Walzenführer Emmanuel Trüeb (27) über die Forderungen der Baumeister:
«Jo, schliift’s eigetli!?»

Dem Bau laufen die ­Leute davon, Stress und ­Risiken steigen abermals. Der Ausweg aus dem ­Teufelskreis? Liegt auf der Hand, sagt Strassenbauer ­Emmanuel Trüeb.

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EIN BÜEZER AM VERHANDLUNGSTISCH: Strassenbauer Emmanuel Trüeb ist Teil der Delegation,
die mit den Baumeistern den neuen LMV aushandelt. (Foto: Raja Läubli)

Emmanuel Trüeb ist kein Mann der hochtrabenden Worte. Der gelernte Strassenbauer aus Dietlikon ZH spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. «Jo, schliift’s eigetli!?» entfährt es ihm auf die Frage, was er über die Baumeisterpläne zur Abschaffung des Samstagzuschlags hält. Und: «Ich habe den Herren gleich gesagt, damit könnt ihr abfahren, das wird nie im Leben funktionieren!» Trüeb fadengrad. Der Kritiker, der selbst vor den Chefs kein Blatt vor den Mund nimmt. Aber Trüeb ist auch ein leidenschaftlicher Berufsmann, einer mit Stolz, der sagt:

Strassenbauer ist eigentlich ein megaschöner Beruf – und die Teams sind oft wie Familien!

Die ­organisierten Bauleute der Unia fanden jedenfalls Gefallen am jungen Kollegen. Und wählten ihn in die Verhandlungsdelegation, die jetzt mit den Meistern einen neuen Landesmantelvertrag (LMV) ausmarchen soll. Als «einfacher Büezer» in der hohen Vertragspolitik, das sei schon speziell, sagt Trüeb. Aber auch wichtig, denn er weiss aus unmittelbar eigener Er­fahrung, wie es draussen zu- und hergeht. Wie also steht’s um den Bau?

«Schlechtwetter gibt’s nicht»

Die Fakten lägen ja schon lange auf dem Tisch, sagt Trüeb, und sie glichen sich seit Jahren: «Oben volle Auftragsbücher, immer mehr Baugesuche, fette Umsätze.» Doch unten, da gehe die Rechnung immer weniger auf. Die Stimmung in den Equipen sei mittlerweile richtig angespannt. Der Grund: Stress, Personalmangel, lange Arbeitstage. Und dies seien alles Faktoren, die sich gegenseitig bedingten und noch multiplizierten. War das denn nicht immer so? «Doch», meint Trüeb, «aber es hat sich enorm verschärft.» Das spüre selbst er mit seinen erst zehn Jahren Erfahrung, davon die letzten fünf als Walzenführer. «Wie öffnet man ein Bier mit dem Meter: Das war das erste, was man mir beigebracht hat, als ich damals begann.» Er wolle nicht den Alkoholmissbrauch schönreden, aber heute herrsche eine Hektik, die ebenfalls ungesund sei. «Es heisst nur noch, ihr müsst fertig werden. Und Schlechtwetter gibt’s erst recht nicht mehr!»

Bitte, was? Die Rede ist von der Einstellung der Arbeit bei Wind, Starkregen, Ex­tremhitze oder Schnee. Trüeb sagt:

Als ich noch frisch auf dem Bau war, hatten wir mal einen Winter, da war ich auf dem Kipper nur noch am Driften, so viel Schnee lag da. Als der Polier mich so gesehen hat, brach er die Übung ab, und wir konnten alle heim.

Heute gebe es so was kaum noch, denn auch die Poliere stünden unter immer höherem Druck. Von den Bauführern, die wiederum penible Kundschaft im Nacken hätten.

