Arbeitsniederlegung mehr durchgezogen worden, sagen Berner Bauleute.

Trotz Täuschungsmanövern

Eindrücklich sind auch die Zahlen aus der Romandie, wo die Protestpause gleich auf zwei Tage am Stück verlängert wurde: 7000 Maurer und Strassenbauer aus allen welschen Kantonen beteiligten sich, allein in Lausanne gingen 4000 Arbeiterinnen und Arbeiter auf die Strasse, 2000 waren es in Genf. Auch im Jurabogen hiess es auf 80 Prozent der Bauplätze: «Rien ne va plus».

Sogar bis ans Gotthardmassiv brandete die Protestwelle, genauer bis an die bergmännischen Portale der künftigen zweiten Strassenröhre: Sowohl in Göschenen als auch in Airolo verschränkten am 4. November die Mineure und Tunnelbauer ihre Arme. Am Furkatunnel herrschte tags darauf eine so grosse Streikangst unter den Chefs, dass sie präventiv die Polizei bestellten. Doch ausser Spesen nichts gewesen. Letzten Freitag zogen schliesslich auch die Bauleute beider Basel und des Aargaus nach. Und das, obwohl dort in vielen Betrieben ein Klima der Angst herrschte. Die Unia hat eine lange Liste mit Aussagen von Büezern erstellt. Alle berichten von massiven Druckversuchen und Täuschungsmanövern. Ein Polier aus Kaiseraugst etwa sagte:

Vor dem Protesttag sollten wir gegenüber den Gewerkschaftern behaupten, wir würden nicht arbeiten, um sie zu täuschen. Dann sollten wir erst um 9.30 Uhr anfangen.

Oder ein Arbeiter aus dem Baselbiet:

Wir mussten uns vor Arbeitsbeginn in zwei Reihen aufstellen: Wer am Protest teilnehmen will, nach rechts – wer nicht, nach links. Das war reine Einschüchterung.

Erfundene Baseballschläger

Doch der Plan schlug fehl. In allen drei Kantonen ruhte ein Grossteil der Baustellen, 1000 Berufsleute demonstrierten. Mit manchen Meistern ging deshalb die Phantasie durch.

«Dutzende Vermummte stürmten Baustelle mit Baseballschlägern.» So zitierte die «Basler Zeitung» Daniel Allemann, den Basler Baumeisterpräsidenten. Die lokale Unia dementierte sofort, es handle sich um einen «hilflosen Versuch, den Prostest der Bauarbeiter zu diskreditieren». Auch die Kapo Basel-Stadt hat keine Baseballschläger gesichtet, überhaupt sei während des ganzen Tages «keine Intervention erforderlich» gewesen. Jetzt gibt auch Allemann zu:

Einen Baseballschläger habe ich selbst nirgends gesehen.»

Auch Beweisfotos habe er keine. Die Info habe ihm eine Mitgliedsfirma zugetragen. Gerne hätte work direkt nachgefragt. Doch Allemann will partout nicht sagen, wer die angeblichen Schläger gesichtet hat. Zudem fällt auf: Drei Tage später wiederholt Allemann seine Behauptung im Radio SRF. Doch nun sollen die Unia-Leute plötzlich «mit Stöcken bewaffnet» gewesen sein. Wieder bleibt Allemann jeden Beweis schuldig.

Das ist die ganze Geschichte

Was wirklich geschah: Die Bauleute schwenkten Unia-Fahnen (mit Fahnenstangen!). Zu einer brenzligen Situation kam es aber tatsächlich: Auf einer Basler Grossbaustelle hatte ein Polier seine gesamte Mannschaft in einen Pausenraum eingesperrt! Das führte zu riesiger Empörung unter Kollegen, die ihre Arbeit niedergelegt hatten. In der Folge kam es auf der Baustelle zu einigen Sachbeschädigungen. «Wir bedauern diesen Vorfall», sagt Unia-Bauchef Nico Lutz dazu. Doch man müsse auch die Relationen sehen. «In den letzten Wochen standen rund 1500 Baustellen still, und nirgends sonst ist es zu solchen Konflikten gekommen.» Juan Gomez, Bauarbeiter und Präsident der Unia-Baugruppe Aargau-Nordwestschweiz, sagt:

Wir verurteilen die Freiheitsberaubung von Basel aufs schärfste, es handelt sich um eine unzulässige Einschüchterung von Arbeitnehmenden, die ihr verfassungsmässiges Recht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen wollten. Das rechtfertigt aber keine Eskalation auf der Baustelle.

So viel zum Arbeitskampf. Doch was passiert am Verhandlungstisch?

Die ursprünglich geplanten fünf Verhandlungsrunden verliefen bekanntlich ergebnislos. Und der Baumeisterverband (SBV) brauchte für weitere Gespräche zuerst ein Mandat seiner Delegierten. Dieses wurde ihm nun erteilt, weshalb es letzten Montag endlich weiterging. Es gibt sowohl Fort- wie auch Rückschritte. Bei den Punkten bezahlte Reisezeit und Znünipause gibt es Vorschläge einer gemeinsamen technischen Arbeitsgruppe, aber noch keine Lösung. In anderen wichtigen Punkten macht die SBV-Spitze weiter auf stur. Oder verdreht die Realität: Man sei verschiedentlich «kompromissbereit», behauptete der SBV schon Ende Oktober. Tatsächlich hatte er bloss seine Verschlechterungsvorschläge leicht abgeschwächt. Ein Beispiel: Ursprünglich wollten die Meister den Kündigungsschutz ab 55 Jahren abschaffen. Dann merkten sie, dass sie damit nie durchkommen würden – und präsentierten als «Kompromiss» einen Kündigungsschutz neu ab 60. Absurd. Denn dann beginnt das Rentenalter!

Das Angebot der Gewerkschaften

Sogar unverändert sind einige der extremsten SBV-Positionen: Nach wie vor will er die Mindestlöhne für junge Fachkräfte bis fünf Jahre nach der Lehre um bis zu 25 Prozent unterschreiten. Damit würde eine gelernte Fachkraft weniger verdienen als ein Hilfsarbeiter ohne einen Tag Erfahrung! Doch auch Bauarbeiter ohne Fachkenntnisse (Kategorie C) sollen bluten. Sie sollen künftig nach drei Jahren nicht mehr automatisch in die Lohnklasse B (mit Fachkenntnissen) steigen. Beides ist für die Gewerkschaften ein No-Go.

Um rasch zu einer Lösung zu kommen, machten Unia und Syna am Montag ein Angebot: Verlängerung der Sitzung bis in den späten Abend hinein und Weiterverhandlung schon am Folgetag. Doch die Meister lehnten ab. Morgen sind deshalb alle Augen auf Zürich gerichtet. Um 12.30 Uhr beginnt der Marsch der Bauleute.

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