Nach Drei-Länder-Treffen in Bern:
Baufrauen sagen Sexismus den Kampf an!

Fünfzig Bau- und Holzarbeiterinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben am Samstag an der Baufrauen-Tagung in Bern teilgenommen – und eine Offensive gegen sexuelle Belästigung gestartet.

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STOPP SEXUELLE BELÄSTIGUNG: Protestaktion der Baufrauen am Bahnhof Bern, mit dabei auch Unia-Präsidentin Vania Alleva (zweite v.r.). (Foto: jun)

Beissendes Aerosol statt frischer Luft. Das roch, wer am Samstag auf dem Gurten war. Auf dem Berner Hausberg tagten nämlich rund fünfzig Bau-Gewerkschafterinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Und sie tagten nicht nur, sondern sie sprayten auch: zwei fette Transparente, die am Schluss komplett in Lila, Blau, Rot und Pink erstrahlten. Auf einer weissen Aussparung war zu lesen: «Stopp sexuelle Belästigung». Die Parole war zugleich das Haupttraktandum der Drei-Länder-Konferenz, die heuer zum zehnten Mal stattfand und von der Unia organisiert wurde.

work war dabei und hat mit den Baufrauen über ihre Erlebnisse gesprochen. Ihre Geschichten gehen unter die Haut. Schreinerin Erika Rohrbach (39) etwa erzählt:

Einmal hat mich ein Chef wirklich einfach direkt gefragt: ‹Hey, wie wäre es, wenn wir beide …› Ich habe Nein gesagt, doch am nächsten Tag war schon die Kündigung da!

HATTE GENUG: Schreinerin Erika Rohrbach. (Foto: jun)

Sprüche oder unerwünschte Berührungen seien für sie auf Baustellen sogar fast Alltag gewesen. Deshalb habe sie sich irgendwann ins Büro versetzen lassen. «Auf draussen hatte ich so einfach keinen Bock mehr.» Und: Längst ist bekannt, dass Rohrbach alles andere als ein Einzelfall ist.

Petition mit vier klaren Forderungen

Eine Unia-Umfrage von 2023 zeigt den Handlungsbedarf deutlich: Rund die Hälfte der befragten Baufrauen in der Schweiz haben bereits sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt, ein Viertel sogar sexualisierte Gewalt. So dürfe es nicht weitergehen, sagt auch Unia-Gewerbeverantwortliche Bruna Campanello (50):

Sexuelle Belästigung auf dem Bau ist ein Riesenproblem, und es wird noch viel zu wenig dagegen gemacht.

Das sei nicht nur ein Affront gegenüber den weiblichen Berufstätigen, sondern auch dumm aus Sicht der Arbeitgeber, die ja alle händeringend nach Personal suchten. «Wer mehr Frauen für Bauberufe gewinnen will, muss eine Willkommenskultur im Bauhaupt- und Ausbaugewerbe schaffen», so Campanello. Firmen und Behörden seien zudem gefordert, Betroffene von sexueller Belästigung, sexualisierter Gewalt und Mobbing rechtlich, psychologisch und praktisch zu unterstützen. Die Berner Baufrauen-Konferenz wollte es aber nicht beim Kritisieren belassen, sondern beschloss, selbst tätig zu werden.

Während einer Protestversammlung am Bahnhof Bern lancierten die Baufrauen auch eine Onlinepetition (hier unterzeichnen). Diese richtet sich an Arbeitgeber, Verbände und den Gesetzgeber und verlangt: klare Regeln, verpflichtende Schulungen, eindeutige Ansprechpersonen bei Übergriffen sowie Sanktionen bei Verstössen.

Schweiz erneut Schlusslicht Europas

Die Baufrauen kritisierten ausserdem das Schweizer Gleichstellungsgesetz. Dieses verbiete zwar Diskriminierung und sexuelle Belästigung, doch den Betroffenen biete es keine wirksamen Mittel, um sich erfolgreich gegen übergriffige Kollegen, Vorgesetzte oder Kunden zu wehren. Das Gesetz müsse dringend verbessert werden. Zudem fordern die Frauen, dass die Schweiz endlich die ILO-Konvention Nr. 190 «über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt» von 2021 ratifiziert. Fast alle übrigen westeuropäischen Länder und viele amerikanische, asiatische und afrikanische Länder haben die Konvention längst ratifiziert. In der Schweiz aber steckt sie seit bald zwei Jahren unberührt im parlamentarischen Prozess fest. Der Unwille, zu handeln, zeigt sich auch sonst: Eine Motion von SP-Nationalrätin Valérie Piller Carrard (47) verlangte 2022, die Prävention gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz in der beruflichen Grundbildung zu verankern. Eine SVP-FDP-Mitte-Mehrheit wollte davon jedoch nichts wissen und schickte das Geschäft bachab. 

Diese Ignoranz sorgte an der Baufrauen-Konferenz in Bern für reichlich Empörung. Bauleiterin Rita Zürcher (64) etwa sagte:

Dass es heute immer noch so ist, dass Frauen nicht ungestört arbeiten können, sondern sich ständig dumme Sprüche anhören müssen, ist wirklich erschreckend. Dass da die Motion im Bundeshaus nicht weiterbearbeitet wird, finde ich skandalös.

WEHRT SICH: Bauleiterin Rita Zürcher. (Foto: jun)

Es zeige aber auch eines deutlich: «Es braucht den Druck der Strasse!»

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