Nacht im Budenkarren

Gerade im Strassenbau seien Arbeitsunterbrüche nicht gern gesehen. Trüeb erklärt: «Wenn du einen Deckbelag asphaltierst und dann mittendrin die Maschine zusammenpackst, hinterlässt das immer eine Fuge auf der Strasse. Das sieht kein Kunde gern.» Deshalb heisse es oft einfach: Durchziehen! Trüeb gibt ein Beispiel:

Einmal haben wir um 7 Uhr morgens angefangen und bis 1 Uhr nachts durchgemacht; dann durften wir pennen, zu viert im Budenkarren, und am nächsten Tag ging’s von neuem los.

Bei den Jungen sinke die Bereitschaft zunehmend, sich unter solchen Bedingungen zu verheizen. Zu Recht, findet Trüeb. Tatsächlich zeigen Zahlen des Baumeisterverbands: Noch 2010 war fast jeder fünfte Bauarbeiter unter 30jährig. Heute hat sich diese Altersgruppe mit 10 Prozent fast halbiert. Da gleichzeitig die Babyboomer in Pension gehen, verschärft sich der Fachkräftemangel zusätzlich. Und das sei lebensgefährlich, sagt Trüeb.

«Alle den Finger rausnehmen»

«Wir brauchen Leute mit Erfahrung, sonst wird es schnell kritisch.» Insbesondere bei Wetterumschwüngen. «Plötzlicher Regen beim Asphaltieren heisst Stress pur, denn Asphalt kühlt schnell ab.» Das sei eine heikle Situation, zumal man oft mitten im Strassenverkehr oder neben Fussgängern arbeite. Und weil eine Walze viele tote Winkel habe. Was passieren kann, habe jüngst ein Kollege miterlebt:

Im Stress kam ein Lehrling unter die rückwärts fahrende Walze. Er war sofort tot, der Fahrer auf seinen 27 Tonnen hat es nicht einmal bemerkt.

Der blanke Horror sei das für alle Anwesenden gewesen. Und erst recht für die Angehörigen. Trüeb graut es davor. Und sagt deshalb: «Bei unsicherem Wetter sollte man uns gar nicht mehr einplanen.» Klar sei auch, dass es jetzt substantielle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen brauche. «Um neue Leute anzuziehen, die Profis zu halten, aber auch um unsere Arbeit zu würdigen.» Denn eines sei klar: «Wir können uns schützen, wie wir wollen, unsere Gesundheit opfern wir ja doch, mit sechzig sind wir durch!»

Doch Trübsal blasen mag Trüeb nicht. Zumal die Lösung auf der Hand liege. «Es braucht einfach menschlichere Arbeits­zeiten, damit man noch was hat vom Leben und der Familie.» Eine solche nämlich will Trüeb auch einmal gründen. Noch wüsste er nicht, wie er das mit seinem Job vereinbaren sollte. Zu viel Samstagsarbeit und zu lange Arbeitstage mit anschliessenden Staustunden im Feierabendverkehr. Immerhin: Trüeb hat bereits Angebote aus anderen Branchen erhalten. Attraktiv seien diese durchaus. Aber noch glaube er an ­einen möglichen Wandel. Und an die Kraft der vereinigten Bauleute. Trüeb sagt: «Die Probleme sehen alle, motzen tun auch alle, jetzt müssen einfach auch alle den Finger rausnehmen. Ich bin parat!»

Das fordert die Unia:

  • Generelle Lohnerhöhungen und die ­Einführung des automatischen ­Teuerungsausgleichs.
  • 8-Stunden-Tag und Verdoppelung der Zuschläge für die ausufernde Samstagsarbeit.
  • Eine bezahlte Znüni-Pause, wie sie in anderen Branchen längst Standard ist.
  • Voll bezahlte Reisezeit vom Betrieb zur Baustelle. Heute zählt diese nicht zur ­Arbeitszeit, und eine halbe Stunde pro Tag wird gar nicht bezahlt, was dem Gesetz widerspricht.
  • Hitzefrei ab 33 Grad, falls die Baustelle nicht beschattet werden kann.

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