Mindestlöhne sind trotz Gegenwind auf dem Vormarsch
Schon eingeführt oder noch angegriffen?

In immer mehr Städten und Kantonen will die Bevölkerung einen Mindestlohn. Trotz politischem Gegenwind kämpfen Gewerkschaften und progressive Kräfte für bessere Löhne. 

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DIE MINDESTLOHNWELLE ROLLT: An acht Orten wurde der Mindestlohn bereits beschlossen, in drei weiteren Kantonen und drei Städten sind die Initiativen eingereicht. (Grafik: work)

Armut trotz Arbeit ist in der reichen Schweiz allgegenwärtig, es gibt fast 300'000 Working Poor. Das heisst: Trotz Anstellung leben sie am Existenzminimum. Ein untragbarer Zustand, denn Löhne müssen zum Leben reichen. Und genau das fordern die Gewerkschaften seit vielen Jahren. Zum Unmut der bürgerlichen Mehrheiten beim Bund und in den Kantonen und von Arbeitgebern und Branchenbossen. 

Geleistete Arbeit verdient einen fairen Lohn. Doch in der Wunschvorstellung von Arbeitgeber-Ideologen und rechten Parteien nicht unbedingt. Sie wollen keine Mindestlöhne. Nicht in Gesamtarbeitsverträgen, nicht in der Bundesverfassung, nicht in Kantonsverfassungen, nicht in Städten. Doch diese Rechnung haben sie ohne die Gewerkschaften gemacht: Mit den fortschrittlichen Parteien gelang es ihnen, in mehreren Städten und Kantonen einen Mindestlohn einzuführen. Eine Erfolgswelle, die weiterrollt. 

Warten aufs Bundesgericht

Die Bevölkerung sieht Handlungsbedarf bei den Löhnen. Zum Entsetzen der Gegnerinnen. Das zeigt sich deutlich beim Mindestlohn für die Städte Zürich und Winterthur. Obwohl die Initiativen vom Stimmvolk deutlich angenommen wurden, verzögert sich die Einführung. Nachdem die lokalen Gewerbeverbände Beschwerde eingereicht hatten, pfiff das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich das ganze Vorhaben zurück. Derzeit liegt das Geschäft beim Bundesgericht, das nun über die Einführung bestimmt.

Das bremst weitere Abstimmungen aus. Denn es sind noch mehrere hängig. Darunter städtische Mindestlöhne in Bern, Biel und Schaffhausen. Dort wurden genügend Unterschriften für die Initiative eingereicht, seither herrscht aber Stillstand. Solange das Bundesgericht sein Urteil im Fall Zürich und Winterthur nicht gesprochen hat, wird der Abstimmungstermin in weiteren Städten offenbar hinausgezögert.

Fadenscheinige Argumente 

Ähnlich angespannt ist die Stimmung in der Stadt Luzern. Dort findet im Stadt- und im Kantonsrat ein ständiges Hin und Her statt. Während der Luzerner Stadtrat die Initiative «Existenzsichernde Löhne jetzt!» annahm und die Einführung auf Januar 2026 setzte, sträuben sich die bürgerlichen Parteien SVP, FDP, GLP und die Mitte im Kantonsrat. Das fadenscheinige Argument: Städtische Mindestlöhne seien nicht fair gegenüber Agglomerationsgemeinden. Dadurch wird die Umsetzung künstlich verzögert. 

Nicht nur auf lokaler Ebene wird der Mindestlohn angegriffen. Auch direkt vom Bundeshaus aus passt es den Parlamentarierinnen und Parlamentariern nicht, dass Menschen in Tieflohnbranchen einen Lohn erhalten, der zum Leben reicht. Ganz vorne dabei ist Mitte-Ständerat Erich Ettlin aus Obwalden. Vor fast fünf Jahren reichte er eine Motion ein. Diese fordert, dass die Löhne gemäss Gesamtarbeitsvertrag (GAV) Vorrang haben. Er will damit die gesetzlichen Mindestlöhne aushebeln für Branchen, in denen ein GAV gilt. Oder anders gesagt: Ettlin will per Gesetz die Löhne senken. Für Ettlin ein Vorhaben mit Eigeninteresse, denn er selbst ist laut «Lobby Watch» Mitglied beim Schweizerischen Gewerbeverband.

Die Ansage

Für die Gewerkschaft Unia ein fatales Vorhaben. Präsidentin Vania Alleva sagt klipp und klar:

Armut trotz Arbeit ist ein Skandal in der reichen Schweiz. Die Unia wird sich mit aller Kraft gegen dieses Gesetz wehren. Denn wer 100 Prozent arbeitet, muss von seinem Lohn leben können.

Wird diese Motion von Stände- und Nationalrat angenommen, wird die Gewerkschaft das Referendum ergreifen.

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