Liebe am Arbeitsplatz ist mit Risiken verbunden und arbeitsrechtlich ein ziemlich komplexes Thema
Wenn Privat und Arbeit sich mischen

Ein Flirt im Job ist ­aufregend, kann aber auch schnell problematisch werden. Besonders, wenn eine der Beteiligten dem anderen vorgesetzt ist, stellen sich arbeitsrechtliche Fragen.

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ROMANZE À LA HOLLYWOOD: Im Film «Ein Chef zum Verlieben» gibt es für die Büro-Romanze von Sandra Bullock und Hugh Grant ein Happy End, im echten Leben ist eine Beziehung mit dem Vorgesetzten meist komplizierter. (Foto: PD)

Man sieht sie öfter als die eigenen Freunde oder Verwandten: die Arbeitskolleginnen und -kollegen. Logisch, dass Liebesbeziehungen oft bei der Arbeit beginnen. Pro­blematisch kann es werden, wenn ein Hierarchiegefälle besteht, also einer der Beteiligten der Vorgesetzte der anderen ist und es somit eine einseitige Abhängigkeit gibt. Im September 2025 musste Laurent Freixe, CEO von Nestlé, den Hut nehmen, nachdem bekannt geworden war, dass er eine nicht offengelegte romantische Beziehung mit einer Angestellten hatte, die ihm direkt unterstellt war. Die Romanze verstiess gegen den Verhaltenscodex des Unternehmens.

Rechtlich Komplex

Arbeitsrechtlich stellen sich bei Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz und Verhaltenscodices von Firmen viele Fragen. Im Schweizer Arbeitsrecht müssen die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden, insbesondere das Recht auf Privatsphäre, mit den berechtigten Interessen des Arbeitgebers an einem reibungslosen Betriebsablauf abgewogen werden. «Es gibt kein spezielles Bundesgesetz, das Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz ausdrücklich regelt», sagt Sarah Haider, Rechtsanwältin der Unia. «Dennoch sind solche Situationen indirekt durch allgemeine arbeitsrecht­liche Grundsätze des Obligationenrechts, vor allem durch den Artikel 328 zum Schutz der Per­sönlichkeit, sowie durch das Gleichstellungsgesetz erfasst.» Drei wichtige Fragen:

1. Darf die Firma eine Liebesbeziehung am Arbeitsplatz beschränken oder gar verbieten?

«Ein generelles und absolutes Verbot von Liebesbeziehungen unter Mitarbeitenden stellt einen zu starken Eingriff in die Privatsphäre dar und verletzt die Persönlichkeitsrechte», sagt Sarah Haider. Ebenso seien vertragliche Klauseln, die bei Bekanntwerden einer Liebesbeziehung automatisch zu Kündigungen oder Nachteilen führten, rechtswidrig und nichtig, da sie ­gegen den Persönlichkeitsschutz verstiessen. Gezielte und verhältnismässige Einschränkungen – geregelt in internen Reglementen oder in Arbeitsverträgen – seien aber trotzdem zulässig. Vor allem dann, wenn die Firma ein berechtigtes betriebliches Interesse habe.

Ein solches Interesse kann zum Beispiel sein: das Vermeiden von Interessenkonflikten, das Verhindern von Machtmissbrauch oder der Schutz der Inte­grität der Organisation. Letzterer spielt vor allem in regulierten Branchen eine Rolle, also zum Beispiel in der Finanz- und Bankenbranche oder im Versicherungs- sowie im Gesundheitswesen. Denn: «Mitarbeitende haben rechtlich eine umfassende Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber. Sie müssen die Interessen der Firma wahren und die Geheimhaltungspflicht respektieren. Auf dieser Grundlage kann der Arbeitgeber auch präventive Weisungen erteilen, zum Beispiel, dass Paare während der Arbeitszeit eine profes­sionelle Distanz wahren und keine sichtbaren Liebesbeweise am Arbeitsplatz zeigen.» Obwohl das streng klingt, ist es zulässig, um Spannungen oder den Eindruck einer Bevorzugung, be­sonders bei unterschiedlichen ­Hierarchieebenen, zu vermeiden. ­Solche Regelungen dürfen aber nur für die Arbeitszeit aufgestellt werden, Privat ist privat. «Ausserhalb der Arbeitszeit besteht kein Weisungsrecht bezüglich des persönlichen Umgangs, da hier kein Bezug zur Arbeit vorliegt.»

2. Welche Risiken bestehen für Mitarbeitende, die eine Liebesbeziehung mit einer Person eingehen, die hierarchisch über ihnen steht?

