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Pflegehelferin Monika Antenen-Künzle (54): «Mehr Lohn und mehr Seele braucht die Pflege»

Eine Kämpferin mit grossem Herzen für ältere Menschen: ­Monika ­Antenen-Künzle arbeitet seit 35 Jahren in der Alterspflege. Als Unia-Botschafterin setzt sie sich für bessere Arbeitsbedingungen und die Umsetzung der Pflegeinitiative ein.

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MONIKA ANTENEN-KÜNZLE (54): Mit Kopf und Herz in der Alterspflege. (Foto: Matthias Luggen)

Mit dem Herzen dabei zu sein sei das ­Wichtigste. Das sagt Monika Antenen-Künzle immer wieder. In ihrem Beruf heisst das: ­Anteil nehmen, in schwierigen Momenten da sein, nicht immer nur nach Schulschema handeln, sondern auch mal gesunden Menschenverstand walten lassen, Wertschätzung zeigen, sich Zeit nehmen. Wobei gerade letzteres oft schwierig ist, weil einfach zu viel zu tun ist und Personalmangel herrscht. Monika Antenen-Künzle arbeitet in der Alterspflege, seit sie 19 Jahre alt ist. Im Spital Münsterlingen TG hatte sie die einjährige Ausbildung zur Spitalgehilfin absolviert, die es so nicht mehr gibt. Deshalb verfügt sie über keinen EBA- oder ­EFZ-Abschluss. Heute ist die 54jährige als Pflegeassistentin in einer 80-Prozent-Anstellung für die Senevita AG angestellt.

Pflegeherz

Monika Antenen-Künzle liebt ihren Beruf, das ist ihr anzusehen, wenn sie davon erzählt – von ihrem «Pflegeherzen», das besonders für ältere Menschen schlägt. Manche von ihnen blickten gelassen und dankbar, andere bereuend und verzweifelt auf ihr Ende, erzählt sie bei einem Kaffee in ihrer Wohnung in Bern Bethlehem. Dann ist Monika Antenen-Künzle da, hört zu, hält die Hand und spendet Trost. Als Pflegeassistentin ist sie für die Körperpflege der Bewohnerinnen und Bewohner zuständig, geht ihnen beim An- und Ausziehen sowie beim Essen zur Hand. Zudem wechselt sie die Bettwäsche, räumt das Zimmer auf, lüftet und unterstützt die diplomierten Pflegekräfte. Dank ihrer 35jährigen Erfahrung hat sich Monika Antenen-Künzle einiges an Know-how angeeignet und sich regelmässig ­weitergebildet. So reicht ihr Fachwissen im pflegerischen Bereich weit über das hin­aus, was von einer Pflegeassistentin für gewöhnlich erwartet wird und was manch jüngere Berufskolleginnen und -kollegen mit ähnlicher Ausbildung mitbringen. «Deshalb ist es mein Wunsch, die Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit nachzuholen», sagt die gebürtige Ostschweizerin. Auch wenn das in ihrem Fall bedeutet, dass sie nochmals komplett von vorne anfangen muss.

Als Fachfrau Gesundheit hätte ich mehr Verantwortung, könnte meine Erfahrung mit einbringen. Und ich wäre besser bezahlt.

Ihren derzeitigen Lohn möchte Monika Antenen-Künzle lieber nicht nennen. Aber er liege ein gutes Stück unterhalb der Empfehlung des Pflegeverbands. Diese beträgt 5250 Franken brutto im Monat für eine 80-Prozent-Anstellung, bei gleicher Erfahrung und vergleichbarer Qualifikation. «Mein Mann und ich leben bescheiden, deshalb reicht der Lohn gut zum Leben. Trotzdem finde ich, dass unser Beruf angesichts dessen, was wir leisten, mehr Wertschätzung verdient hat. Auch in Form von besseren Löhnen!» sagt sie kämpferisch. Denn das hat sie ebenso: ein Kämpferinnenherz.

