Grosse Lohnlücke: Arbeitnehmende kriegen zu wenig
Die Arbeitnehmenden in der Schweiz werden leistungsfähiger. Sie erarbeiten in der gleichen Zeit immer mehr Waren und Dienstleistungen.

Die Arbeitslosenversicherung ist eine wichtige soziale Errungenschaft. Dank ihr haben Arbeitslose ein Einkommen, wenn der Lohn wegfällt. Und sie hilft Arbeitslosen, wieder eine Stelle zu finden. Die Arbeitslosenversicherung unterstützt aber nicht nur, sondern sanktioniert auch. Wer zu wenig intensiv nach Stellen sucht, seine Arbeit «selbstverschuldet» verliert und nicht mit den RAV oder den Arbeitslosenkassen zusammenarbeitet, der oder dem werden die Taggelder «eingestellt». Arbeitslose bekommen dann je nach Schwere des Vergehens bis zu 60 Tage keine Leistungen. Zum Beispiel muss man auf mindestens 5 Taggelder verzichten, wenn man zu wenig Bewerbungen schreibt.
Eine neue Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco, siehe Grafik) zeigt nun, dass Sanktionen sehr häufig sind. Jede und jeder dritte Arbeitslose wird im Verlauf der Arbeitslosigkeit mindestens einmal bestraft. Die Studie zeigt auch, welche Folgen Sanktionen haben. So reichen Arbeitslose, nachdem sie sanktioniert worden sind, mehr Bewerbungen ein. Dies geschieht allerdings nicht freiwillig: Die RAV erhöhen nämlich die Anforderungen an die sanktionierten Arbeitslosen. Mit den zusätzlichen Bewerbungen sinkt die Dauer der Arbeitslosigkeit. Die Sanktionen bewirken so, dass die Arbeitslosigkeit durchschnittlich 6,5 Tage weniger lang dauert. Die Arbeitsversicherung spart damit Geld. Allerdings geschieht dies auf Kosten der Sanktionierten. Sie finden zwar (um wenige Tage) schneller eine Stelle. Die neuen Stellen, in die sie aufgrund der höheren Anforderungen gedrängt werden, sind aber oftmals schlechter bezahlt und weniger sicher.
So haben Arbeitslose, wenn sie sanktioniert werden, im ersten Jahr der Neuanstellung im Durchschnitt 1,8 Prozent weniger Lohn, als wenn sie nicht sanktioniert werden (siehe Grafik). Wer sanktioniert wird, bleibt zudem weniger häufig erwerbstätig. Das ist nicht nur für die Direktbetroffenen bedenklich: Denn nehmen Arbeitslose schlechte Arbeit an, setzt dies die Arbeitsbedingungen vieler anderer Arbeitnehmender unter Druck. Die Arbeitslosenversicherung muss deshalb davon wegkommen, so viel zu sanktionieren. Stattdessen muss die Vermittlung gestärkt werden. Damit Arbeitslose eine gute Stelle finden.
David Gallusser ist Ökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB).