Endlich ein Sozialplan bei Wiesner:
Zürcher Gastrogruppe muss 130 Velokuriere entschädigen

Die «nachhaltige» Familie Wiesner Gastronomie ersetzt ihre eigenen Velokuriere durch lusche Dumpinganbieter und vergleicht sich mit den Kahlschlägern der Migros. Doch die Rider haben protestiert – und bekommen jetzt Abfindungen.

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WERDEN DURCH AUSBEUTERISCHE BILLIGANBIETER ERSETZT: Die Rider für Restaurants wie «Nooch», «Negishi» oder «Kitchen Republic». (Foto: Stephan Bösch)

Das monatelange Seilziehen und die wiederkehrenden Proteste haben sich gelohnt. Am 10. Dezember haben sich die Familie Wiesner Gastronomie (FWG) und die Gewerkschaften Syndicom und Unia auf einen Sozialplan für 130 entlassene Velokurierinnen und -kuriere geeinigt. Diese hatten mehrfach gegen ihren Billig-Rausschmiss aufbegehrt – mit Velodemos oder Kundgebungen vor FWG-Restaurants wie «Nooch», «Negishi» oder «Kitchen Republic» (work berichtete). Den Rausschmiss verhindern konnten sie damit zwar nicht. Doch immerhin profitieren sie nun von einem Bündel an Abfederungen. Konkret:

  • Abfindungen in der Höhe von 2,5 Monatslöhnen
  • Unterstützung bei der Stellensuche (intern und extern)
  • Sechsmonatige Besitzstandsgarantie bei internem Stellenwechsel
  • Kostenübernahme für ein Arbeitsintegrationscoaching
  • Kostenübernahme bis 1000 Franken für Deutschkurse
  • Ein Härtefallfonds über 50'000 Franken

Dumping-Lieferdienste übernehmen

Zum Konflikt kam es, weil FWG im September die Massenentlassung aller 120 hauseigenen Kurierinnen und Kuriere ankündigte. Und schon in den Monaten davor hatte FWG rund 40 Rider geschasst. Aber auch sie bekommen nun eine Abfindung. Hierbei handle es sich um «ein Zugeständnis, das FWG zunächst ausdrücklich ausgeschlossen hatte und das nur durch den Druck der organisierten Belegschaft möglich wurde», so die Gewerkschaften.

Mit der Auslagerung der Essenslieferungen wolle man «wettbewerbsfähig» bleiben, teilte die Gastrogruppe aus Dübendorf ZH mit. Als Ersatz kommen fortan externe Dumpingdienstleister zum Einsatz, etwa der US-Konzern Uber (Eats). Da diese trotz anderslautenden Gerichtsentscheiden ihr Arbeitgeberdasein beharrlich abstreiten und weder Beiträge an die Altersvorsorge, an die Arbeitslosenversicherung noch an die Nutzung der privaten Fahrzeuge zahlen, können sie weit unter jenen Tarifen arbeiten, die bisher für die hauseigenen FWG-Rider galten. Diese unterstanden dem L-GAV Gastronomie. Die besseren Standards schrieb sich die angeblich «nachhaltige» Familie-Wiesner-Gruppe dick auf die Werbefahne: «Bei uns bestellst du dein Essen ohne Gewissensbisse nach Hause», hiess es noch bis vor kurzem. Damit ist nun definitiv Schluss.

Kuriere enttäuscht – trotz Erfolg

Neu orientiert sich FWG unter anderem explizit am Kahlschlag bei der Migros. So schreibt FWG-Co-Chef Manuel Wiesner: «Der aktuell laufende Migros-Sozialplan zeigt, dass sich die FWG mit ihrer Lösung im Rahmen dessen bewegt, was in grösseren Schweizer Unternehmen umgesetzt wird.» Also bestenfalls noch Durchschnitt statt Vorzeigebetrieb.

Entsprechend durchzogen fällt die Bilanz bei den geschassten Kurierinnen und Kurieren aus. Federico radelte vier Jahre für FWG und sagt heute:

Ich bin vor allem enttäuscht, dass hinter dieser progressiven, bunten, familiären Fassade dann einfach trotzdem der knallharte Kapitalismus sitzt.

Oder Fahrerin Laura:

Es ist besser, als gar keinen Sozialplan zu haben, aber wir fühlen uns immer noch irgendwie betrogen.»

Und Rider Matteo sagt:

Eine Massenentlassung ist nie eine Notwendigkeit, sie ist immer Ausdruck des Willens von den Reichen und unseren Chefs, noch mehr Geld zu scheffeln.

Die Familie-Wiesner-Gruppe ist laut Eigenangaben mit 750 Mitarbeitenden in sechs Deutschschweizer Städten aktiv und hat ihre Erlöse seit 2014 mehr als verdoppelt. 2023 und 2024 waren Spitzenjahre mit fast 100 Millionen Franken Umsatz.

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