Wenn also eine Person eine Beziehung oder Affäre mit ihrem direkten Vorgesetzten hat, besteht die Gefahr, dass ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht, das die Zusammenarbeit stark beeinflussen kann. «In solchen Fällen hat der Arbeitgeber das Recht, organisatorische Massnahmen zu ergreifen, um Interessenkonflikte oder Abhängigkeitsverhältnisse zu verhindern», sagt Unia-Rechtsanwältin Haider. «Das kann zum Beispiel die Neuverteilung von Verantwortlichkeiten, die Versetzung eines der beiden Beteiligten oder im Extremfall eine Kündigung sein, wenn keine andere Lösung möglich ist oder akzeptiert wird.» Es kann aber auch sein, dass es wegen der Beziehung zu Spannungen am Arbeitsplatz kommt, zu Streitigkeiten vor Kolleginnen und Kollegen, vor der Kundschaft oder zu unkooperativem Verhalten. Dann leidet das Betriebsklima. «In solchen Fällen muss die Arbeitgeberin zuerst versuchen, den Konflikt durch Gespräche oder Regelungen zu lösen, bevor eine Kündigung ausgesprochen wird.» Auch in Sachen Treuepflicht gibt es Risiken: Wenn einer der Beteiligten der anderen einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft oder vertrauliche Geschäftsinformationen ausplaudert, handelt es sich um eine Vertragsverletzung, die eine Kündigung rechtfertigt.

3. Welche Konsequenzen kann es ­haben, wenn Beschäftigte eine ­Liebesbeziehung am Arbeitsplatz ­verschweigen?

Eine Liebesbeziehung gilt primär als Privatsache, über die die Arbeitnehmerin nicht informieren muss. «Dementsprechend darf die Arbeitgeberin in der Regel solche Fragen nicht stellen, und der Arbeitnehmer ist berechtigt, unzutreffende Auskünfte zu geben, das nennt man Notwehrrecht auf Lüge», sagt Sarah Haider. «Eine solche Lüge muss aber verhältnismässig sein und darf auch nur dann eingesetzt werden, wenn sie zur Abwendung des Nachteils – zum Beispiel der Nichtanstellung – nötig ist.» Eine Offenlegungspflicht gibt es nur, wenn sie in Re­glementen oder im Arbeitsvertrag steht. Das ist dann erlaubt, wenn ein besonderes Interesse an der Information besteht, wenn also das Interesse des Arbeitgebers das Datenschutzinteresse der Arbeitnehmerin überwiegt. «Dies ist häufig der Fall bei Tätigkeiten mit Compliance-, Revisions- oder Controlling-Funktionen, wo Interessenkollisionen vermieden werden müssen», ordnet Sarah Haider ein. «Beispiele sind Beziehungen zwischen hierarchisch direkt verbundenen Personen oder wenn die Beteiligten gemeinsam wichtige Entscheidungen treffen oder sich gegenseitig kon­trollieren (Vier-Augen-Prinzip).» Ist eine solche Offenlegungspflicht vertraglich geregelt, müssen sich die Betroffenen daran halten. «Eine falsche Antwort auf eine zulässige Frage bedeutet dann eine Verletzung der Treuepflicht und kann eine Kündigung zur Folge haben.»

work-Tipp: Die Unia-Rechtsberatung

Als Unia-Mitglied haben Sie Anrecht auf kostenlose juristische Beratung, die das Arbeitsverhältnis betrifft. Die Rechtsabteilung der Unia berät und bietet Rechtsschutz bei Schwierigkeiten im ­Arbeitsleben und mit dem Arbeitgeber, bei Streitigkeiten mit staat­lichen Behörden oder schweizerischen Sozialversicherungen und auch bei Diskriminierung, Sexismus und Mobbing. Um den Rechtsschutz zu beanspruchen, müssen Sie zum Zeitpunkt des ­Ereignisses mindestens drei Monate Unia-Mitglied sein. Kontaktieren Sie bei Fragen und für Termine die Unia Ihrer Region.


RisikoVon Liebe zu Mobbing

Wenn Beziehungen zwischen Arbeitskolleginnen und -kollegen oder zwischen Chefin und Angestelltem scheitern, kann es schwierig werden. Manchmal führt eine gescheiterte Liebes­beziehung zu Mobbing oder Benachteiligung im Job. ­Betroffene können sich durch interne Meldesys­teme, Personalabteilungen oder Gleichstellungsbeauftragte gegen Mobbing oder Diskriminierung wehren.

Pflicht

Die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber ist verpflichtet, alle zumutbaren Massnahmen zur Beendigung des unzulässigen ­Verhaltens zu ergreifen. «Die Firma haftet, wenn sie es unterlässt, angemes­sene Schutzmassnahmen zu treffen», sagt Rechts­anwältin Sarah Haider. «Kommt es wegen einer ­gescheiterten Liebesbeziehung am Arbeitsplatz zu Mobbing oder Benachteiligung, können betroffene ­Arbeitnehmende Schadenersatz- oder Genugtuungsansprüche geltend ­machen.» Gewerkschaften und Organisationen können gerichtlich gegen eine Diskriminierung vorgehen, wenn es wahrscheinlich ­erscheint, dass das Urteil des Prozesses Auswirkungen auf mehrere Personen im Unternehmen haben wird. Sie müssen der betroffenen Arbeitgeberin oder dem betroffenen Arbeitgeber aber die Gelegenheit geben, zum Vorwurf Stellung zu nehmen, bevor eine Schlichtungsstelle angerufen oder Klage eingereicht wird. 

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