Weil Trump dem Diktator schmeichelte:
Lukaschenko begnadigt Gewerkschaftsführer – und schickt sie ins Zwangsexil

Nach jahrelanger Haft wurden die belarussischen Gewerkschaftsführer Alexander Jaraschuk und Gennadiz Fedynich jüngst begnadigt – zusammen mit 50 anderen Gefangenen. Wirklich frei sind sie trotzdem nicht. Und Diktator Lukaschenko profitiert doppelt.

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EMOTIONAL: Die von Belarus entlassenen Gefangenen bei ihrer Ankunft in Litauen. (Foto: Keystone)

In der belarussischen Opposition ging das Gerücht schon länger um: Langzeitherrscher Alexander Lukaschenko wolle einige der rund 1200 politischen Gefangenen im Land begnadigen und auf freien Fuss setzen. Und doch hätte kaum jemand erwartet, was sich am 11. September ereignete: 52 Häftlinge aus verschiedenen Strafkolonien und Anstalten wurden ohne Vorankündigung aus ihren Zellen geholt, in Mannschaftstransporter gesetzt und kurzerhand über die Grenze ins Nachbarland Litauen verschleppt. Erst dort wurden sie entlassen.

Bei den Begnadigten handelt es sich mehrheitlich um Medienschaffende, Menschenrechtsaktivisten und oppositionelle Politiker, etwa der verbotenen Grünen Partei. Auch die beiden Arbeiterführer Alexander Jaraschuk (73) und Gennadiz Fedynich (66) kamen nach dreieinhalb Jahren Knast vorzeitig frei. Jaraschuk ist Präsident des seit 2022 verbotenen belarussischen Gewerkschaftsbunds, Vizepräsident des Internationalen Gewerkschaftsbunds und Verwaltungsrat der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Fedynich ist ehemaliger Vorsitzender der ebenfalls zerschlagenen Gewerkschaft der Beschäftigten in der radioelektronischen Industrie (REP).

VON DER HAFT GEZEICHNET: Alexander Jaraschuk trifft nach der Entlassung seinen Sohn. (Foto: zvg)

Komplett überraschend sei seine Entlassung nicht gekommen, sagte Jaraschuk in einem Interview mit der Exilorganisation «Salidarnast». Denn:

Im Juli kam ein Staatsanwalt zu mir und drängte mich vier Stunden lang mit allen Mitteln, ein Begnadigungsgesuch zu unterzeichnen.

Doch Jaraschuk weigerte sich standhaft, vor dem Diktator den Bückling zu machen und sich zu entschuldigen. Dass er nun trotzdem freikam, ist ein Resultat des beständigen Drucks der internationalen Gewerkschaftsbewegung (work berichtete). Den Ausschlag gab allerdings ein zweifelhafter «Deal» von US-Präsident Donald Trump.

Trumps Schmeicheleinheit

Im Juni hatte Trump nämlich seinen Ukraine-Gesandten John Coale nach Minsk geschickt – mit dem Auftrag, Lukaschenko zu schmeicheln. Coale überreichte dem Diktator einen von Trump und Ehefrau Melania signierten Geburtstagsbrief mit «herzlichen Glückwünschen». Dies sei ein «seltener Akt der Freundschaft», betonte Coale vor den Kameras. Lukaschenko war begeistert. Es war die erste westliche Schmeicheleinheit seit seinem Wahlbetrug 2020 und seiner Schützenhilfe für Russlands Krieg gegen die Ukraine. Lukaschenko schlug sofort vor, einen «Big Deal, so wie Trump ihn mag», abzuschliessen.

Ob «big» oder nicht: mittlerweile haben die USA die Sanktionen gegen die belarussische Fluggesellschaft Belavia gelockert. Auch die Wiedereröffnung der US-Botschaft in Minsk wird erwogen. Die Begnadigung einiger prominenter Gefangener ist Lukaschenkos Dank dafür. Wobei sich der Diktator als gerissener Taktiker erwies. Denn seine Justizbeamten hielten die Pässe und sonstigen persönlichen Dokumente der allermeisten Entlassenen zurück. So bleibt ihnen eine Rückreise in die Heimat verwehrt.

Betroffen von diesem Zwangsexil sind auch die angeblichen Gewerkschafts-«Extremisten» Fedynich und Jaraschuk. Für letzteren besonders bitter: Seine Haftstrafe hätte am 1. November ohnehin geendet, und er hätte zurück zu seiner Familie können. Heute sagt Jaraschuk: «Das Regime schlug zwei Fliegen mit einem Schlag. Uns sind sie los, und von den USA gibt es Goodies.» Ans Aufgeben denkt er trotzdem nicht:

Wir werden zurückkehren. Und zwar für die wichtigste Sache in unserem Leben: die Befreiung von Belarus!

Auch anarchistischer Blogger kommt frei: «Gotte» Tamara Funiciello überrascht

Unter den 52 von Belarus-Herrscher Lukaschenko begnadigten Gefangenen ist auch Mikalai Dziadok (37). Der Anarchist und bekannte Blogger wurde 2020 nach den Massenprotesten gegen Lukaschenkos Wahlbetrug wegen angeblichen «Hooliganismus» inhaftiert, gefoltert und zu 5 Jahren Strafkolonie verurteilt. Schon 2011 bis 2015 sass Dziadok hinter Gittern.

Im Rahmen einer internationalen Solidaritätskampagne übernahm SP-Nationalrätin Tamara Funiciello 2021 eine «Patenschaft» für Dziadok. «Sein Name steht für Widerstand gegen Lukaschenkos Regime», erklärte die Bernerin damals. Dass ihr «Schützling» nun nach Litauen deportiert wurde, erfuhr Funiciello erst von work. Jetzt will die Nationalrätin möglichst rasch den Kontakt herstellen und rausfinden, wie es Dziadok geht. Auch Unterstützung wolle sie weiter anbieten, aber nicht bloss für Dziadok. Denn, so Funiciello: «Das ganze belarussische Volk braucht endlich Freiheit!»

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