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Forscher Pablo Vargas Rosales (29) sucht das richtige Molekül gegen Krebs

Er ist ein Wissenschaftler mit starkem politischem Gespür. Für Pablo Vargas Rosales sollte Forschung nur ein Ziel haben: den kollektiven sozialen Fortschritt.

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TESTET MOLEKÜLE: Pablo Vargas Rosales. (Foto: Raja Läubli)

Pharmaforschung – da stellen wir uns sterile Labore, Reagenzgläser und Menschen im weissen Kittel vor. Pablo Vargas Rosales macht seine Krebsforschung dagegen an einem Hochleistungscomputer.
 
Nach einem Biotechnologiestudium in seinem Heimatland Costa Rica hat Vargas Rosales in Zürich Bioinformatik gelernt. Heute arbeitet er als Postdoc-Forscher an der Universität Zürich. Seine Forschungsgruppe sucht nach Molekülen, die krebsauslösende Eiweisse stoppen können. Der 29jährige sagt: «Meine spezifische Aufgabe ist es, die Moleküle mit Computersimulationen zu testen. Ich bin der Filter, bevor sie für weitere Tests ins Labor geschickt werden.»

AM COMPUTER: Vargas Rosales hat sich zum Bioinformatiker weitergebildet. (Foto: Raja Läubli)

Die magische Formel

Vargas Rosales muss regelmässig Hunderte von Molekülen besorgen und eine Vorauswahl treffen. So können die Leute im Labor sich nur auf Substanzen konzentrieren, die Potential zeigen: «Wir haben fast ein emotionales Verhältnis zu den Molekülen, die wir testen, besonders zu jenen, die am besten geeignet scheinen, gegen Krebs zu wirken.»
 
Er fügt aber auch hinzu:

Wirklich revolutionäre Entdeckungen sind selten. Manchmal habe ich das Gefühl, die magische Formel gefunden zu haben. Das Molekül, das wirklich etwas verändern könnte. Aber dann tauchen im Labor oft Probleme auf. Wir machen regelmässig Fortschritte, aber langsam.

Auch wenn ein Molekül nicht das richtige ist, sind die Forschungsergebnisse nützlich und verbessern das Wissen im Kampf gegen Krebs. Das Endziel der Gruppe ist es, Moleküle in die Phase der klinischen Studien zu bringen. Das ist der entscheidende Schritt, bei dem die Substanzen erst an Tieren und danach an Menschen getestet werden.

Auf die Strasse gegen Sparprogramme

Vargas Rosales liebt seinen Job und spricht kompetent und engagiert darüber. Er ist, obwohl die Stelle befristet ist, zufrieden mit den Arbeitsbedingungen, seinem Lohn von 6800 Franken brutto pro Monat und seinem ganzen Team. Doch einige Dinge stossen ihm sauer auf. Es ist vor allem das Ungleichgewicht zwischen öffentlicher und privater Pharmaforschung: «Wir als Universität müssen transparent sein, alle unsere Forschungsdaten ohne Widerrede liefern und hoffen, in klinische Studien einbezogen zu werden. Die Pharmafirmen, die von unseren Anstrengungen profitieren, hüten ihre Entdeckungen hingegen eifersüchtig.»

Für Vargas Rosales hat der öffentliche Sektor den Privaten zu viel Raum gelassen: Er sagt:

Ich würde gern mit öffentlichen Institutionen zusammenarbeiten. Aber leider liegt die letzte Phase der Pharmaforschung heute fest in den Händen der Multis. Ich wünsche mir Forschung im Dienst der Allgemeinheit und nicht für den Profit.

KRITISCH: Vargas Rosales sagt, der Profit dürfe in der Forschung nicht Priorität haben. (Foto: Raja Läubli)

Das ist nicht das einzige Ärgernis des Wissenschaftlers: Die drastischen Kürzungen der Staatsausgaben betreffen auch die Forschung. Vargas Rosales war in den letzten Wochen in Zürich und Bern auf der Strasse, um Sparprogramme zu stoppen, die dem Aushängeschild der Schweizer Wirtschaft grossen Schaden zufügen würden: «Der Bundesrat will die Investitionen in Bildung, Forschung und Innovation um rund 400 Millionen Franken pro Jahr kürzen. Das würde nicht nur der Forschung schaden, sondern auch zu weiterer Prekarität des akademischen Personals führen.» In der Forschung sind unbefristete Stellen rar. Kürzungen bei Forschungsprogrammen machen es deshalb für viele unmöglich, durch diese Arbeit ein Einkommen zu sichern.
 
Die Sparpolitik trifft auch Studierende: Für inländische sollen die Gebühren verdoppelt, für ausländische sogar um 400 Prozent erhöht werden. Für Vargas Rosales ist klar: «Unter diesen Bedingungen hätte ich in der Schweiz nie studieren können. So hohe Gebühren würden die ärmeren Schichten noch weiter von der universitären Bildung fernhalten.»

Gewerkschaftliches Engagement

Pablo Vargas Rosales kämpft für die Forschungswelt, aber nicht nur. Zu Beginn seines Doktorats trat er dem VPOD bei, der das Uni-Personal vertritt, und nach ein paar Jahren auch der Unia, wo er in der Migrationsgruppe Zürich-Schaffhausen aktiv ist: «Ich bin der Unia beigetreten, um die Kämpfe der Arbeiterklasse direkter zu unterstützen. In der Migrationsgruppe fand ich ausserdem Gleichgesinnte, die ausgewandert sind, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Sie haben oft wenig Kontakte, und ihr Aufenthalt wird durch die unsichere Arbeit gefährdet.»

FÜHLT SICH WOHL IN DER SCHWEIZ: Der 29Jährige weiss noch nicht, wohin ihn die Reise führt. (Foto: Raja Läubli)

Das gewerkschaftliche Engagement half ihm, sich in Zürich heimisch zu fühlen. Nun fällt ihm die Zukunftsentscheidung schwer: «In der Schweiz fühle ich mich wohl und habe ein gutes soziales Netz aufgebaut – aber die Forschung zwingt uns leider zum Nomadentum. Ich hatte ein erstes Vorstellungsgespräch für eine stabilere Stelle in Costa Rica und könnte mich auch in Italien bewerben. Ich weiss aber noch nicht, ob ich den Mut finde, alles stehen und liegen zu lassen und wegzugehen.»

Pablo Vargas Rosales: Teil der Arbeiterklasse

Pablo Vargas Rosales, Jahrgang 1996, ist in San José, der Hauptstadt von Costa Rica, geboren und aufgewachsen. Das kleine Land in Mittelamerika wird wegen seiner politischen Stabilität, Neutralität und seines relativen Wohlstands manchmal als «Schweiz Mittelamerikas» bezeichnet. 2018 schloss er sein Bachelor-Studium ab. Danach zog er nach Zürich und spezialisierte sich in Bioinformatik. Zuerst mit einem Master-Abschluss an der ETH, dann mit einem Doktorat an der Universität Zürich.

In Zürich lernte er auch seinen aktuellen Partner aus Graubünden kennen, mit dem er seit längerem zusammenwohnt und sich eine gemeinsame Zukunft wünscht. Vargas Rosales ist Mitglied der Unia und vom VPOD sowie von der VAUZ (Vereinigung akademischer Nachwuchs), einer Organisation, die die Interessen der Forschenden an der Universität vertritt. Er sagt: «Auch wenn ich einen anständigen Lohn habe: Ich sehe mich als Teil der Arbeiterklasse.»

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