worktag
Kranführer ­Giovanni Nola (52): «Manchmal bin ich extra ruppig!»

Beitrag vorlesen lassen.
0:00 / 7:12

Giovanni Nola arbeitet seit fast dreissig Jahren in der riesigen Aluminiumfabrik in Siders VS. In dieser Zeit hat er mehrfache Besitzerwechsel, eine Flutkatastrophe und andere Krisen erlebt. Als Personalvertreter haut er manchmal auf den Tisch.

Die Fabrikbesitzer wechseln, ­Giovanni Nola (52) bleibt. (Foto: Matthias Luggen)

Die Walliser Sonne brennt auf das Werkgelände der Aluminiumfabrik Constellium in Siders. Nachmittags um zwei ist Schichtwechsel, und die Arbeiter in ihren orangen und blauen Overalls suchen den Schatten. Doch der Sommerhitze entkommt man hier nicht so leicht. Im Innern der riesigen Montagehalle ist es heiss und laut. Giovanni Nola arbeitet hier als Verpacker und Kranführer. Beim Gang durch den klimatisierten Bürotrakt sagt er zum Personalchef:

Diese Hitze ist abnormal, merkst du, wie es jedes Jahr heisser wird?

Als Mitglied der Arbeiterkommission war Nola an der Aushandlung des Reglements «Starkhitze» beteiligt. Dieses garantiert nun, dass man in klimatisierten Räumen und auch draussen Pause machen darf.

Hochwasser in der Fabrik

Vor einem Jahr überschwemmte ein extremes Hochwasser des Rottens die Aluminiumfabrik. Während elf Stunden floss der Fluss mitten durch die Fabrikhallen und hinterliess eine Schlammschicht, die den Betrieb monatelang stilllegte. Viele der 600 Constellium-Mitarbeitenden waren danach im Einsatz, um die Fabrik zu reinigen und wieder in Betrieb nehmen zu können. Giovanni Nola war zu dieser Zeit wegen Knieproblemen krank geschrieben. Als Mitglied der Personalkommission war er dennoch regelmässig vor Ort. Er sagt:

Ich war total geschockt, als ich diese Schäden und den Schlamm gesehen habe, so was haben wir hier niemals erwartet.

120 Millionen Schaden

Das Lager mit den Aluminiumkomponenten musste geleert und die verunreinigten Aluminiumprofile entsorgt werden. Betroffen waren insbesondere Teile für den Thurgauer Zugfabrikanten Stadler Rail, einen der grössten Kunden der Constellium Valais SA. In den ersten Monaten war die Zukunft des Werks ungewiss. Von der Schadenssumme in der Höhe von 120 Millionen Franken waren ­lediglich 50 Millionen versichert. Nola brachte das nicht sonderlich aus der Ruhe. Er sagt:

Seit ich in den 90er Jahren bei der Alusuisse begonnen habe, gibt es Gerüchte und die Angst, dass der Standort geschlossen wird.

Auch die Ankündigung der US-Zölle bringt weitere Unsicherheiten. Doch er habe sich an diese wiederkehrenden Krisen gewöhnt und wisse, dass die Fabrik gefragte, hochqualitative Produkte liefere. Nola hat in den letzten 30 Jahren auch schon verschiedene Besitzerwechsel und Namensänderungen miterlebt: von Alusuisse zu Alcan, von Alcan zu Rio Tinto und dann 2011 die Übernahme durch Constellium mit Hauptsitz in Paris.

Seine Strategie

Fast 20 Jahre seiner Arbeitszeit verbrachte Nola als Sägewerker und Kon­trolleur an der Presse. Er sagt:

Ich liebte die Arbeit mit der Presse, aber jetzt habe ich andere Ziele: Ich will die Arbeitsbedingungen für uns alle im Betrieb verbessern.

Im Jahr 2019 wählte ihn sein Team als einen von fünf Vertretern in die Personalkommission. Seither versteht er besser, was auf der Betriebs­ebene läuft. Nola sagt: «Manchmal bin ich absichtlich etwas ruppig in den Gesprächen mit den Chefs, denn dann hören sie mir wirklich zu.» Das sei für ihn ein bewährtes Mittel, wenn er etwas Wichtiges zu sagen habe. Dank seiner Mitgliedschaft bei der Unia habe er in Kursen für Personalvertretungen auch Verhandlungsstrategien gelernt.

VierschichtBetrieb abgeschafft

Weil Nola nur noch Morgen- und Nachmittagsschichten macht, hat er jetzt auch mehr Zeit für seine Familie. Nola sagt: «In unserem Betriebssektor haben wir den Dreischichtbetrieb eingeführt, so stehen die Maschinen von Samstagnachmittag bis Montagmorgen still. Er sei sehr froh, dass er nicht mehr in der Nacht und am Wochenende in die Fabrik müsse: «Der Vierschichtbetrieb ist gut für die Produktivität der Fabrik, aber als Arbeiter leidest du.»

Der Lösungsfinder

Giovanni Nola mischt nicht nur bei den betriebsinternen Lohnverhandlungen mit. Vor zwei Jahren war er auch Teil der Unia-Delegation zur Verhandlung des Gesamtarbeitsvertrags für die MEM-Industrie. Nola erinnert sich:

Es war schockierend, wie stur die Arbeitgeber waren. Ihr einziges Ziel war die Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 45 Stunden.

Die Diskussionen über die inhaltliche Weiterentwicklung des GAV seien deshalb überhaupt nicht vorwärtsgekommen. Die Chefs in seinem Betrieb seien da pragmatischer: Beim Thema Vaterschaftsurlaub oder Klimaschutz habe man in den letzten Jahren gemeinsam nach Lösungen gesucht und auch gefunden. Sein Verhältnis zur Firmenführung beschreibt er so: «Zusammen in die Ferien fahren wir nicht, aber wir arbeiten zusammen.» Konflikte gehörten dazu wie in jeder Firma, bei Constellium aber finde sich «in 99 Prozent der Fälle» eine ­Lösung.


Giovanni NolaFamilie und ­Fussball

Giovanni Nola ist in Siders VS geboren. Weil beide Eltern voll arbeiten mussten, brachte ihn der Vater im Alter von zwei Jahren zu den Grosseltern nach Sizilien. Als Achtjähriger kehrte Nola nach Siders zu seinen Eltern zurück. Dort lernte er in der Primarschule und bei einer Nonne ­Französisch. Nach einer Lehre als Sanitär begann er im Jahr 1996 als Fabrikarbeiter bei der Alusuisse.

Auch Nolas Vater arbeitete bereits für die Alusuisse. ­Giovanni Nola ­erinnert sich an die familiäre Stimmung auf dem Werkgelände, wo er als Kind an den Festanlässen für die Mitarbeitenden und ihre Familien teilgenommen hatte.

Fussball

Noch heute lebt Nola in Siders mit seiner Frau und den drei erwachsenen ­Kindern. In der Freizeit spaziert er gerne mit seinem Hund «Tico» durch die Gegend. Oder er steht auf dem Fussballplatz von Sitten. Dort trainiert er ein Nachwuchs­team des FC Sion. Fussball ist seine Passion. Auch Nolas jüngster Sohn ist begeisterter Kicker und möchte sogar Profispieler werden.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.