Traditionsbetrieb Schär  &  Trojahn an die Wand gefahren
Büezer warten auf ihre Löhne – und die Verwaltungsräte tauchen ab

Die Berner Traditionsbude Schär & Trojahn ist in der Branche eine bekannte Grösse. Trotz vollen Auftragsbüchern steht die Firma vor dem Aus. Alles deutet darauf hin: Mit dem Geld des Betriebs wurde gepfuscht. 

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Es gleicht einem Krimi, was sich in den vergangenen Tagen beim Natursteinbetrieb Schär & Trojahn in Niederwangen BE ereignete: Die Auftragsbücher der Traditionsfirma sind voll, die Büezer leisten Überstunden, der Betrieb läuft scheinbar ganz normal. Doch dann platzt die Bombe: Einen Tag bevor die Arbeiterinnen und Arbeiter ihren Septemberlohn erhalten hätten, werden sie informiert: Die Firma ist pleite. Für die Büezer ein Riesenschock. Pedro Held (60), im Betrieb Pesche genannt, sagt zu work: «Am Anfang dachte ich mir einfach nur: Das kann ja nur ein schlechter Witz sein! Aber es war leider kein Witz.» Der Monteur hat sich seine letzten Jahre vor der Pensionierung entspannter vorgestellt.

Wie es zu diesem Desaster kommen konnte, ist noch unklar. Auffällig ist aber: Zehn Tage vor dieser Hiobsbotschaft zogen sich der Verwaltungsratspräsident Marc Hagmann und der Vizepräsident Beat Zaugg aus dem Unternehmen zurück. Im Raum steht der Vorwurf der Misswirtschaft, was rechtlich noch zu klären ist. Dass die Firma jedoch in millionenhohen Schulden steckt, ist heute schon klar. Salvatore Calabretta (52) ist sein halbes Leben bei Schär & Trojahn in der Werkstatt tätig. Bereits sein Vater hat hier gearbeitet, und seine Mutter hat den Betrieb jahrelang gereinigt. Er sagt:

Diese Botschaft war eine richtige Bombe. Alle Mitarbeiter in der Werkstatt wissen, was wir hier tagtäglich produzieren. Zu hören, dass wir jetzt zahlungsunfähig sind, ist für uns unvorstellbar.

EINE BELEGSCHAFT IM STREIK: Die Büezerinnen und Büezer wehren sich gegen die Herren, die das Unternehmen in den Abgrund gewirtschaftet haben. Auf dem Foto, das sie hochhalten, ist der verstorbene Patron Rolf Trojahn zu sehen, der sich stets für seine Belegschaft eingesetzt hatte. (Foto: Manu Friederich)

Zu Gründerzeiten Anfang des 19. Jahrhunderts stand noch kein Verwaltungsrat hinter der Firma. Auch nicht unter dem letzten, von den Büezern hochgeschätzten Patron Rolf Trojahn. Vor seinem Tod 2018 legte er das Schicksal seiner Firma in die Hände von Verwaltungsratspräsident Hagmann. Dieser versprach, Sorge zum Unternehmen zu tragen. Das Resultat: der Bankrott.

Selbstorganisation führt zum Streik

Vergangenen Mittwochmorgen wurde die Belegschaft über die Zahlungsunfähigkeit informiert, am selben Tag fand eine Personalversammlung statt. Kurzerhand wurde ein Streiktag beschlossen. Pikant: Der Geschäftsführer Anthony Minger ist seit diesem Tag krank geschrieben. Ohne Geschäftsführer hat die Firma keine Leitung mehr, und die Büezerinnen und Büezer sind somit auf sich selbst gestellt.

Für den Streiktag haben die Büezer zwei Grabsteine für die Ex-Verwaltungsräte Zaugg und Hagmann gemeisselt. Sie stehen symbolisch für den Untergang von Schär & Trojahn. Am Freitagmorgen um 7.00 Uhr stehen die Maschinen in der Werkstatt still. Der Betrieb ist lahmgelegt, draussen werden Transpis und Absperrbänder montiert. 

SYMBOLISCH: Ein Grabstein für das Traditionsunternehmen. (Foto: dak)

Für Giovanni Greco (34) ist das eine belastende Situation: «Das ist das erste Mal, dass ich einen Streik miterlebe. Für mich ist das eine emotionale Angelegenheit. Die Bude mit Absperrband dichtzumachen hat mich sehr getroffen.» Greco kennt die Firma in- und auswendig. Sein Onkel und sein Vater haben hier gearbeitet, als kleiner Bub hat er sie oft bei der Arbeit besucht. Er und seine Arbeitskollegen, das sei mehr als ein gewöhnliches Team. Sie sind eine grosse Familie. «Ich hätte es nie geglaubt, dass einer Bude wie Schär & Trojahn das Geld ausgehen kann. Diese Bude war mächtig, wir waren schweizweit bekannt. Und jetzt ist alles kaputt», so Greco.

UNÜBERSEHBAR: Die Mitarbeiter schmücken das Areal mit Transpis und Fahnen. (Foto: Manu Friederich)

Null Franken Einkommen

Mit den Grabsteinen im Gepäck machen sich die Büezerinnen und Büezer auf den Weg zu Zaugg und Hagmann. Sie wollen die Herrschaften zur Rede stellen. Denn auch in diesem Monat müssen sie Miete, Krankenkasse, Essen, Steuern und vieles mehr bezahlen. Mit null Franken Einkommen unmöglich. Architekt und Ex-Verwaltungsrat Beat Zaugg ist zwar im Büro, zeigt sich aber erst nach einem hektischen Hin und Her verhandlungsbereit. Er setzt sich mit drei Büezern an einen Tisch.

ARCHITEKT MIT HUND: Beat Zaugg zeigte sich kurz der Belegschaft, eine Einigung gab es aber nicht. (Foto: dak)

Danach geht’s zu Hagmanns Büro. Dort heisst es, er sei in den Ferien. «Sünnele», aber die Büezer im Regen stehen lassen! Den Grabstein deponieren sie vor der Türe seines Treuhandbüros.

MARC HAGMANN IST NICHT DA: Der Treuhänder sei in den Ferien. (Foto: dak)

Über ihren Anwalt lassen Zaugg und Hagmann ausrichten: Am Untergang der Traditionsfirma tragen sie keinerlei Verantwortung. Und, an Zynismus kaum zu überbieten, sie betonen, dass für sie das Wohl der Firma und der Mitarbeitenden im Mittelpunkt stehe. Nicht sehr glaubwürdig, wenn sie 40 Mitarbeitende ohne Lohn in eine existenzbedrohliche Lage bringen. 

«Alles für Nichts»

Einzelschicksale, wie jenes von Nico Shabani (49), sind den Bossen egal. Shabani ist seit 34 Jahren bei Schär & Trojahn tätig. Als 15jähriger hat er hier eine Anlehre gemacht, sich stetig weitergebildet. Und wurde zum festen Bestandteil der Firma. Er sagt:

Ich bin fassungslos, was hier passiert. Ich bin Vater von vier Kindern und muss jetzt nach vorne schauen!

Am Sonntag hat er seine Kündigung geschrieben. Beim Unterschreiben haben seine Hände gezittert. Das erste Mal in seinem Leben wechselt er den Arbeitgeber, das wird eine schwierige Umstellung für ihn. «Ich habe immer mit viel Freude krampfet – und jetzt war das alles für nichts», sagt er.

WIE WEITER? Die Mitarbeitenden besprechen mit der Unia das weitere Vorgehen. (Foto: Manu Friederich)

Laut Alain Gysi, Co-Leiter der Unia-Sektion Bern, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Konkurs für Schär & Trojahn eröffnet wird und sich ein Sachverwalter ein genaues Bild von der finanziellen Situation machen kann. Die Gewerkschaft bietet den geprellten Büezern ihre Unterstützung, wo sie kann. Viele von ihnen suchen so schnell wie möglich einen neuen Job.

Wer sind diese Geschäftsmänner?

Marc Hagmann ist Treuhänder in Bern. Neben seinem eigenen Treuhandbüro ist er bei zehn weiteren Firmen involviert, darunter die bekannte Mattelift in Bern. In der Berner Altstadt hat Hagmann schon einmal gewütet: Als Inhaber hat er das Restaurant Krone im Herbst 2024 ebenfalls in den Konkurs getrieben, fünf Angestellte standen von einem Tag auf den anderen ohne Job da, wie die «Der Bund» berichtete. 

Beat Zaugg ist Architekt in Bern. Er sitzt im Architekturbüro Ramseier + Stucki in der Geschäftsleitung sowie im Verwaltungsrat. Daneben hat er noch Verwaltungsratsposten in vier weiteren Firmen. (dak)

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