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Warum ist die Aufregung über die Juso-Initiative so gross?

Mit ihrer Initiative wollen die Juso die Super­reichen besteuern, wenn sie erben. Und dieses Geld benützen, um mehr gegen den Klimawandel zu ­machen. Sollte die ­Initiative über 35 Prozent der Stimmen holen, gilt auch international: Reiche, hört die Signale!

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Die Superreichen besteuern und das Klima retten: Die ­Juso-Initiative ist Zuckerwasser verglichen mit dem, was Linke und ­Gewerkschaften etwa in Frankreich fordern. (Foto: Keystone)

Am 30. November entscheidet das Schweizer Stimmvolk darüber, ob Erbschaften über 50 Millionen endlich besteuert werden. Das fordert eine Initiative der Juso. Und die NZZ schiesst jeden Tag aus allen Rohren dagegen. Dabei ist die Initiative verglichen mit dem, was linke Ökonomen in Frankreich oder die Linke in Deutschland fordern, mehr als brav.

Die neuen Erbschaftssteuern würden nur Erbinnen und Erben betreffen, die ein ausgewiesenes Vermögen von mehr als 50 Millionen erben. Faktisch geht es, da die Treuhänder bei nicht börsenkotierten Unternehmen immer tiefstapeln, um Unternehmensvermögen von über 100 Millionen Franken. Das heisst: Die ersten 100 Mil­lionen Franken werden nicht besteuert. Nur was über diesem Betrag liegt, würde mit 50 Prozent besteuert.

Bedeutet: Kleine und mittlere Unternehmen wären gar nicht betroffen, weil sie gar nicht so viel Kapital anhäufen konnten. Das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» veröffentlicht jedes Jahr die Liste aller Personen, die mehr als 100 Millionen Franken Vermögen haben. Ihr gesamtes Vermögen liegt irgendwo zwischen 300 und 400 Milliarden Franken.

Kopfrechnen: Wenn von den 300 Steinreichen jedes Jahr 15 sterben, würden rund sechs bis sieben Milliarden Steuern ­anfallen. Das ist der Betrag, den die Juso berechnen liessen.
Der Grossteil der Super­reichen in der Schweiz sind Ausländerinnen und Ausländer, die ihre Vermögen und Einkommen nur pauschal versteuern, weil sie in der Schweiz angeblich keiner Arbeit nachgehen. Was heisst das? Dass diese Sofa-Millionärinnen und -Milliardäre nicht gleich viel Steuern bezahlen müssen wie Schweizer Reiche, sondern nur etwa einen Viertel davon. Sie sparen somit, was ihre Erbinnen und Erben bezahlen würden. Von daher werden die meisten nicht aus der Schweiz wegziehen. Umso mehr, als dass kein Land auf der Welt für die Superreichen sicherer ist als die Schweiz.

Ratenzahlung

Initiativen werden nie so heiss umgesetzt wie vorgekocht. Die SP, die Mutterpartei der Juso, zeigt auf, wie die Initiative unternehmensfreundlich umgesetzt werden kann. Wenn Familienunternehmen sich nicht bei den Banken verschulden wollen, können sie den Steuerbetrag innert 15 Jahren in Raten abstottern. Unternehmerfreundlicher geht es fast nicht mehr!

Zwei Dinge überraschen mich trotzdem: Erstens wird die Initiative so oder so abgelehnt. Sie wird irgendwo zwischen 30 und 40 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Denn wir wissen: Wer in der Schweiz Veränderungen will, muss mehrere Anläufe unternehmen, wie die AHV und das Frauenstimmrecht belegen. Aber alles über 35 Prozent Ja-Stimmen wäre schon ein starkes Signal.

Zweitens ist genau deshalb die Aufregung so gross: Denn international und national wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer grösser. US-Präsident Trump praktiziert bisher recht erfolgreich einen staatsrassistischen und staatsmonopolitischen Kapitalismus, der den Reichen und Superreichen dient.

New York erwacht

Der Trump-Staat macht die Superreichen also noch reicher. Vor allem jene Tech-Milliardäre, die ihm die Füsse küssen. Wer nicht schleimt, wird bedroht. Das gilt selbst für die Sieben-Millionen-City New York, die jetzt trotzdem den Sozialisten Zohran Mamdani zum Bürgermeister gewählt hat. Die Stadt, die angeblich nie schläft, ist politisch erwacht. Dennoch: Die Konzentration von Vermögen in den Händen immer weniger wird sich national und inter­national beschleunigen. Dies, weil nur wenige die Zerschlagung, die Kontrolle oder die Verstaatlichung der Monopole dieser Tech-Milliardäre fordern.

Von daher ist die Juso-In­itiative nur ein Tropfen auf den heissen Stein des Neoliberalismus. Aber besser ein Tropfen als kein Tropfen. Denn die Juso möchten das Geld, das die reichen Erbinnen und Erben bezahlen, benützen, um mehr gegen den Klimawandel zu machen. Auch weil die Reichen pro Kopf die Umwelt viel mehr belasten als alle anderen.

Links zum Thema:

  • rebrand.ly/ungleichgewicht
    Der Schweizer Ökonom Ruedi Meier hat auf 44 Folien zusammengestellt, was den aktuellen Wissensstand in Sachen Ausmass und Entwicklung der Einkommen und Vermögen betrifft. «Die Top 10 Prozent der Weltbevölkerung besitzen 76 Prozent des Vermögens, die untersten 50 Prozent nur 2 Prozent.» Nachlesen lohnt sich!
  • rebrand.ly/joseph-stiglitz
    Der US-Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz ist jetzt 82 Jahre alt. In der österreichischen «Kronen­zeitung» hält er fest: «Derzeit gibt es drei grosse Gefahren. Wenn wir die Umwelt nicht regulieren, bedeutet das einen Klimawandel, der existentiell ist. Ohne Regulierung des Wettbewerbs entstehen Monopole, das sehen wir bereits. Und ohne Regulierung der sozialen Medien entsteht eine polarisierte Gesellschaft mit einem verunreinigten ­Informationsökosystem. Das wiederum führt zu sozialer Erosion.»

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