Europas höchster Baugewerkschafter Bruno Bothua
«Auf europäischen Baustellen sterben jeden Tag 2 bis 3 Arbeiter»

Mörderische Konkurrenz, Missbrauch, Lohndumping: Bruno Bothua spricht im Interview über seinen Kampf gegen die Subunternehmen. Und wie die Gewerkschaften in Europa zu einem Bollwerk gegen den Rechtsextremismus werden müssen.

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BRUNO BOTHUA AM UNIA-KONGRESS: «Die vielen Subunternehmen auf Baustellen erhöhen die Risiken für die Bauleute massiv.» (Foto: Manu Friederich)

Herr Bothua, Sie waren am Unia-Kongress in Brig. Wie war das für Sie?
Bruno Bothua: Es ist wichtig, dass wir als Gewerkschaften innerhalb der EU gegen Lohndumping und Missbrauch zusammenspannen. Besuche in der Schweiz sind eine gute Gelegenheit, um zu sehen und zu besprechen, wie Lohnkontrollen funktionieren können. Meine Rede hielt ich nach einem Film über die historische Katastrophe in Mattmark, bei der 88 Menschen starben. Arbeitsrechte und die Arbeitssicherheit auf Baustellen sind keine Selbstverständlichkeit, und wir Gewerkschaften haben hier auch heute eine enorme Aufgabe.

Wie steht es derzeit um die Arbeitssicherheit auf Baustellen in Europa?
Auf europäischen Baustellen sterben täglich 2 bis 3 Arbeiterinnen und Arbeiter. Frankreich ist in der ganzen EU das zweitgefährlichste Land für Bauarbeiter, fast täglich stirbt hier jemand. Das wollen wir unbedingt ändern. Jeder Tote ist einer zu viel.

Und wie können diese Unfälle verhindert werden?
Die vielen Subunternehmen auf Baustellen erhöhen die Risiken für die Bauleute massiv. Beim Ausbau der Métro in Paris, der zurzeit grössten Baustelle in Frankreich, gab es in der ersten Bauphase fünf Tote. Vor zwei Jahren konnten wir eine neue Regelung durchsetzen, die maximal zwei Subunternehmen in der Auftragskette zulässt. Seither gab es keine Todesfälle mehr. Mit den Subunternehmen hat man die Arbeitsrechte systematisch ausgehöhlt, und am Ende trägt niemand mehr die Verantwortung.

Welche sonstigen Herausforderungen stellen sich derzeit für die europäische Gewerkschaftsbewegung?
Neben der Arbeitssicherheit und dem Kampf gegen Lohndumping beschäftigt uns vor allem der Kampf gegen den Rechtsextremismus. Da geht es um den Schutz all unserer Rechte. Arbeitsrechte, aber auch demokratische Rechte, Frauenrechte, Schutz von Minderheiten. In vielen europäischen Ländern haben die rechtsextremen Parteien starke Zugewinne, das macht uns grosse Sorgen, und da müssen wir dagegenhalten.

Welche Mittel haben die Gewerkschaften gegen den Rechtsextremismus?
An erster Stelle steht die Bildung. Damit wir Zugang zu den Leuten haben, brauchen wir Mitglieder, die ihre politischen Erfahrungen weitergeben können. Es geht darum, die Lügen der Rechtsextremen aufzudecken. Sie erzählen, dass sie das Pensionsalter 60, höhere Löhne und Löhne für Hausfrauen wollten. Aber wenn es um die konkrete Politik geht, dann stimmen sie dagegen: gegen bessere Löhne, gegen ein tieferes Pensionsalter, gegen Migrantinnen und Migranten. Es ist also purer Populismus, mieser Populismus. Doch viele Leute lassen sich von diesen falschen Versprechen überzeugen.

Was braucht es, damit Gewerkschaften nicht nur im Abwehrkampf sind?
Wenn wir heute wieder träumen wollen, müssen wir uns auch am globalen Süden orientieren. Zum Beispiel an Ländern wie Brasilien, wo Lula die Arbeiterinnen und Arbeiter für sich gewinnen konnte und den rechten Präsidenten Jair Bolsonaro besiegte. Das neue Lieferkettengesetz der EU ist auch ein gewerkschaftlicher Erfolg und zeigt, dass wir in Europa politische Mehrheiten für Fortschritte schaffen können. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Fortschritte in der Form von ausreichenden Löhnen, sozialem Schutz und Wertschätzung bei den Leuten und unseren Mitgliedern ankommen.

Zur Person

Bruno Bothua (57) ist Präsident der Europäischen Gewerkschaftsföderation der Bau- und Holzarbeiter (EFBWW) und langjähriger Generalsekretär des Sektors Bau bei der französischen Gewerkschaft CGT. work hat ihn am Unia-Kongress in Brig getroffen.

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