Gegen unsexy Zustände im Erotikmarkt
Magic-X-Verkäuferinnen mucken auf und pimpen ihre Löhne!

Miese Löhne, Arbeitszeiten und Chefs – und dazu noch übergriffige Kunden!  Das wollen sich die Verkäuferinnen einer Magic-X-Filiale bei Zürich nicht länger bieten lassen. Ihr Widerstand wirkt bereits!

UNTER DER GÜRTELLINIE: Magic X verspricht Leidenschaft – liefert aber vor allem Druck, Stress und tiefe Löhne für die Mitarbeitenden.

Es sind unappetitliche Details, die Alexandra P. (31) über ihre Arbeit beim Magic X Megastore auspackt. Da sind zum einen miese Löhne und Gratis-Überstunden. Doch als Verkäuferin der Erotikmarktkette erlebt sie auch übergriffige Kunden: «Dass ein Mann nackt im Laden steht oder sogar masturbiert ist keine Seltenheit!» Ganz unangenehm werde es, wenn sie abends alleine im Laden stehe und noch ein suspekter Kunde herumgeistere. «Dann kickt die Angst!» sagt P. Und sie frage sich dann: «Folgt er mir auch noch, wenn ich den Laden schliesse?»

Dabei hat sich Alexandra P. etwas ganz anderes erhofft. Ursprünglich ist sie gelernte Coiffeuse, kennt die Unia noch von ihrem alten Beruf. Nach der Lehre sei es aber praktisch unmöglich gewesen, einen anständig bezahlten Job zu finden. Also wechselt sie die Branche. Doch was sie im Detailhandel antrifft, ist nicht wirklich besser. Bei jedem Arbeitgeber im Verkauf fehlte es an allen Ecken und Enden an Personal: «Solche Umstände vergraulen die Menschen. Auch jene wie mich, die den Beruf eigentlich lieben.» Mit ihrer Anstellung bei Magic X hat sie sich endlich Besseres erhofft. Und am Anfang lief auch alles noch glatt. Doch dann warfen drei Kolleginnen das Handtuch und die Stellen wurden nicht ersetzt. P. erinnert sich: «Als Filialleiterin schoss mir sofort durch den Kopf: Wie sollen wir das bloss schaffen?»

50-Stunden-Woche die Norm

Die Folgen des Personalmangels: Fast keine freien Wochenenden mehr, ständiges Einspringen, Überstunden à gogo. Eine 50-Stunden-Woche gehörte zur Normalität. Alexandra P. sagt zu work: «Das waren wirklich keine Zustände mehr. Wir bekamen nur fünf Minuten Zeit, um für die Ladenöffnung alles vorzubereiten und nach Ladenschluss den Laden in bester Ordnung zu verlassen. Das geht zeitlich vorne und hinten nicht auf.» Und es kamen immer mehr Aufgaben dazu: Beispielsweise die Ladenreinigung oder sogar Reparaturarbeiten. Schliesslich kam auch noch die Order, den Kunden ein Wasser oder einen Kaffee zu servieren. Bloss um gute Google-Bewertungen einzusacken. Diese seien den Erotikmarkt-Chefs heilig. Weiter litten die Verkäuferinnen unter drückender Hitze, im Laden sei es gerade an heissen Tagen kaum aushaltbar.

Die Missstände kumulierten sich immer weiter. Doch irgendwann sagte das Zürcher Magic-X-Team «Stopp!», schloss sich zusammen und kontaktierte die Unia. Für die ganze Belegschaft sei eines klar gewesen, sagt Alexandra P.: «Nur weil wir in einem Erotikfachmarkt arbeiten und nicht bei einer Bank, verdienen wir genauso menschenwürdige Arbeitsbedingungen!»

Langer Forderungskatalog überreicht

Unia-Sekretärin Carla Bertogg steht im engen Austausch mit den Verkäuferinnen. Sie besuchte die Filiale mehrmals, um sich ein Bild zu machen. Auch Vieraugengespräche mit den Verkäuferinnen führte sie. Schnell wurde auch ihr klar: «Dieser Belegschaft muss dringend geholfen werden.» Gesagt, getan: Mit Unterstützung von Bertogg erarbeiteten die Verkäuferinnen einen 7-Punkte-Forderungskatalog und überreichten diesen der Geschäftsleitung. Darin fordern sie höhere Löhne sowie Lohnentwicklungen, ein Sicherheitskonzept im Laden, Schluss mit aggressivem Führungsstil und vieles mehr.

Seit wenigen Monaten steht Hauptaktionär Marco Syfrig (65) an der Spitze der Erotik-Kette. Syfrig ist eine bekannte Grösse aus der Gewerbe- und Industriebranche, und war lange für Burkhalter tätig – eine Nachfolgerin des Industriegiganten Sulzer. Das spielte der Belegschaft in die Karten. Unia-Frau Bertogg erklärt: «Gerade in diesen Branchen ist den Patrons die Stärke der Unia bewusst. Syfrig wusste: Wenn er nicht spurt, kann es unbequem werden.»

Neuer CEO reagiert rasch

Tatsächlich reagierte der CEO innert einer Woche auf den Forderungskatalog und lud die Gewerkschaft zu einer Verhandlung ein. Und schon das erste Zusammentreffen führte zu einem ersten Erfolg! Die tiefen Löhne wurden rückwirkend per 1. Juli angehoben und die Verkäuferinnen mehr Zeit vor der Ladenöffnung und nach der Ladenschliessung. Weiter Besserungen versprach der Geschäftsleiter bis Ende Jahr. Zum «Blick», der zuerst berichtet hat, sagte Syfrig: «Um die Sache für alle Mitarbeiter wieder ins Lot zu bringen, habe ich entschieden, als Geschäftsleiter und Hauptaktionär wieder eine mitarbeiterfreundliche Kultur mit einer klaren Führungsstruktur einzubringen.»

Doch hält er seine Versprechen? Verkäuferin und Gewerkschaftsmitglied Alexandra P. wagt optimistisch zu bleiben. Doch sie sagt auch: «Meine Kolleginnen und ich sind stark unter Druck und haben Angst um unsere Anstellung.» Wenigstens schenke ihr die Unia als Sprachrohr Zuversicht. Und gegenüber work gibt Chef Syfrig Entwarnung: «Die Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft ist sehr gut, bereits in kurzer Zeit hatten wir eine Vereinbarung auf dem Tisch.» Bis Ende Jahr sollen weitere Verbesserungen eintreten, die Unia begleitet den Prozess. work bleibt dran.

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