Jonas Komposch, Stv. Chefredaktor

Die grösste Schweizer Gewerkschaft wird ­zwanzig – und lädt ihre gut 170 000 Mitglieder zum Feiern ein. Eine Schlagzeile, die das Bürgertum noch vor 100 Jahren in Angst und Schrecken versetzt hätte. Und die wohl sofort ein Militäraufgebot provoziert hätte. Denn: «Feiern» war lange ein Synonym für «Streiken». So berichtete der «Grütlianer» 1879 über London: «2500 Mecha­niker feiern, weil die Fabrikanten von einer ­Lohnherabsetzung nicht absehen wollen.» Oder die ­«Engadiner Post» 1923 über Berlin: «Die gesamte Metallindustrie ist in Streik getreten. Hunderttausende Arbeiter feiern.» Aus heutiger Sicht eine erstaunliche Begriffsverwendung. Nur noch das «Krankfeiern» ist einigermassen geläufig. Aber: Wenn aus Arbeit (lateinisch: labor) reine Mühe wird (lat. ebenfalls labor) oder gar Leid (lat. abermals labor), dann ist ein Unterbruch derselben sicher ein guter Partygrund.

Ferien

Auch Ferien sind ein Grund zum Feiern! Fläzen Sie etwa bereits faul am Strand? Oder sind Sie gar in Peru, Spanien oder Belgien zu Besuch? Auch dort gibt es schliesslich Unias. In Polen sogar «Unia-Ultras». Doch zurück zu den Ferien: Diese waren bekanntlich lange ein Oberschichtsprivileg. Eidgenössische Fabrikinspektoren fanden 1910 heraus, dass nur 8 Prozent aller Arbeiterinnen und Arbeiter überhaupt Ferien erhielten. Längere arbeitsfreie Zeit gab es bloss, wenn «gefeiert» wurde. Und auch eine Besserung auf breiter Basis brachte erst ein Streik, nämlich der Landesstreik von 1918. Doch wo stehen wir heute? Die Oberschichtkids an den Gymnasien geniessen 13 Ferienwochen. Was ihr gutes Recht ist. Lernende werden dagegen mit 5 Wochen abgespeist. Doch jetzt kommt Bewegung in die Sache.

Fest

Die Unia aber streikt gerade nicht. Zumindest nicht bei Redaktionsschluss. (Dass sich dies im Ernstfall schnell ändern kann, zeigen die wichtigsten Unia-Meilensteine.) Ihr 20jähriges Bestehen aber feiert die Organisation am 5. Juli in Freiburg – mit einem hoffentlich rauschenden Fest und einem Konzert von Stress. Die Schweizer Hip-Hop-Legende ist auch für unser Jubiläums-Extrablatt hingestanden. Im Portrait erklärt er die harte Arbeit hinter einem Rap-Text, aber auch, ­warum er einst «Fuck Blocher» sang. Nebenbei kündigt Stress noch ein neues Album an.

Geschichte

A propos Blocher: Weder Magda­lena Martullo noch ihr «Bappe» haben auf un­sere höflichen Bitten reagiert, der Unia doch ein Geburi-Kränzchen zu winden. Schade! Schliesslich verbindet ihre Ems-Chemie eine ganz spe­zielle Geschichte mit der «roten» Gewerkschaft. Daran erinnern die Unia-Gründerpräsidenten Vasco Pedrina und Renzo Ambrosetti – im grossen Interview über den turbulenten Fusionsprozess. Die beiden Tessiner und einstigen Rivalen zeigen sich durchaus selbstkritisch, teilen aber auch gehörig aus und wagen einen erstaunlichen Ausblick.

Grüsse

Promi-Post gab es zwar nicht aus Herrliberg, dafür aus dem Rest der Schweiz, und ja, auch von der SVP. Oder vom SP-Co-Chef: «Die Unia nervt!» Aber lesen Sie selbst. Es sind keine offiziösen Lob­hudeleien, sondern erfrischend ehrliche Würdigungen, nicht selten gewürzt mit einer Prise Kritik. Sie alle bestätigen, was der Presse schon bei der Fusion klar wurde: Die Unia ist ein «Büezer-Riese gegen die Bosse», mit dem zu rechnen ist. Auch und gerade in Zukunft!

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