Ware und Roboter

Dieses Kämpferinnenherz setzt sie auch als Unia-Botschafterin ein, Gewerkschaftsmitglied ist sie seit 2024. Monika Antenen-Künzle kann ganz genau sagen, was sich im Pflegebereich ändern müsste: «Es braucht einen Gesamtarbeitsvertrag, bessere Arbeitszeiten, weniger Stress, mehr Personal, mehr Zeit, mehr Lohn und mehr Seele – gerade in der Langzeitpflege.» Denn die Seele könne unter dem massiven Zeitdruck verloren gehen, und dann bestehe das Arbeiten nur noch aus heruntergeratterten Handlungsabläufen:

So wird der pflegebedürftige Mensch zur Ware und das Pflegepersonal zu Robotern. Das darf doch einfach nicht sein!

So ist für Monika Antenen-Künzle auch klar, dass sie am 22. November gemeinsam mit den Gewerkschaften auf die Strasse geht und sich der Kundgebung für eine sichere Gesundheitsversorgung, für angemessene Arbeitsbedingungen und die Umsetzung der Pflegeinitiative anschliessen wird. Den Tag hat sie sich bereits ­freigenommen und ihren Arbeitgeber dar­über informiert, dass sie an der Demons­tration teilnehmen werde. «Noch ist nicht klar, wie die Verbesserungsvorschläge der Pflegeinitiative finanziert werden sollen. Das muss schnellstens geklärt werden, und das Parlament muss die Initiative endlich umsetzen.»

Dankbarkeit

Trotz allem, was sich für das Gesundheitspersonal dringend ändern muss, arbeitet Monika Antenen-Künzle nach wie vor gerne in der Alterspflege. Sie arbeitete bereits in verschiedenen Institutionen und einmal als Angestellte in einem Privathaushalt – das sei die beste Stelle ihres Lebens gewesen, verrät die Wahlbernerin. «Ich pflegte während fünf Jahren einen Mann bei sich zu Hause und konnte in Zusammenarbeit mit der Spitex und dem Hausarzt einige pflegerische Aufgaben übernehmen. Die Familie hat mir viel Vertrauen entgegengebracht, und es war schön, den Mann in seinen letzten Jahren eng zu begleiten.» Überhaupt komme von den Menschen, die sie jetzt betreue, viel Dankbarkeit und Wertschätzung zurück.

Es ist mir wichtig, wie es den Menschen auf meiner Abteilung geht, und das spüren sie. Ich begegne ihnen mit Respekt und versuche, sie zum Lachen zu bringen. Wenn ich aus den Ferien zurückkomme, haben manche schon gesagt, dass sie mich vermissten.

Das sei wunderschön zu hören – und entschädige für vieles.


Monika Antenen-KünzleAuch privat eine Helferin


Dass sie in medizinischen Notsituationen ruhig bleiben und besonnen reagieren kann, hat Monika Antenen-Künzle auch im Privatleben schon mehrfach bewiesen. So hat sie für ihren Mann wie auch für eine Nachbarin mehrere Male rechtzeitig die Ambulanz gerufen, hat ihrem Vater, der im Frühling 2025 gestorben ist, auch mit medizinischem Rat zur Seite gestanden und mehrmals im Spital sowie im Seniorenzentrum für ihn gekämpft, für einen verlängerten Aufenthalt im Spital, für Palliativmedikation.

Aufgabenteilung

Monika Antenen-Künzle lebt mit ihrem Mann in Bern Beth­lehem. Der Tod ihres Vaters habe sie schon ein bisschen ängstlicher gemacht. Denn: «Mein Mann ist auch schon 80 Jahre alt.» Aber vor 14 Jahren sei es Liebe auf den ersten Blick gewesen, sagt sie und strahlt. «Wir geniessen unsere gemeinsame Zeit sehr und unterstützen uns gegenseitig.» So schmeisst ihr Mann den Haushalt, kocht, putzt, bügelt und hält Monika Antenen-Künzle zu Hause den Rücken frei. Ihre gemeinsame freie Zeit verbringen sie grösstenteils zusammen, spazieren, trinken Kaffee oder «faulenzen».

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