Prozess gegen Vorgesetzte der Fast-Food-Kette Five Guys
«Es geht nicht nur um Jessicas Geschichte»

Jessica* erlebte mehrfach ­sexuelle Belästigung während ihrer Arbeit bei einer Fast-Food-Kette in Genf. Jetzt ist der letzte Prozesstag durch – das Urteil folgt in den kommenden Wochen.

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UNTERSTÜTZUNG FÜR JESSICA: Aktion vor dem Gerichtsgebäude in Genf. (Foto: Unia)

Jessica arbeitete während vier Jahren im Fast-Food-Lokal Five Guys in Genf. In dieser Zeit wurden sie und ihre Kolleginnen mehrfach sexuell belästigt. (work berichtete) Doch die Vorgesetzten unternahmen nichts gegen die Missstände im Betrieb. Jessica klagte deshalb gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber, das Unternehmen Pastem SA, das die Fast-Food-Kette in Genf betreibt. Am 13. Oktober fand die letzte Gerichtsverhandlung statt. Die Anwältinnen von Jessica fordern eine Entschädigung von mehr als 43 000 Franken, was sechs durchschnittlichen Schweizer Monatslöhnen entspricht. So sieht es das Gleichstellungsgesetz im Falle sexueller Belästigung vor. Darüber hinaus fordern sie 5000 Franken für immateriellen Schaden und 16 800 Franken Schadenersatz, die durch den monatlichen Verdienstausfall seit ihrer Kündigung bis zum Beginn des Prozesses entstanden waren.

Kein Einzelfall

«Es geht nicht nur um Jessicas Geschichte, sondern auch um die ihrer Kolleginnen und aller Frauen, die schweigen mussten», sagte die Anwältin Valérie Debernardi und fügte hinzu, dass die sexuelle Belästigung von Jessica kein Einzelfall sei.

Die Zahlen zeigen, dass mehr als die Hälfte der Arbeitnehmerinnen angeben, am Arbeitsplatz Belästigungen ausgesetzt gewesen zu sein, und das Gastgewerbe ist einer der drei am stärksten betroffenen Sektoren.

Dieser gesellschaftliche Kontext dürfe nicht ausser Acht gelassen werden. Sie lobt Jessicas Mut, einem multinationalen Konzern die Stirn zu bieten. «Noch immer wissen zu viele Arbeitgeber nicht, was sexuelle Belästigung ist und was sie bei den Opfern auslöst.»

Verteidigung verharmlost

Die Verteidigung hingegen betonte, gestützt auf die Aussagen von meist männlichen Zeugen, die Arbeitsatmosphäre sei gut gewesen. Sie spielte das Ausmass der Vergehen herunter und betonte, dass es sich offenbar eher um «Verführungsspielchen» gehandelt habe.

Das Urteil wird in einigen Wochen erwartet. Jessica brach beim Verlassen des Gerichts in Tränen aus. Es waren Tränen der Erleichterung. «Es ist vorbei», sagte sie und bedankte sich beim Unterstützungskomitee, der Gewerkschaft Unia und ihren Anwältinnen.

* Name geändert
** Dieser Text ist zuerst in der französischsprachigen Unia-Zeitung «L’Evénement syndical» erschienen. work bringt ihn in verkürzter Form.

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